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Helfer oder Spion? Vor Gericht können Dashcams zur Aufklärung von Unfällen beitragen, doch Datenschützer kritisieren das Sammeln von Daten im öffentlichen Raum.
© picture alliance / dpa-tmn

Private Videoaufnahmen im Verkehr: Vorsicht, Autokamera!

Sogenannte Dashcams zeichnen das Geschehen rund ums eigene Auto auf und werden immer beliebter. Doch ihr Einsatz ist umstritten – jetzt beschäftigt sich der Verkehrsgerichtstag mit dem Videobeweis.

Schon für 29 Euro sind die „Mitfahrer mit dem scharfen Blick“ im Internethandel zu haben: Dashcams, kleine Videokameras, die auf dem Armaturenbrett (englisch „Dashboard“) oder an der Windschutzscheibe befestigt werden und die das Verkehrsgeschehen rund um das eigene Auto aufzeichnen. „Drehen Sie nicht nur fantastische Roadmovies“, verspricht die Werbung. „Sie haben auch immer einen Unfallzeugen dabei.“ MiniVersionen („Dezenter geht es kaum“) lassen sich unauffällig an die Rückspiegel klemmen. In Russland gehören die elektronischen Beifahrer nicht zuletzt aus Angst vor Polizeiübergriffen längst zum Fahrzeugstandard; auf deutschen Straßen werden sie immer beliebter.

Doch der Einsatz ist hierzulande höchst umstritten. „Der Interessenkonflikt liegt auf der Hand“, sagt Kai Lohse, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof und Referent beim am Mittwoch beginnenden Verkehrsgerichtstag in Goslar. Auf der einen Seite bestehe angesichts der bekannten Unzulänglichkeiten von menschlichen Zeugenaussagen das Bedürfnis nach einer technischen und damit objektiven Beweisgrundlage. Andererseits griffen im öffentlichen Raum gefertigte Bilder erheblich in das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen ein.

Datenschutzbeauftragte fordern ein Verbot der privaten Verkehrsüberwachung

„Finger weg von Dashcams“, sagt die niedersächsische Datenschutzbeauftragte Barbara Thiel und fordert ein striktes Verbot der privaten Verkehrsüberwachung. Gemeinsam mit ihren Länderkollegen warnt die Datenwächterin vor einer flächendeckenden und permanenten Filmerei. „Damit würde das Recht auf informationelle Selbstbestimmung praktisch aufgegeben.“ Gegen einen selbst ernannten Hilfssheriff, der von seinem Auto aus systematisch Verkehrssünder gefilmt hatte, um diese bei der Polizei anzuschwärzen, verhängte Thiel wegen Missachtung des Bundesdatenschutzgesetzes ein Bußgeld von 1000 Euro. Der Bescheid wurde aber von Amtsgericht Hannover aus formalen Gründen gekippt, weil die Behörde nicht genau Orte und Zeitpunkte der Aufnahmen festgehalten habe.

Weniger Glück hatte der Lenker eines VW-Busses, der auf einer vierspurigen Bundesstraße Richtung Nienburg einen Alfa Romeo Mito bedrängt, ausgebremst und dessen Fahrer anschließend auf einem Parkplatz wüst beschimpft hatte. Das Amtsgericht Nienburg verdonnerte den Verkehrsrowdy vor einem Jahr wegen Nötigung und Beleidigung zu acht Monaten Haft auf Bewährung sowie zu zehn Monaten Führerscheinentzug. Der Richter ließ dabei eine vom Alfa-Fahrer gefertigte fünfeinhalbminütige Videosequenz ausdrücklich als Beweismittel zu: „Die abstrakte Furcht vor dem Orwell’schen Überwachungsstaat darf nicht dazu führen, dass den Bürgern sachgerechte technische Hilfsmittel zur effektiven Rechtsverfolgung vorenthalten werden.“ Der Zeuge habe die Aufnahmen aus konkretem Anlass heraus gefertigt; außerdem sei darauf der VW-Fahrer selbst gar nicht zu erkennen.

Mit ähnlichen Argumenten lassen auch immer mehr Zivilgerichte DashcamBilder in Prozessen um Unfallfolgen zu. „Die Aufnahmen müssen aber anlassbezogen und die Datensicherheit muss gewährleistet sein“, sagt Verkehrsrechtsanwalt Michael Nugel aus Essen. Dies sei bei Kameras mit „Schleifenfunktion“, bei denen die aufgezeichneten Bilder nach einigen Minuten wieder überspielt würden, in der Regel der Fall. Wenn beide Parteien zustimmten, stehe der Verwertung nichts entgegen. So rekonstruierte das Amtsgericht Köln mit Video-Hilfe einen Kreuzungsunfall, bei dem sich die Beteiligten gegenseitig die Missachtung einer roten Ampel vorwarfen. Das Amtsgericht Düsseldorf identifizierte den Verursacher eines Unfalls beim Spurwechsel.

Experte Nugel warnt freilich vor klassischen Eigentoren: In München verlangte ein gestürzter Radfahrer von einem Autofahrer Schmerzensgeld für seine Verletzungen und Ersatz für sein beschädigtes Gefährt. Dazu reichte er beim Amtsgericht Aufnahmen seiner Helm- und Lenker-Kamera ein. Dumm nur, dass ein Gutachter anhand dieser Bilder die Alleinschuld des Radlers belegen konnte. Auch für einen VW-Tiguan-Fahrer in Hannover ging die Präsentation seines Videos vor dem Amtsgericht nach hinten los. Die Aufnahmen zeigten, dass der Mann abrupt vor einer grünen Ampel gebremst hatte. Er musste sich daher beim Auffahrunfall des nachfolgenden Opel Corsa ein Mitverschulden vorwerfen lassen.

Peter Mlodoch

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