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US-Präsident Obama spricht nach dem Kino-Massaker von Aurora bei einer Trauerveranstaltung an der Universität von Colorado.
© afp

Kino-Massaker: Wie Obama die Menschen in Aurora tröstet

Der US-Präsident als Seelsorger: Barack Obama sprach mit Angehörigen und Überlebenden des Kino-Attentats in Aurora. Bei einer Trauerfeier im Zentrum der Stadt kam es zu ergreifenden Szenen.

Auf einem Hügel gegenüber dem Tatort haben Bürger zwölf weiße Kreuze für die Toten errichtet. Zu ihren Füßen sammeln sich Blumen, Kerzen, Teddybären und Andenken an die Gestorbenen. Aurora trauert um die Opfer des Kino-Attentats.

Präsident Barack Obama war am Sonntagnachmittag nach Colorado geflogen, um mit Überlebenden und Angehörigen der Getöteten zu sprechen. Von ihm wird eine Aufgabe erwartet, die weder in der Verfassung noch in den Handbüchern zur Stellenbeschreibung des Präsidenten enthalten ist: „Healer in Chief“. Er soll die seelischen Wunden heilen und die Nation trösten. Bereits zum dritten Mal in seiner Amtszeit muss er als Seelsorger des Volkes dienen. Im November 2009 hatte Major Nisal Hasan, ein Armeepsychologe muslimischer Abstammung, im Militärstützpunkt Fort Hood, Texas, auf Soldaten geschossen, die in den Einsatz nach Afghanistan und in den Irak gehen sollten. 13 starben. Im Januar 2011 sprach Obama auf der Trauerfeier in Tucson, Arizona, nachdem Jareed Loughner, ein psychisch kranker Einzeltäter, bei einer Bürgersprechstunde die Abgeordnete Gabrielle Giffords niedergeschossen und sechs Menschen getötet hatte. Manche Medien zählen Obamas Traueransprache in Tucson zu den besten Reden seiner Amtszeit.

„Healer in Chief“ – Obama besucht im Krankenhaus Allie Young und ihre Freundin Stephanie Davies, die ihr geholfen hat.
„Healer in Chief“ – Obama besucht im Krankenhaus Allie Young und ihre Freundin Stephanie Davies, die ihr geholfen hat.
© dpa

Georg W. Bush stand 2007 vor einer ähnlichen Aufgabe, nach dem Massaker an 32 Studenten und Bediensteten der Virginia Tech Universität. Und Bill Clinton 1999 nach der Schießerei an der Columbine High School.

Am Sonntag traf sich Obama für mehr als drei Stunden mit Familien der Getöteten in der Universitätsklinik von Colorado und richtete danach eine kurze Ansprach an die Nation. In solchen Momenten allgemeinen Entsetzens und gemeinsamer Trauer finde das amerikanische Volk über alle trennenden Gräben hinweg zusammen, sagte der Präsident. Er spendete Trost, indem er aus der Bibel zitierte: Gott werde die Tränen trocknen und den Tod überwinden. Und indem der Präsident von Menschen erzählte, die im Angesicht des Bösen selbstlos und furchtlos Gutes taten und Leben retteten.

Bildergalerie: Die schreckliche Tat von Aurora

Zum Beispiel die 21-jährige Stephanie Davies. Sie saß neben ihrer besten Freundin, Allie Young, 19 Jahre, in einer der vorderen Reihen, als der Attentäter das Kino durch den Notausgang neben der Leinwand betrat. Allie stand auf, als sie die Gefahr erkannte, und wurde sofort von einer Kugel im Nacken getroffen. Heftig blutend sank sie in den Sitz zurück. Stephanie riss sie mit sich auf den Boden zwischen die Sitzreihen. Allie flüsterte, sie solle fliehen und ihr eigenes Leben retten. Doch Stephanie blieb bei ihr, während der Attentäter weiter auf Kinobesucher schoss. Mit der einen Hand drückte sie die Wunde zusammen, um die Blutung zu stoppen. Mit der anderen wählte sie auf ihrem Mobiltelefon die Notrufnummer 911. Wenig später stürmte ein Swat-Einsatzteam das Kino. „Dank Stephanies rechtzeitiger Hilfe wird Allie überleben“, berichtete Obama. „Ich habe gerade mit den beiden und ihren Familien gesprochen.“

Video: Attentäter von Aurora vor Gericht

"Engel begleiten die, die trauern"

Bei einer Trauerfeier im Zentrum von Aurora vor dem Rathaus mit mehr als tausend Bürgern kam es kurz darauf zu ergreifenden Szenen, als die Namen weiterer Amerikaner verlesen wurden, die im Kino mit ihren Körpern ihre Partner und Kinder vor den Kugeln des Attentäters geschützt hatten. Dort war Obama nicht zugegen. Die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen für seine Teilnahme an dieser Versammlung unter freiem Himmel wären zu groß gewesen und hätten vom Totengedenken abgelenkt, hieß es. Viele Bürger hatten selbstgemalte Poster dabei. Auf einem stand: „Engel begleiten die, die trauern.“

Der mutmaßliche Schütze James Holmes wurde am Montag dem Haftrichter vorgeführt. Er war im Besitz der drei Tatwaffen, als er unmittelbar nach der Schießerei auf dem Parkplatz hinter dem Kino an seinem Auto festgenommen wurde. Nach inoffiziellen Angaben aus Polizeikreisen hatte er zunächst die Schrotflinte benutzt, bis deren Magazin leer geschossen war. Dann griff er zu einem Sturmgewehr vom Typ AR15, der zivilen Version des Standardgewehrs im Militär namens M-16. Diese Waffe gilt als besonders gefährlich, weil man damit 50 bis 60 Schuss pro Minute abgeben kann, sofern man ein großes Magazin verwendet. Je größer ein Magazin, desto anfälliger ist es jedoch für Ladehemmungen. Die Ermittler vermuten, dass eine solche Ladehemmung auftrat. Denn der Schütze habe auch noch seine Pistole, Marke Glock, benutzt, statt das Sturmgewehr leer zu schießen, ehe er das Kino verließ. Möglicherweise wollte er neue Munition aus dem Auto holen.

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