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George Pell gilt als inoffizielle Nummer drei im Vatikan.
© Gregorio Borgia/AP/dpa
Update

George Pell: Vatikan-Finanzchef kommt wegen Missbrauchsvorwürfen vor Gericht

Er ist der bislang ranghöchste katholische Geistliche, dem wegen Missbrauchsvorwürfen der Prozess gemacht wird: Vatikan-Finanzchef George Pell plädiert auf nicht schuldig.

Bereits im vergangenen Jahr wurden Ermittlungen gegen Vatikan-Finanzchef George Pell wegen sexuellen Missbrauchs aufgenommen. Nun kommt er vor Gericht und muss sich in mehreren Anklagepunkten in Australien vor Gericht verantworten. Das entschied Richterin Belinda Wallington am Dienstag in Melbourne.

Der 76-jährige Geistliche weist die Vorwürfe zurück und plädierte vor Gericht auf nicht schuldig. Wallington hatte am Dienstag zunächst gesagt, Pell werde in mindestens einem Anklagepunkt der Prozess gemacht. Später sagte sie, es gebe genügend Beweise, um den Top-Berater von Papst Franziskus in "mehreren" Anklagepunkten vor Gericht zu stellen.

Einige der schwerwiegendsten Vorwürfe wurden indes angesichts von Widersprüchen in der Beweislage fallengelassen, darunter ein mutmaßliches Vergehen in einem Kino in Ballarat im australischen Bundesstaat Victoria in den 70er Jahren.

Richterin Wallington sagte vor Gericht, sie sei "zufrieden", dass es genügend Beweise gebe, um Pell den Prozess zu machen. Am Mittwoch soll es eine weitere Anhörung geben, bei der es auch um ein Datum für den Prozessbeginn gehen soll.

Pell ließ in einer Stellungnahme der Erzdiözese Sydney verlauten, er habe stets vollumfänglich mit den Behörden kooperiert. Zugleich beteuerte er nochmals seine Unschuld. Die Erzdiözese Melbourne erklärte, Erzbischof Denis Hart vertraue in die australische Justiz.

Der Vatikan erklärte in einer kurzen Stellungnahme, die Entscheidung der australischen Justiz zur Kenntnis genommen zu haben. Pell sei weiterhin von seinen Aufgaben freigestellt, um sich persönlich verteidigen zu können.

Anwältin von Missbrauchsopfern: "Das ist ein vielversprechender Schritt nach vorne"

Die Anwältin Lisa Flynn, die in Australien bereits hunderte Missbrauchsopfer vertreten hat, sagte am Dienstag, die Gerichtsentscheidung zeige, dass niemand über dem Gesetz stehe. "Das ist ein vielversprechender Schritt nach vorne für die Opfer sexueller Übergriffe", sagte sie.

Pell ist der bislang ranghöchste katholische Geistliche, der wegen Missbrauchsvorwürfen vor Gericht steht. Der Kardinal soll sich vor Jahrzehnten sexueller Misshandlungen schuldig gemacht haben. Details zu den mutmaßlichen Vergehen wurden bislang nicht öffentlich. Es soll aber mehrere Kläger geben.

Der Australier ist die inoffizielle Nummer drei in der Hierarchie des Vatikans. Der ehemalige Erzbischof von Sydney und Melbourne war 2014 von Papst Franziskus zum Finanzchef des Kirchenstaates ernannt worden. Der Papst hat ihn vom Dienst freigestellt, damit er sich in seinem Heimatland den Vorwürfen stellen kann.

Die Affäre trifft auch den Vatikan und Papst Franziskus

Die katholische Kirche wird bereits seit Jahren durch zahlreiche Missbrauchsfälle weltweit erschüttert. In Australien soll eine im Jahr 2012 nach jahrelangem Druck eingesetzte Kommission den Vorwürfen von weitverbreitetem Missbrauch in Kirchen, Waisenhäusern, Schulen und Jugendeinrichtungen auf den Grund gehen. Dafür befragte sie bislang tausende Missbrauchsopfer. Vor der Kommission hatte Pell in der Vergangenheit persönliche Fehler im Umgang mit Vorwürfen gegen katholische Priester in den 70er Jahren eingeräumt.

Die Affäre wirft auch einen Schatten auf den Umgang von Papst Franziskus mit dem Thema sexueller Missbrauch insgesamt. Als der Papst den Australier im Jahr 2014 in sein mächtiges Amt brachte, waren schon Vorwürfe bekannt. Kritiker hatten darauf hingewiesen, dass sich die Ernennung schlecht mit der verkündeten Null-Toleranz in Einklang bringen lasse.

Der Papst hat Missbrauchsopfer bisher auch sonst enttäuscht. So hat er eine Kinderschutzkommission ins Leben gerufen – aber diese hat kaum je getagt. Zwei Mitglieder sind bereits ausgetreten, wegen „Untätigkeit“ der Kommission. Sie werfen dem Papst vor, dass sein Kampf gegen Missbrauch bisher nicht viel mehr als ein Lippenbekenntnis sei. Zuletzt hatte Franziskus auf seiner Chile-Reise Anfang des Jahres für Irritationen gesorgt, als er zu einem in einen Missbrauchsskandal verwickelten Ortsbischof erklärte, es lägen „keine Beweise“ vor, die dessen Entfernung aus dem Amt rechtfertigen würden. Nach heftigen Protesten und Kritik von eigenen Mitarbeitern entschuldigte sich Franziskus anschließend für die „unglückliche Wortwahl“: „Wenn der Papst sagt, bringt mir Beweise, dann ist das eine Ohrfeige für die Opfer“, räumte er ein. In der vergangenen Woche hat er im Vatikan drei chilenische Missbrauchsopfer zu einem Gespräch empfangen, in dem er ein weiteres Mal um Verzeihung bat und versprach, die Täter in Chile zur Verantwortung zu ziehen.

(mit AFP)

Dominik Straub

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