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Deutschlands bekanntester Wunderheiler. Dr. Eckart von Hirschhausen. Am 30. August tritt er in der Waldbühne auf.
© picture alliance / dpa

Dr. Eckart von Hirschhausen: „Verglichen mit van Gogh geht es mir blendend“

Dr. Eckart von Hirschhausen tritt am 30. August in der Berliner Waldbühne auf. Im Interview spricht er über kuriose Ärzte und merkwürdige Erkenntnisse in der Medizin.

Bislang haben Sie live vor maximal 7000 Menschen gespielt, Herr von Hirschhausen. Jetzt wollen Sie gar in die Waldbühne: Sind Sie inzwischen derart populär, dass Sie zukünftig in direkte Konkurrenz zum Stadion-Comedian Mario Barth treten?

Nee. Die Waldbühne, das ist ein Lebenstraum von mir, die Krönung meines künstlerischen Schaffens. Da habe ich als Berliner schon in den Achtzigern tolle Konzerte von Santana, Bob Dylan und Joan Baez erlebt. Und da mal die eigene Show zu spielen – noch dazu ein paar Tage nach meinem 48. Geburtstag – sowas macht man einmal und nie wieder. Darin liegt auch genau der Charme.

Ihr Kabarettistenkollege Rainald Grebe hat die Waldbühne ja auch schon bespielt, war ein toller Abend, aber voll hat er sie nicht bekommen – und der kann immerhin Klavier spielen!
Dafür kann ich zaubern! Und ich habe auch meinen Pianisten, eine Band und die A-capella-Gruppe Basta dabei. Wir singen mit dem Publikum, und einem Zuschauer nehme ich auch live den Blinddarm raus. Ich feiere da in gewisser Weise die Früchte von 20 Jahren Arbeit. Schließlich habe ich mal als Zauberkünstler auf dem Ku'damm angefangen. Das soll ein richtiges Erntedankfest werden. Ich bin selbst sehr gespannt.

Sie sind der bekannteste Medien-Schamane des Landes: Wann ist das ein Segen und wann ein Fluch?
Neulich hatte ich tatsächlich die kuriose Situation, dass ein älterer Herr mich in Berlin auf der Straße erkannt hat und die Hose hochkrempelte, weil er eine zweite Meinung zu seinen Krampfadern wollte.

Das gehört in die Kategorie „Fluch“?
Kuriositäten! Wenn es um Medizin und den eigenen Körper geht, suchen viele Menschen Orientierung. Da ist mir eine Rolle des Vermittlers und Erklärers zugewachsen, die ich als Segen empfinde, aber auch als Verantwortung. Ich bin ein Komiker, der ernst genommen werden möchte und ernst genommen wird. Eigentlich ist das ein Paradox, aber die Leute entschlüsseln das.

Wo wir hier schon mal zusammensitzen, möchte ich Sie auch gerne konsultieren. Seit zwei Monaten schmerzt mein rechtes Knie. Was soll ich tun?
(Lacht) Bewegen und abwarten! Für eine qualifizierte Meinung müsste ich Sie untersuchen und horchen, ob das knirscht, schnappt, die Bänder stabil sind, das habe ich ja alles mal gelernt. Ist aber lange her. Meine persönliche, drei Jahre währende Knie-Odyssee von einer Praxis zur nächsten ist ein erheiternder Teil meines „Wunderheiler“-Programms.

Was hatten Sie denn am Knie?
Auch Schmerzen, aber am linken. Ein Orthopäde sagte, das sei eine Alterserscheinung. Das wollte ich natürlich nicht hören und habe mit dem alten Kalauer geantwortet: Kann nicht sein, das rechte Knie tut nicht weh, ist aber genauso alt! Es ist einfach so: Hätte Gott gewollt, dass wir aufrecht gehen, hätte er uns andere Knie gegeben. Das ist ein sehr komplexes Gelenk. Ich habe mich auch bei einem ganzheitlichen Orthopäden beraten lassen, der – ohne Schmarren – über einem Blutstropfen von mir gependelt hat und sagte, ich könnte Milchzucker nicht vertragen, was als chronische Entzündung ins Knie ausstrahlen würde. Das war hier im 21. Jahrhundert in Berlin, ein wirklich schräges Erlebnis. So was muss ich gar nicht erfinden. Ich muss das nur erzählen.

