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„Legal High“. Eine Polizistin hält eine gefährliche Kräutermischung in der Hand.
© dpa

Gesetzeslücke: Viele Drogen sind jetzt legal in Deutschland

Eine Gesetzeslücke klafft in Deutschland – der EuGH hat entschieden, dass „Legal Highs“ nicht unter den Arzneibegriff fallen. Damit können sie auch nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fallen. Experten fordern eine schnelle Lösung.

Gefährliche Badesalze mit synthetischen Drogen können ab sofort legal im Internet vertrieben werden. Denn die deutschen Gesetze sind auf die neuen Drogen nicht anwendbar, das folgt aus einem neuen Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Es besteht folglich eine Gesetzeslücke.

Ermittler und Drogenexperten sind alarmiert und fordern jetzt eine schnelle Reaktion vom Gesetzgeber. Marlene Mortler (CSU), Drogenbeauftragte der Bundesregierung, strebt eine europaweite Regelung an. Mortler sagte dem Tagesspiegel: „Eine Lösung innerhalb von wenigen Monaten wäre sicher wünschenswert, aber das neue Recht muss rechtlich sicher sein.“ Sie warnte deshalb vor Schnellschüssen.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hatte am Donnerstag entschieden, dass die synthetischen „Legal Highs“ nicht unter den Arzneimittelbegriff fallen. Folglich kann der Handel mit den neuen Drogen auch nicht mehr als illegaler Verkauf bedenklicher Arzneimittel bestraft werden.

Deutsche Staatsanwaltschaften hatten die Händler bisher wegen dieses Delikts angeklagt, damit ist es nun aber vorbei. Denn nach der durchaus nachvollziehbaren Beurteilung der europäischen Richter sind Stoffe, die ausschließlich dem Drogenkonsum dienen, keine Arzneimittel. Im deutschen Betäubungsmittelgesetz (BTMG) sind die neuen Drogen jedoch nicht gelistet. Denn die Drogenlabors bringen bewusst immer wieder neue Substanzen auf den Markt, um das BTM-Gesetz zu umgehen.

Die Kräutermischungen sind gefährlich

Das Gesetz kommt deshalb nicht nach, die neuen Substanzen als Betäubungsmittel zu klassifizieren. Händler haben dadurch ein Schlupfloch. „Mit der Entscheidung des EuGH ist faktisch ein rechtsfreier Raum … bei neuen synthetischen Drogen entstanden“, zog der Stuttgarter Generalstaatsanwalt Achim Brauneisen unmittelbar nach Bekanntwerden des Luxemburger Urteils das Fazit.

Auch Rainer Stickelberger (SPD), Justizminister in Baden-Württemberg, sieht nun dringenden Handlungsbedarf. Er hatte am Donnerstagabend Experten zu einer Podiumsdiskussion über „Legal Highs“ nach Stuttgart eingeladen.

Nach Expertenurteil sind künstliche Cannabinoide wesentlich gefährlicher als Cannabis. Der Rechtsmediziner Volker Auwärter (Universität Freiburg) sagte dazu: „An Cannabis kann man fast nicht sterben, aber man kann sich totkiffen an synthetischen Drogen.“ Bundesweit starben schon mehrere Jugendliche, deren Tod auf einen Drogenmix zurückgeführt wird, bei dem auch die „Legal Highs“ im Spiel gewesen waren.

Konsumenten berichteten in einer anonymen Befragung der Uni Frankfurt von schweren Herz- und Kreislaufattacken. Einen Gesetzesvorschlag gibt es bereits, um den rechtsfreien Raum zu schließen. Die Händler, nicht aber die Konsumenten sollen bestraft werden. Die Marburger Juraprofessoren Dieter Rössner und Wolfgang Voit schlugen schon 2011 vor, einen Zusatz in das deutsche Betäubungsmittelgesetz einzufügen. Dort soll die Herstellung und der Vertrieb psychoaktiver Substanzen verboten werden, bei denen bestimmte Stoffgruppen verändert werden.

Solch eine Stoffgruppen-Strafbarkeit wird von Generalstaatsanwalt Achim Brauneisen ausdrücklich unterstützt. Sieben europäische Staaten hätten bereits solche Regelungen.

Während die Drogenbeauftragte Marlene Mortler auf die neue EU-Richtlinie zur Strafbarkeit synthetischer Drogen setzt, dauert das Generalstaatsanwalt Brauneisen zu lange. Brauneisen: „Die nationalen Gesetzgeber sind jetzt gefragt.“

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