Malaysia Airlines-Maschine in Ukraine abgestürzt: Vier deutsche Todesopfer, USA sprechen von Abschuss
Nahe der russischen Grenze ist eine Passagiermaschine von Malaysia Airlines abgestürzt. Die 298 Insassen sind offenbar tot, darunter mindestens vier Deutsche. Die Ukraine und prorussische Separatisten machen sich gegenseitig verantwortlich.
Das im Osten der Ukraine abgestürzte malaysische Passagierflugzeug ist nach Angaben der USA vermutlich abgeschossen worden. US-Geheimdienstexperten gehen „stark“ davon aus, dass die Maschine von einer Boden-Luft-Rakete getroffen wurde, hieß es aus Regierungskreisen in Washington. Die Fachleute untersuchten, ob die prorussischen Separatisten, die ukrainischen Streitkräfte oder gar die russische Armee für den Abschuss verantwortlich seien.
Die Maschine vom Typ Boeing 777 befand sich auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur. Regierung und prorussische Aufständische warfen sich gegenseitig vor, das Flugzeug attackiert zu haben. Die USA haben ihre Unterstützung bei der Aufklärung des Absturzes zugesagt. „Die Vereinigten Staaten werden jede mögliche Hilfe anbieten, um festzustellen, was passiert ist und warum“, sagte US-Präsident Barack Obama am Donnerstag. „Es sieht aus, als ob es eine schreckliche Tragödie sein könnte.“
Angela Merkel sprach von einer tragischen Eskalation der Situation in der Ukraine. „Schockierend sind für die Bundeskanzlerin auch die mutmaßlichen Umstände, wonach das Flugzeug aus großer Höhe abgeschossen worden sein soll“, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert mit. Nach Angaben der Fluggesellschaft Malaysia Airlines befanden sich 283 Passagiere und 15 Besatzungsmitglieder an Bord. Vermutlich sind alle ums Leben gekommen. Unter den Toten sind auch mindestens vier Deutsche. Die schreckliche Tragödie wäre nicht passiert, wenn es in der Ostukraine keinen Krieg gebe, sagte Russlands Präsident Wladimir Putin.
Ukraine-Präsident Poroschenko spricht von "terroristischem Akt"
Zum Zeitpunkt des Absturzes flog die Maschine dem ukrainischen Ministerium zufolge in zehn Kilometern Höhe. Prorussische Separatisten gaben bekannt, den Flugschreiber der Boeing 777-200 gefunden zu haben. Eine Bestätigung dafür gab es von unabhängiger Seite nicht. Ukraines Präsident Petro Poroschenko erklärte, es handele sich um eine terroristische Tat. Ein Vertreter des Innenministeriums warf Russland vor, den Aufständischen Raketen vom Typ Buk zur Verfügung gestellt zu haben. Separatistenführer Alexander Borodai sagte dagegen, die Maschine sei von der ukrainischen Luftwaffe abgeschossen worden. Die Aufständischen verfügten gar nicht über derartige Waffen. Ein Militärkommandeur der Rebellen sagte jedoch vor Bekanntwerden des Absturzes, seine Kämpfer hätten in dem Gebiet ein Truppentransportflugzeug vom Typ Antonow An-26 abgeschossen.
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen will sich in einer eilig einberufenen Sondersitzung mit dem Flugzeugabsturz in der Ukraine befassen. Das mächtigste UN-Gremium werde am Freitag um 10.00 Uhr (Ortszeit, 16 Uhr deutscher Zeit) zusammentreten, hieß es am Donnerstag aus Diplomatenkreisen. Großbritannien hatte die Sitzung beim ruandischen UN-Botschafter, in diesem Monat Präsident des Rates, beantragt. Auch der ukrainische Botschafter Juri Sergejew soll an der voraussichtlich offenen Sitzung teilnehmen. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass irgendwelche Beschlüsse gefasst werden.
Malaysia Airlines teilte mit, die letzte bekannte Position ihres Flugs MH-17 sei über der Ukraine gewesen, vorher sei der Flug normal verlaufen. Verteidigungsminister Hishammuddin Hussein erklärte per Twitter, es gebe noch keine Bestätigung dafür, dass die Boeing tatsächlich abgeschossen wurde. Die Fluggesellschaft teilte zunächst nur mit, dass sie den Kontakt zu Flug MH17 verloren habe. Wie andere Fluggesellschaften auch kündigte die Lufthansa an, den ostukrainischen Luftraum von sofort an weiträumig zu umfliegen.