Sie selbst haben Ihr Knie operieren lassen, obwohl das häufig überflüssig ist.
Stimmt, es gibt definitiv zu viele überflüssige OPs an Knien und der Wirbelsäule. Aber wenn Symptome nicht von allein besser werden, was sehr häufig geschieht, bin ich durchaus ein Fan von wirksamen Medikamenten und Eingriffen. Meine Schmerzen sind seitdem okay, dafür knirscht es jetzt hinter der Kniescheibe. Es gibt tolle Operationen, die das Leben verlängern. Dieses Rumhacken auf der „doofen Schulmedizin“ mache ich nicht mit. Wir sind extrem undankbar für die medizinischen Erfolge der letzten 100 Jahre, weil die uns so selbstverständlich erscheinen. Was verloren ging: der Wert von Zuwendung und Gespräch. Deshalb erzähle ich viel aus der Placebo-Forschung. Und selbst Operationen haben einen Voodoo-Effekt. Eine der spannendsten Studien der letzten Jahre betrifft tatsächlich Schein-Operationen am Knie. Die Erwartung ist immer ein großer Teil der Behandlung. Und in Amerika kam ein Unfallchirurg auf den genialen Gedanken, Knieoperationen zu testen, in dem er die Leute in zwei Gruppen einteilt. Natürlich, ohne dass sie es wussten. Die eine Gruppe wurde richtig operiert, bei der anderen nur ein Hautschnitt gemacht und etwas am Knie rumgeruckelt. Die Pointe ist, dass es auch zwei Jahre später keinen Unterschied beim Heilungserfolg beider Gruppen gab.

Sie sind bekanntlich als Kind verarmter Adeliger in Zehlendorf-Mitte aufgewachsen ...
Ja, wir waren so arm, selbst die Luft in unseren Fahrrädern war nur gepumpt.

… und jetzt sind Sie Showmaster und Bestsellerautor: Wieso ist Medizinkabarett so unglaublich erfolgreich?
Weil es Lachen und Erkenntnis koppelt. Die Menschen nehmen etwas mit, das weiterwirkt und Relevanz für den Alltag hat.

Sie dienen also der Volksbildung?
Ja, es ist ein neues Genre, das es vorher so nicht gab. Die Leute spüren, dass ich ein Anliegen und die Kompetenz habe. Ich beschäftige eine Wissenschaftsjournalistin und einen Psychologen, die mir Studien zuführen. Ich kann alles belegen, was ich auf der Bühne sage. Und jeder kann nur über Dinge lachen, die er wiedererkennt. Die bittere Erkenntnis im Leben eines jeden Komikers ist, dass die Leute nicht über dich, sondern immer über sich selber lachen. Über das, was sie bei sich selber wiedererkennen. Und sie belohnen sich mit dem Applaus dafür, dass sie schlau genug waren, die Pointe zu verstehen. So gesehen bin ich ein Dienstleister oder Katalysator und erfülle eine Sehnsucht, die da heißt: Warum hat mir das keiner in der Schule erklärt. Warum hat mir noch nie ein Arzt diese Zusammenhänge gezeigt? Und warum vertun wir so viel Energie in einem Entweder-oder-Denken „Schulmedizin versus Alternativmedizin“, statt zu überlegen, was für jeden Patienten das Beste ist.

Ihre Vorfahren waren Ärzte und Pastoren: Sind Ihre Eltern enttäuscht, dass Sie statt Gehirnchirurg zu werden zum Tingeltangel gegangen sind?
(Lacht) Es ist ja nicht nur Tingeltangel. Ich würde es nennen „Firlefanz mit Relevanz“. Meine Eltern waren anfangs skeptisch, aber inzwischen haben sie ihren Seelenfrieden damit und kommen natürlich auch in die Waldbühne.

