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Viele Kinder sind abhängig vom Surfen im Internet.
© dpa

Studie zur Internetsucht von Jugendlichen: Verloren im Netz

Wie eine Droge: Laut einer Studie steigt in Deutschland die Zahl der internetsüchtigen Jugendlichen. Sie können an nichts anderes mehr denken und verlieren zunehmend die Kontrolle über ihr Leben.

Vor Kurzem hat es die Kombination von Smartphone und Zombie zum Jugendwort des Jahres gebracht. „Smombies“ beschreibt Jugendliche, die wegen übermäßiger Handynutzung von ihrer Umwelt nichts mehr mitbekommen.

Doch so witzig, wie die Verballhornung klingt, ist die Situation für die steigende Zahl von Internetsüchtigen keineswegs: Wer nicht mehr von Onlinespiel und sozialem Netzwerk, vom Dauersurfen und -chatten lassen kann, ist aus Expertensicht durchaus mit einem Drogenabhängigen vergleichbar. Er kann an nichts anderes mehr denken, hat kein Interesse an anderen Aktivitäten, vergisst zu essen, zu trinken, zu schlafen, belügt sich und seine Familienmitglieder, leidet unter Entzugssymptomen, riskiert wichtige Beziehungen, Schulabschluss, Arbeitsplatz. Er verliert jede Kontrolle über sein Leben.

4,7 Prozent leiden unter krankhaften Folgen

Wie viele sich in der Onlinewelt verloren haben, zeigt nun eine Studie der Krankenkasse DAK: Bei 4,7 Prozent der Zwölf- bis 17-Jährigen hierzulande bestehe ein „erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Internetsucht“, heißt es darin. Jungs seien mit 5,6 Prozent betroffen, Mädchen mit 3,9 Prozent. Rainer Thomasius, Chef des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf, nennt diesen Befund alarmierend. Wenn jeder Zwanzigste unter „krankhaften Folgen“ seiner Internetnutzung leide, sei das ein enormes gesellschaftliches Problem.

Für die repräsentative Studie befragte das Forsa-Institut rund 1000 Mütter und Väter zur Internetnutzung ihrer Kinder. Die Hälfte gab an, dass diese oft länger online blieben als vorgenommen. 22 Prozent fühlten sich beim Versuch, ihre Nutzung zu reduzieren, „ruhelos, launisch, niedergeschlagen oder gereizt“. Zwölf Prozent gingen online, „um vor Problemen zu fliehen oder schlechte Stimmung zu beenden“. Elf Prozent hätten mehrfach erfolglos versucht, ihre Nutzung in den Griff zu bekommen. Und sieben Prozent hätten wegen des Internets gar den Verlust von wichtigen Beziehungen, Arbeit und Bildungschancen riskiert.

Am Samstag oder Sonntag ist jeder Fünfte mindestens sechs Stunden im Netz

Der Blick auf die Zeit, die Jugendliche mit Laptop und Handy verbringen, lässt die Gefährdung erahnen. Im Schnitt, so ergab die Umfrage, sind sie pro Werktag 2,6 Stunden im Internet. Kinder von Alleinstehenden kommen auf 3,4 Stunden. Sechs Prozent sind fünf Stunden, fünf Prozent sechs und mehr Stunden im Netz. Am Wochenende erreichen 20 Prozent diesen Rekordwert. Die Durchschnittsnutzung pro Tag beträgt dann 3,7 Stunden, bei Jugendlichen mit nur einem Elternteil 4,5 Stunden.

Wobei sie sich je nach Geschlecht sehr unterschiedlich verhalten. Während Jungs 43 Prozent ihrer Computerzeit mit Onlinespielen und nur 22 Prozent mit Chatten und sozialen Netzwerken verbringen, ist Letzteres bei Mädchen mit 55 Prozent die Hauptaktivität. Computerspiele machen bei ihnen nur zwölf Prozent der Internetbeschäftigung aus.

Laut Umfrage verzichten 51 Prozent der Eltern auf Regeln für die Dauer der Internetnutzung. Den Inhalt des Onlinekonsums kontrollieren immerhin 68 Prozent, doch der Rest macht auch hier keine Vorschriften. Und selbst bei den Befragten, die Regeln aufstellen, setzen nur 42 Prozent diese nach eigenem Bekunden auch „voll und ganz“ durch. In jeder dritten Familie sorgt die Internetnutzung für Streit.

Feste Regeln dringend empfohlen

Feste Regeln jedoch sind genau das, was Suchtexperten dringend empfehlen. Eltern sollten informiert sein über Inhalte, Suchtpotenzial und Alterskennzeichnung, sagt Thomasius. Sie sollten Spielmotive und -vorlieben zu ergründen versuchen. Sie sollten anderweitige Freizeitangebote machen. Und Grenzen setzen.

Dafür kann man sich an den Empfehlungen des Internationalen Zentralinstituts für Jugend- und Bildungsfernsehen orientieren. Ihnen zufolge sollten Kinder unter acht Jahren noch gar keinen Internetzugang haben, Kinder unter zwölf nur mit Aufsicht. Im eigenen Zimmer sollte der PC frühestens bei Zwölfjährigen stehen, und auch für Ältere sollten Regeln gelten, etwa dass nachts nicht gespielt wird. Die empfohlene Nutzungshöchstdauer beträgt bei Sieben- bis Zehnjährigen 45 Minuten pro Tag. Bei Elf- bis 13- Jährigen sind es 60 Minuten, bei über 14-Jährigen eineinhalb Stunden.

Schwerpunkt für die Drogenbeauftragte

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), kündigte an, das Thema Internetsucht im nächsten Jahr forciert anzugehen. Woran es fehlt, machte der Suchtforscher Thomasius deutlich. Er forderte, dass es bei Spielen mit hohem Suchtpotenzial auch möglich sein müsse, die Altersgrenze nachträglich zu erhöhen. Er verlangte, mehr Studien in Auftrag zu geben, insbesondere zur bislang kaum untersuchten exzessiven Nutzung von sozialen Foren. Und er drängte darauf, Lehrer, Sozialpädagogen und Erzieher weit stärker als bisher für das Thema zu sensibilisieren.

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