Die Armeeführung in Kiew hatte vor dem Absturz der Passagiermaschine Russland vorgeworfen, ein Militärflugzeug über der Ostukraine abgeschossen zu haben. Die Regierung in Moskau wies die Vorwürfe als absurd zurück.
Malaysias Verteidigungsminister ruft zu Ruhe auf
Die malaysische Regierung hat Berichte über den möglichen Abschuss der Maschine nicht bestätigt und ruft zur Ruhe auf. „Wir haben keine Bestätigung für einen Abschuss!“, schrieb Verteidigungsminister Hishammuddin Hussein am Donnerstag auf dem Internet-Kurznachrichtendienst Twitter. „Unser Militär wurde angewiesen, dies zu untersuchen.“ In einem weiteren Tweet forderte er die Bevölkerung auf, ruhig zu bleiben und versprach, alle auf dem Laufenden zu halten. Malaysia trauert noch immer um die Opfer von Unglücksflug MH370.
Nach dem Verschwinden von MH370 gab es scharfe Kritik an der unkoordinierten Reaktion der Behörden und der Fluglinie. Das Flugzeug, ebenfalls eine Maschine von Malaysia Airlines, ist seit März verschollen. Er sei in ständigem Kontakt mit Ministerpräsident Najib Razak sowie den Außen- und Verkehrsministern, betonte Hishammuddin. Najib schrieb auf Twitter, er sei schockiert über die Absturzberichte. „Wir beginnen umgehend mit den Untersuchungen.“
Gut vier Monate ist es her, dass der Großraumjet des Typs Boeing 777-200 mit 239 Menschen an Bord auf mysteriöse Weise über den Weiten des Indischen Ozeans verschollen ist. Hinterbliebene hatten zuletzt Geld für eine Belohnung gesammelt. Sie wollen damit erreichen, dass Regierungsmitarbeiter das Geheimnis von Flug MH370 verraten. Sie vermuten, dass die wahren Hintergründe verschleiert werden.
Steinmeier und EU fordern internationale Untersuchung
In einer ersten Reaktion auf das Unglück übermittelte Kremlchef Wladimir Putin der malaysischen Regierung sein Beileid. Er sei traurig über die „Katastrophe über dem Territorium der Ukraine, die so viele Menschenopfer gekostet“ habe, schrieb Putin in einem am Donnerstag vom Kreml veröffentlichten Telegramm. In einem Telefonat mit US-Präsident Barack Obama, in dem eigentlich über die neuesten Sanktionen gegen Russland gesprochen wurde, informierte der Kremlchef den US-Präsidenten über das Unglück in der Ukraine.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat sich ebenfalls entsetzt geäußert und eine internationale Untersuchung gefordert. „Dass Hunderte völlig Unbeteiligte auf diese furchtbare Weise ums Leben kommen, versagt mir die Sprache“, sagte Steinmeier am Donnerstag bei einem Besuch in Mexiko-Stadt. „Wir erwarten, dass alles getan wird, um den Vorfall schnellstens aufzuklären. Die Separatisten müssen den Rettungs- und Sicherheitskräften unverzüglich Zugang zur Absturzstelle gewähren und eine unabhängige, internationale Untersuchung unverzüglich anlaufen.“
Auch die EU fordert eine internationale Untersuchung. Es müsse freien Zugang zu der Absturzstelle geben, forderte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton am Donnerstagabend in Brüssel. Der Konflikt in der Ostukraine müsse zu einem Ende kommen, forderte die Britin.
Schockierte Angehörige am Flughafen von Amsterdam
Am Amsterdamer Flughafen Schiphol hatten sich rund 100 Angehörige von Passagieren der in der Ukraine abgestürzten Unglücksmaschine versammelt. Ratlos, tief bestürzt und weinend meldeten sich Freunde und Verwandte am Donnerstagabend am Informationsschalter, wie das niederländische Fernsehen berichtete. „Ich habe gehört, dass ich mich hier melden soll“, sagt eine Frau. „Mein Schwager saß in der Maschine.“ An Bord der abgestürzten Maschine von Malaysian Airlines sollen unter den 280 Passagieren und 15 Besatzungsmitgliedern auch mehrere Dutzend Niederländer gewesen sein. Freunde und Familien möglicher Opfer wurden später in zwei Bussen in Begleitung einer Polizeieskorte zu einem nicht genannten Ort gefahren. Journalisten hatten dort keinen Zutritt. Dort sollten sie über das Unglück informiert werden, teilte der Flughafen mit. Reiseveranstalter und das Außenministerin richteten für Angehörige eine Sondertelefonnummer ein.
(Tsp; Reuters, AFP, dpa)