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Der Hallerbos ist auch als «Blauer Wald» bekannt, wo die Hasenglöckchen Mitte April blühen und einen blauen Teppich bilden.
© dpa

Für die Gesundheit ins Grüne: Warum das Waldbaden so wohl tut

Immer mehr Stadtmenschen entdecken für ihre Gesundheit neben Sport und Spa den Weg in die Natur wieder – auch als Geschäftsmodell.

Raus aus der Stadt. Rein ins Grüne. Eintauchen – abtauchen. Keine Jahreszeit lädt so sehr dazu ein wie der Frühling. Alles blüht bunt, die Vögel tschilpen. Dass das die Stimmung hebt, spürt man. Selbst wenn man in der Großstadt nur ein paar hundert Meter von der Haustür zur S-Bahn vorbei an Bäumen und Büschen zurücklegt. Mehr noch lässt es sich erfahren, wenn man sich tatsächlich in den Wald begibt: zum Waldbaden.

Waldbaden liegt im Trend. Auch in Deutschland treffen sich immer mehr Gleichgesinnte, um gemeinsam die heilsame Kraft des Grüns zu erfahren. Das tut der Seele gut und dem Körper, sagen sie. Man muss nur die „Waldatmosphäre mit all ihren Düften und Klängen, der Vielfalt der Strukturen, Formen und Farben, all dem Leben“ erleben. Darauf komme es beim Waldbaden an, schreibt Lia Braun. Braun arbeitet als Diplom-Psychologin und bietet in Berlin regelmäßig ein angeleitetes Waldbaden an. Über ihre Erfahrungen und die Kurse schreibt sie unter „Naturspirale“ auch einen Blog.

Beim Waldbaden kommt es auf die Achtsamkeit an

Nun könnte man meinen, dass die Idee nicht so neu ist. Spazieren gegangen sind die Menschen schon immer. Beim Waldbaden aber kommt es auf die Achtsamkeit an – und die Geschwindigkeit. Während beim Spazieren im Schnitt fünf Kilometer pro Stunde zurückgelegt werden, sollte es beim Waldbaden eher einer in fünf Stunden sein. „Anzukommen, zu entschleunigen und die Sinne zu öffnen“, schreibt Lia Braun, sei entscheidend. Sich auf den Waldboden setzen, an einen Baum lehnen und zur Ruhe kommen. Durchatmen. Mit den Fingerspitzen über Laub und Farne streichen, die Luft riechen, Wurzelwerk betrachten. Oder das Lichtspiel in den Blättern. Und dabei spüren, wie sich die Atmung verlangsamt.

In Japan ist „Shinrin-Yoku“, das Baden im Wald, in den 1980er Jahren entstanden. Das Konzept kam aus der Politik – weil die arbeitende Bevölkerung immer mehr unter Stress stand und immer kranker wurde. Es ist sicher kein Zufall, dass der Trend aus einem Land kommt, indem das „Sich zu Tode arbeiten“ mit „Karoshi“ einen eigenen Namen hat. Inzwischen entwickelte sich in Japan um die Waldmedizin ein eigener Forschungs- und Industriezweig.

Wald gibt es in Deutschland so viel wie sonst kaum in Europa

Auch in Deutschland steigt die Zahl der Krankheitstage wegen psychischer Leiden immer weiter. Neun von zehn Arbeitenden fühlen sich gestresst und die Hälfte vom Burn-out bedroht. „Work- Life-Balance“ ist oft nur ein Wunsch. Allmählich entdecken die Menschen neben Sport und Spa in geschlossenen Räumen nun den Weg in die Natur wieder. Auch als Geschäftsmodell.

Um das Waldbaden scheint ein eigener Zweig im Gesundheitstourismus zu entstehen. Angebote gibt es zum Beispiel im Thüringer Nationalpark Hainich, im Taunus, auf Usedom und im Schwarzwald. In Heringsdorf steht nach eigenen Angaben der erste Europäische Kur- und Heilwald auf 180 Hektar. Nachahmer finden sich nahe Rostock und im Hessischen.

Überall treffen sich Gruppen Gleichgesinnter, um im Wald abzutauchen. Manchenorts gibt es schon Ausbildungen zum Waldtherapeuten – auch an öffentlichen Einrichtungen. Die Universität Rostock bietet am Lehrstuhl für Naturheilkunde eine Ausbildung in Waldtherapie an. In München gibt es eine Weiterbildung zum Waldgesundheitstrainer.

Attraktiv erscheint das Waldbaden vielen wohl auch, weil es weitgehend voraussetzungsfrei ist – solange man sich einfach darauf einlässt. Wald gibt es in Deutschland so viel wie sonst kaum in Europa. Jetzt im Frühling braucht es nicht mal mehr dicke Kleidung, nur passendes Schuhwerk. Oder man traut sich als „Fortgeschrittener“ barfuß ins kitzelige Gras und auf den kühlen, lehmigen Waldboden.

Waldbaden beruhigt den Puls und hebt die Stimmung

Sich mit allen Sinnen darauf einzulassen scheint gerade für Städter die größte Herausforderung zu sein. Auch wenn ihre Entwicklungsgeschichte unter freiem Himmel begann, verbringen sie den Großteil ihrer Zeit heute in Gebäuden und vor Bildschirmen. Waldtherapie ist demnach eine Praxis wie Meditation oder Yoga, schreibt Lia Braun. Erst „regelmäßiges Tun vertieft den Prozess.“

Der Effekt ist belegt. In den vergangenen Jahren haben sich neben den Japanern weitere Forscher damit auseinandergesetzt. „Verlässlichen Studien zufolge kann man davon ausgehen, dass das Waldbaden Stress reduziert und die Erholung fördert“, sagt die Klimatologin Angela Schuh von der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Wald tut gut. Waldbaden beruhigt den Puls und hebt die Stimmung. Es reduziert merklich den Stress und stärkt die Abwehrkräfte – wenn Mobiltelefone und Gespräche mal für eine gewisse Zeit verstummen. Einer Studie der Universität Michigan zufolge genügen schon 20 bis 30 Minuten im Grünen, um die Cortisol- Produktion einzudämmen. Waldbade- Einheiten können bis zu mehreren Stunden dauern.

Mit dem Stress lässt sich auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verringern. Die Forscher aus Michigan empfehlen deshalb, dass Ärzte auch mal die „Naturpille“ anstelle chemischer Arznei verschreiben sollten. Wer keine Tagesausflüge schafft, könne ja mit einer Mittagspause und nackten Fußsohlen auf dem Stadtrasen anfangen. (mit dpa)

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