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Der Fahrer soll fünf Stunden länger als erlaubt auf der Straße gewesen sein.
© AFP/Stringer

Suche nach der Schuld: War der Busfahrer von Madeira übermüdet?

Nach dem Unglück mit 29 Toten erhebt Portugals Busfahrergewerkschaft schwere Vorwürfe: Der Fahrer soll vor dem Unfall viel zu lange am Steuer gesessen haben.

Nach dem verhängnisvollen Busunglück auf Madeira, bei dem 29 Menschen starben, hat Portugals Busfahrergewerkschaft SNM schwere Vorwürfe erhoben. Nach Angaben eines Gewerkschaftssprechers saß der Fahrer des Unglücksbusses zum Zeitpunkt des Unfalls am vergangenen Mittwochabend offenbar bereits 13 Stunden hinter dem Lenkrad – und damit fünf Stunden länger als erlaubt. Laut Gesetz dürfe die maximale Arbeitszeit der Busfahrer nur acht Stunden betragen.

Entsprechende Dokumente habe man der Staatsanwaltschaft übergeben und zudem Anzeige gegen das Busunternehmen erstattet, erklärte Gewerkschaftskoordinator Manuel Oliveira im TV-Sender SIC. Der ihm vorliegenden Dokumentation zufolge habe der Busfahrer seinen Dienst am Tag des Unfalls vermutlich gegen 5.30 Uhr morgens angetreten. Der Unfall im Ferienort Caniço ereignete sich am Abend gegen 18.30 Uhr. Zudem habe der Fahrer seinen Dienst am Vorabend des Unfalls anscheinend erst um 22 Uhr beendet, sagte Oliveira.

Laut Gewerkschaft seien derartige Arbeitszeitverstöße in der portugiesischen Busbranche keine Ausnahme. Die Fahrer würden diese Missstände meist nicht anzeigen, weil sie um ihren Arbeitsplatz fürchten. Die Aufsichtsbehörden seien wiederum wegen fehlender technischer und personeller Möglichkeiten kaum in der Lage, die Einhaltung der Vorschriften zu kontrollieren. Das betroffene Busunternehmen wies diese Vorwürfe zurück. Wie ein Sprecher der Busfirma SAM der portugiesischen Zeitung Diário de Notícias sagte, seien die Gewerkschaftsangaben „völlig falsch“.

Technisches Versagen als Grund

Der Fahrer selbst hat den Unfall nach Informationen einer örtlichen Zeitung auf „technisches Versagen“ seines Busses zurückgeführt. Die Regionalzeitung „Jornal da Madeira“ berief sich in ihrem Bericht auf einen Vertreter der Verkehrsgewerkschaft auf der portugiesischen Urlaubsinsel, der den 55-Jährigen im Krankenhaus der Inselhauptstadt Funchal besucht hatte.

Der verletzte Busfahrer gilt nach portugiesischen Medienberichten als sehr erfahren und zuverlässig. Der Mann war unmittelbar nach dem Unfall vom Mittwochabend in Funchal einem Alkoholtest unterzogen worden, der nach amtlichen Angaben negativ ausfiel. Vor dem Unfall soll er nach Aussagen von Überlebenden und Augenzeugen versucht haben, auf der abschüssigen, kurvenreichen Straße das Tempo des immer schneller werdenden Busses zu drosseln, indem er unter anderem eine Betonwand am Straßenrand streifte.

Der Versuch schlug fehl. Der Bus stürzte einen Abhang hinunter und krachte in ein Haus. Portugiesische Medien spekulierten, dass möglicherweise das Gaspedal blockiert habe. Die zuständigen Behörden gaben zu den laufenden Ermittlungen vorerst keine Informationen bekannt.

Die verletzten Überlebenden der Buskatastrophe haben ihren Heimflug mittlerweile gut überstanden. Die ersten Patienten seien schon in Krankenhäuser in der Nähe ihrer jeweiligen Wohnorte verlegt worden, sagte eine Sprecherin der Unfallklinik in Köln-Merheim am Ostermontag. Eine Sondermaschine der Bundeswehr holte 15 Verletzte am Samstag von Madeira nach Deutschland zurück. Die Patienten kamen anschließend in die Kölner Klinik. Insgesamt wurden 27 Menschen verletzt.

Trauer auf Madeira

Überlebende und ihre Angehörigen nahmen am Karfreitag in Funchal an einem Gedenkgottesdienst hinter geschlossenen Türen teil. Einige der Gäste hätten deutliche Verletzungen am Körper und im Gesicht gehabt, so berichtet es die Zeitung „Correio da Manhã“. Eingeladen in die Kirche Igreja Presbiteriana hatte die Pfarrerin der deutschsprachigen Evangelischen Kirche auf der Atlantikinsel, Ilse Everlien Berardo: „Portugal trauert, Deutschland trauert, und die Solidarität kommt aus dem Herzen beider Nationen, und nicht nur dieser beiden Nationen“, sagt sie. „Wir sind dankbar für alle tröstlichen Worte.“

Das Wrack des Busses wurde am Donnerstagmorgen geborgen. Um das Risiko an der kurvigen Straße zu mindern, haben Arbeiter nun schwere Betonblöcke entlang des Abhangs aufgestellt. „Man kann nichts tun, man kann nur weinen“, sagt eine Augenzeugin, die den Unfall beobachtet hat. Es bleibt die Frage, ob eine bessere Absicherung den Unfall hätte verhindern können. (mit dpa)

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