Zaghafte Heimkehr der Wildkatzen: Wie sich der Luchs in Deutschland ausbreitet
Der Luchs breitet sich wieder in Deutschland aus. Doch Umweltschützer sorgen sich um ihren kleinen Bestand und fordern umfangreiche Schutzmaßnahmen.
Bilder wie dieses sind ein gutes Zeichen. Ein Luchs, umgeben von drei Jungtieren, ist mitten der Nacht in eine Wildkamera gelaufen. Hier, in der Nähe von Lutter, mitten im Harzgebirge, haben die Aufnahmen einzelner Luchse für Natur- und Wildtierschützer keine Seltenheit mehr. Die Aufnahme aus dem vergangenen November mit gleich vier Wildtieren war allerdings selbst für die Wildschützer des Nationalparks Harz etwas Besonderes. „Derartige Aufnahmen sind sehr selten“, sagte der Luchs-Experte des Nationalparks Harz, Ole Anders nach dem Fund.
Seit Jahren wächst in Deutschland der Bestand der Wildkatzen. 137 Luchse wurden im vergangenen Jahr in zehn Bundesländern gezählt. Das ergab das Wildtiermonitoring des Bundesamts für Naturschutz (BfN), das die Zahlen im Februar veröffentlichte. 88 erwachsene Luchse und 49 Jungtiere wurden gesichtet. Durch die automatisch erstellten Schnappschüsse, etwa an Wildtierquerungen, können die Tiere anhand ihrer Fleckenzeichnung einwandfrei unterschieden werden. „Ganz entscheidend für die Entwicklung des Luchsbestandes ist die Anzahl an Weibchen, die Junge haben“, sagte BfN-Präsidentin Beate Jessel im Februar. Erfreulich sei, dass die Zahl der Luchsweibchen, die sich auch tatsächlich fortpflanzen, gestiegen sei.
„Der Bestand ist noch immer klein und wächst nur sehr langsam“
Doch ganz so einfach ist die Heimkehr des Luchses nach Deutschland nicht. Umwelt- und Wildtierschützer sorgen sich um den Bestand und die Zukunft der Luchse in Deutschland und warnen: „Die Population in Deutschland ist keinesfalls so stabil, wie es scheint. Der Bestand ist noch immer klein und wächst nur sehr langsam“, sagt Friederike Scholz vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) dem Tagesspiegel. Im Vergleich zum Vorjahr seien etwa nur wenige Tiere hinzugekommen.
Ein Problem, das ihre Ausbreitung verhindert: Die Tiere leben hauptsächlich in drei voneinander getrennten Populationen: im Harz, im Bayerischen Wald an der Grenze zu Tschechien und im Pfälzerwald nahe der französischen Grenze. „Das dichte Autobahn- und Straßennetz verhindert, dass die Tiere in ihre ursprünglichen Lebensräume zurückkehren“, sagte Scholz. „Ihr Lebensraum ist zerschnitten.“ Viele Luchse würden von Autos erfasst. Handele es sich um Weibchen mit Jungtieren, sterben auch diese. Der Luchs war hierzulande längst ausgestorben. Dass er überhaupt im dicht besiedelten Deutschland eine Chance hat, ist mehreren Ansiedlungsprojekten zu verdanken.
Im Harz etwa, wo mit 90 Tieren mittlerweile die größte Population lebt, wurden zwischen 2000 und 2006 24 Luchse ausgewildert. Es waren wohl die ersten Tiere dieser Art, die in den letzten 150 Jahren durch deutsche Wälder liefen. Auch die Population im Nationalpark Bayern beruht auf einer Auswilderung, das Projekt im Pfälzer Wald ist noch nicht abgeschlossen.
Probleme sind von Menschen gemacht
Doch allen Ansiedlungen zum Trotz sind die größten Probleme der Wildkatzen von Menschen gemacht. In Bayern ist etwa zu beobachten, dass der Luchs sich nicht über die Grenzen des Nationalparks hinaus ausbreitet – ein Hinweis auf illegale Tötungen der Tiere, die auch anderen Orten nicht ausgeschlossen werden können. Erst im Februar forderte BUND-Vorsitzender Olaf Bandt „mehr Informationsarbeit rund um den Luchs und runde Tische mit Landnutzenden, um die Akzeptanz für Luchse sicherzustellen“. „Illegale Tötungen gilt es konsequent strafrechtlich zu verfolgen.“
Hinzu kommen Krankheiten. In den vergangenen Jahren hatte sich bereits eine Luchspopulation von rund 10 Tieren um zwei erwachsene Weibchen in Hessen angesiedelt. Doch sie fielen der Räude zum Opfer. „Die kleinen Lebensräume der Tiere in zersiedelten Gebieten spielen dabei eine wichtige Rolle“, sagte Scholz.
Damit sich der Bestand weiter ausbreiten kann, soll es nun möglich gemacht werden, dass sich Populationen miteinander vernetzen. „Das Tier braucht aktive Unterstützung, um sich dauerhaft in Deutschland halten zu können“, sagt Scholz. Der Bund Naturschutz in Bayern (BN) will mit gezielten Freilassungen dafür sorgen, dass die Tiere sich weiter vermehren und bisherige Teilpopulationen vernetzt werden. So sollen Luchse entlang möglicher Achsen zwischen den regionalen Populationen freigelassen werden, teilte der BN im März mit.
Für Scholz spielen der Grünbrückenbau und Wildtierquerungen bei der weiteren Verbreitung eine entscheidende Rolle. Dies müssten die Länder umsetzen, die hierfür auf Gelder des Bundesprogramms Wiedervernetzung zurückgreifen können. Ende dieses Jahres soll es auslaufen. „Wir kämpfen für den Erhalt und eine angemessene Finanzierung durch das Bundesverkehrsministerium“, sagt Scholz weiter.
Gern verweist sie auf die Nationale Biodiversitätsstrategie. Nach dieser soll der Luchs im Jahr 2020 wieder flächendeckend in den Mittelgebirgen und den Alpen vorkommen. „Außerhalb der drei isolierten Hauptvorkommen zählen wir nur Einzeltiere und könnten kaum weiter von dem Ziel entfernt sein.“ Die endgültige Heimkehr des Luchses bedarf noch weiterer Unterstützung.