Die Welt der Queen: Welche Bedeutung hat das Commonwealth noch?
Das Commonwealth – 53 Staaten, verbunden durch die englische Sprache, Kultur und Rechtstradition. Ein Nationenbund, der der Königin sehr am Herzen liegt. Aber hat er eine Zukunft?
War das die große Geste, auf die viele schon so lange gewartet haben? Als Queen Elizabeth II. am Freitag zum Commonwealth-Gipfel auf die Insel Malta reiste, hatte sie ihren Sohn und dessen Gemahlin dabei. Für einige Beobachter ein klares Indiz dafür, dass es bald so weit ist. Dass die Queen Prinz Charles jetzt vor den versammelten Staatsoberhäuptern ihres Reiches präsentiert und dann bald zugunsten ihres Sohnes abdanken wird.
König Charles, der neue Herrscher über das Commonwealth? Nun, so weit ist es noch nicht. Aber nicht zuletzt die Spekulationen um die Gefolgschaft der Queen zeigen, dass dieses Treffen doch noch viel Beachtung findet. Überhaupt hat die bald 90-jährige Königin ein so großes Aufgebot mitgebracht wie nie zuvor bei einem Gipfel. Neben Camilla und Charles wurde die Queen auch von ihrem Mann Philip begleitet, dem 94-jährigen Herzog von Edinburgh. Ihr Signal: Das Treffen ist wichtig, ihr seid wichtig. Wie alle zwei Jahre wollen die Commonwealth-Staaten auch auf Malta ihre Bedeutung demonstrieren. Sonst passiert das nur bei den Commonwealth Games, die analog zu den Olympischen Spielen alle vier Jahre stattfinden.
Die Queen müsste nicht dorthin fahren, diese Strapazen in ihrem Alter nicht mehr auf sich nehmen. Sie kommt auch nicht, weil sie die Insel, auf der sie einst zwei glückliche Jahre mit Philip verlebte, so liebt. Auch nicht, weil der traditionelle Besuchstermin bei den Rassepferden des Racing Clubs ansteht. Elizabeth II. ist vielmehr gekommen, weil ihr keine Organisation in der Welt wichtiger ist als das Commonwealth of Nations, wie es genau heißt. Er ist ihr Baby. Als sie zum ersten Mal zu einem dieser Treffen ging, bestand das Commonwealth noch aus sieben Mitgliedern, heute sind es 53. Viele von ihnen sind ehemalige britische Kolonien. Sie teilen die englische Kultur, die englischen Rechts- und Verfassungstraditionen und die englische Sprache. Unter ihnen fühlt sich die Queen wohl.
Nur fühlen sich nicht alle unter ihr wohl. Immer wieder gibt es Nationen, die darüber nachdenken, diesen Staatenbund zu verlassen. Das war schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts so. Um den Autonomiebestrebungen der Dominions wie Kanada, Südafrika oder Australien entgegenzuwirken, war das British Commonwealth of Nations 1926 überhaupt erst gegründet worden, als eine Art Nachfolgeorganisation des British Empire. 89 Jahre später leben beinahe 30 Prozent der Weltbevölkerung in Mitgliedsstaaten des Commonwealth, etwa in Indien, Sambia, Vanuatu oder Trinidad und Tobago. Viele der Commonwealth-Länder haben sogar noch den alten Union Jack in ihren Flaggen – und denken, wie jüngst Neuseeland, darüber nach, ob das noch zeitgemäß ist. Dass sich die Nationen dem Staatenbund unterschiedlich stark verpflichtet fühlen, ist allerdings durchaus Teil des Systems.
Ihre letzte Auslandsreise?
Denn anders als etwa bei der Europäischen Union findet beim Commonwealth vieles auf freiwilliger und gleichberechtigter Basis statt. Respekt vor der nationalen Selbstständigkeit der Mitglieder gilt als eisernes Grundprinzip. Die Regierungschefs könnten zum Beispiel beschließen, ihren Chef demokratisch zu wählen und die alten monarchischen Rituale zu ignorieren. Ohnehin ist die Queen nur noch in 16 der 53 Länder offizielles Staatsoberhaupt. Seit ihrem ersten Gipfeltreffen 1974 hat sie nur einmal gefehlt, vor zwei Jahren. Aus Altersgründen und wegen einer wachsenden Abneigung gegen Fernreisen, hieß es. Die derzeitige könnte ihre letzte Auslandsreise gewesen sein.
Das größte, was die Verbindung zustande gebracht hat, war vermutlich die Organisation des Weltboykotts gegen den Apartheidstaat Südafrika. Seither jedoch schrecken die Commonwealth-Mitglieder vor klarer gegenseitiger Kritik eher zurück. Bis auf eine Ausnahme. Kanada sagte seine Teilnahme am Treffen in Sri Lanka wegen der Menschenrechtsverletzungen ab, enttäuscht darüber, dass man sich überhaupt dort traf. Das war für den damaligen Präsidenten der „Royal Commonwealth Society“, Peter Kellner, ein Indiz dafür, dass der Nationenbund „auf dem Weg in die Irrelevanz“ sein könnte.
Andere wie Kellners Nachfolger Lord Howell sagen dem Commonwealth aber gerade wegen seiner lockeren und toleranten Organisation eine große Zukunft voraus. Gleiches gilt für britische Euroskeptiker, die den damaligen Eintritt in die EU als Verrat am Commonwealth und seinen Ländern sahen. Zumindest den Zahlen zufolge ist der englische Staatenbund erfolgreicher. 1974, ein Jahr nach dem britischen Beitritt, überholte das Commonwealth die EU in Sachen Wirtschaftskraft. Seither wächst die Commonwealth-Gruppe unablässig, während die EU Anteile am Welthandel verliert.
Demokratie, Redefreiheit, Menschenrechte - eigentlich
Das Commonwealth of Nations versteht sich als multiethnische und multikulturelle Organisation. Beim diesjährigen Treffen, das am Sonntag zu Ende gegangen ist, geht es zum Beispiel um Klimapolitik. Vor den Pariser Klimagesprächen will man die Stimme der „Dritten Welt“ zu Gehör bringen und zeigen, dass das Commonwealth gerade wegen seiner geografischen und ethnischen Vielfalt in der vernetzten Welt eine wichtige Rolle spielt.
So hat der Nationenbund inzwischen auch eine Charta, die die Mitglieder zu Demokratie, Redefreiheit und zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet. Trotzdem ist in Staaten wie Uganda oder Malawi beispielsweise Homosexualität verboten, ohne dass der Staatenbund etwas unternimmt. Respekt für die Souveränität der ehemaligen Kolonien geht über alles. Mahnen und Bitten ist erlaubt, Sanktionen lieber nicht. Denn die Briten wollen ja nicht wieder als Gängler dastehen.
Die Queen als erfahrene Diplomatin weiß, wie sie mit ihren Ländern umgehen muss. Sie hält den Commonwealth seit Jahrzehnten mit einer Mischung aus Respekt und Toleranz, Lob und vorsichtigem Tadel und vor allem Zurückhaltung zusammen. Charles hingegen wird oft eine stürmische Natur und eine regelrechte Reformsucht nachgesagt. Er kann seiner Mutter auf Malta über die Schulter schauen und lernen, wie man es richtig macht. Vielleicht hat ihn die Königin auch nur deshalb mitgenommen.
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