Was verrät das über den Zustand einer Gesellschaft, dass sie Wunderheiler wie Sie braucht?
Dass wir nicht so aufgeklärt sind, wie wir glauben. Der Gedanke, dass die Menschen nur die nötigen Informationen brauchen, um sich nach dem aktuellen Stand des Wissens richtig zu entscheiden, der ist auf eine erschreckende Art und Weise schiefgegangen. Und das sieht man nicht nur im Bereich Medizin, aber da kenne ich mich am besten aus. Wenn wir krank sind, sind wir viel zu schnell bereit, alles, was wir über geprüftes Wissen und gute Entscheidungen gelernt haben, über Bord zu schmeißen und dubiosen Ideen zu folgen. Kristall, Kügelchen, Bachblüten sind ein Beispiel dafür. Das ist eine Ersatzreligion, das sind Glaubensinhalte geworden, das merkt man an der Vehemenz und Dogmatik, mit der beispielsweise Impf-Gegner ihren Standpunkt verteidigen. Dabei ist das eine der besten und wirksamsten Präventionsmaßnahmen, die in der Medizingeschichte entwickelt wurden. Dass wir in Deutschland wieder Kinder haben, die an Masern sterben, ist so unnötig, dass mir dafür die Worte fehlen. Wenn wir also mit Vernunft alleine offenbar nicht weiterkommen, müssen wir in der Medizin wieder mehr Magie wagen und näher ran an die irrationalen Bedürfnisse. Die Heilkunst ist durch die Jahrtausende immer auch Unterhaltungskunst gewesen, wenn man an Medizinmänner und Jahrmarktsheiler denkt. Wir brauchen heilsamen Zauber, aber wir müssen die Leute trotzdem warnen, dass sie nicht auf Scharlatane reinfallen, die ihre Sehnsucht nach Magie nutzen, um ihnen jeden Scheiß zu verkaufen. Man kann Krebs nicht mit Aprikosenkernen behandeln.

Mit Ihrem „Glücksbuch“ sind Sie ja auch eine Galionsfigur des Ratgeber-Zeitalters.
Unser Leben ist ja auch kompliziert geworden. Wer ordnet einem das, was man im Internet findet, denn ein? Allein, wenn sie irgendwelche Beschwerden googlen - was sie da an Treffern finden! Den Seiten sieht man oft nicht an, wer dahintersteckt, was ist Lobby, was Schwachsinn oder Einzelmeinung. Und die wenigen Seiten, die evidenzbasierte Medizin anbieten wie gesundheitsinformation.de beispielsweise, sind zu wenig bekannt. Ständig werden wir mit Ansprüchen bombardiert, was man tun soll, um möglichst gesund zu leben. Aber dagegen ist jetzt eine Bewegung spürbar, die sagt „Medizin ist die Kunst, so wenig wie möglich zu tun“. Und nicht die Maximalversorgung, sondern Spaß zu haben und sein Leben zu genießen, das ist Gesundheit.

Da stimmen Ihnen die Krankenversicherungsträger sicher sofort zu.
(Lacht.) Ich bin selber in der gesetzlichen Krankenversicherung und glaube, dass das Solidaritätsprinzip in Deutschland ein unglaublicher Schatz ist. Wenn man stattdessen das Desaster in den USA anguckt.

Sie sind seit November 2013 mit dem Wunderheiler-Programm auf Tour: zu wie vielen Spontanheilungen im Publikum ist es bislang gekommen?
(Lacht.) Zuschauer posten auf Facebook häufig, dass es ihnen gutgetan hat. Und mir schreiben die Zuschauer ja in der Show auf Postkarten, was ihnen schon Wundersames passiert ist. Mein liebster Spruch: „Ich kann wieder laufen! Jemand hat mein Fahrrad geklaut …“

So, wie Sie hier vor mir sitzen, präsentieren Sie sich wie stets höflich und sonnig - was sind denn die dunklen Seiten des Eckart von Hirschhausen? Schnüffeln Sie Äther?
Ich trage zu Hause heimlich Krankenschwesterntracht! (Lacht.) Nein, ich fürchte, ich bin relativ normal, tendenziell eher chaotisch und unordentlich. Ich leide noch nicht mal unter Anerkennungssucht. Ich hatte kürzlich sechs Wochen keine Shows, es ging mir bestens damit.

Wird Ihnen Ihr Erfolg nicht langsam unheimlich?
Doch. Weil mir als Medienschaffendem natürlich klar ist, dass Menschen nur im Aufstieg und im Absturz interessant sind. Aber verglichen mit einem Künstler wie van Gogh, der ein schweres Leben hatte und jetzt von der Wolke aus zusehen muss, wie seine Bilder für Millionen versteigert werden, geht es mir doch blendend. Ich bin lieber zu Lebzeiten überschätzt als andersrum. Der beste Satz dazu stammt von Woody Allen: „Ich möchte nicht im Gedenken der Nachwelt weiterleben, sondern in meiner Wohnung.“

Das Gespräch führte Gunda Bartels.

Pflegekräften, Krankenschwestern und allem medizinischen Personal schenkt der Arzt einen Rabatt von 25 Prozent auf die Karten. Auf seiner Homepage ist ein Link dafür eingerichtet: www.hirschhausen.com.

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