Nach Amoklauf in Florida: Überlebende von Parkland attackieren Trump und Waffenlobby
Zu jung fürs Bier, aber nicht fürs Gewehr: Nach dem Massaker in Florida diskutieren die USA wieder über strengere Waffengesetze. Diesmal stehen Schüler auf.
Sie haben Mitschüler sterben sehen, sie haben Todesangst durchgemacht – und sie wollen, dass sich etwas ändert. Nach dem Tod von 17 Menschen beim Massenmord an der Marjory Stoneman Douglas High School in Parkland im US-Bundesstaat Florida fordern die Überlebenden strengere Waffengesetze und machen Druck auf die Politiker in Washington.
Der 19-jährige Ex-Schüler Nikolas Cruz hatte am Mittwoch an seiner ehemaligen Schule in der Stadt Parkland mit einem Sturmgewehr des Typs AR-15 auf Kinder und Lehrer geschossen. „Wie kam Nikolas Cruz an eine AR-15?“ fragt Ashley Laurent, die kürzlich an der Schule ihr Abitur machte. Sie ist nicht die einzige, die auf Reformen dringt.
Am Samstag versammelten sich mehrere tausend Menschen, darunter Schüler und Lehrer von Douglas High, in Fort Lauderdale in der Nähe von Parkland, um für schärfere Waffengesetze zu demonstrieren. Die Oberschülerin Emma Gonzalez, die sich bei dem Massaker in der Schule verschanzt hatte, sagte in einer Rede, wenn alles beim Alten bleibe mit den Waffengesetzen, „dann werden weiter Menschen sterben“.
Reicher Spender der Republikaner droht mit Geldentzug
Auch in sozialen Medien werben Schüler für eine Reform. Eine 16-jährige Überlebende des Massakers, die sich auf Twitter @sarahchad_ nennt, wandte sich direkt an Präsident Donald Trump, der bei seinen Beileidsbekundungen nach dem Massaker und einem Besuch in Florida die freie Verfügbarkeit tödlicher Schusswaffen nicht einmal erwähnte. „Ich will nicht Ihr Mitgefühl, ich will Waffengesetze“, schrieb sie dem Präsidenten.
Unterstützung erhalten die Schüler von ungewohnter Seite. Der schwerreiche Makler Al Hoffman Jr, ein einflussreicher Wahlkampfspender für die Republikaner in Florida, verkündete in der „New York Times“, er werde ab sofort nur noch Schecks für Politiker schreiben, die sich für eine Reform der Waffengesetze stark machen. Amerika bleibe schon viel zu lange untätig angesichts der Gewalt: „Für mich ist Schluss.“
Neben Trump steht besonders der konservative Senator Marco Rubio aus Florida in der Kritik. Rubio, der im Wahlkampf mehr als drei Millionen Dollar von der Waffenlobby NRA erhalten hatte, führte nach dem Blutbad das klassische Argument der Waffenliebhaber ins Feld: Schärfere Gesetze könnten keine Massaker verhindern. Bei @sahrachad_ kam Rubio damit nicht weit. Als Schülerin, die erlebt habe, wie ein Schwerbewaffneter mit einer AR-15 in ihrer Schule Amok lief, sage sie: „Sie verstehen das nicht.“
Cruz äußerte sich rassistisch, schwulenfeindlich, antisemitisch
Der Massenmörder Cruz hatte sich das Gewehr und die Munition legal kaufen können – und das, obwohl er wegen Gewalt und Drohungen 2017 die Douglas High School verlassen musste. Cruz sei ein „gebrochenes Kind“, sagen die Pflichtanwälte des Täters. Die Juristen verfolgen offenbar das Ziel, die Schuldfähigkeit ihres Mandanten in Frage zu stellen. Mitschüler und Nachbarn schildern ein gewalttätigen Jungen, der Tiere quälte und schon immer mit Waffen hantierte.
Die Polizei sei etwa alle zwei Wochen am Haus von Cruz’ Adoptiveltern aufgetaucht, weil es Ärger gegeben habe, meldete CNN. Außerdem berichtete der Sender, dass er sich in einem Gruppenchat mit Bekannten seit einem halben Jahr oft rassistisch, schwulenfeindlich und antisemitisch geäußert habe. Cruz soll sich in der Rassistenvereinigung und Miliz „Republic of Florida“ (ROF) einer gewalttätigen, weißen Bürgerrechtsbewegung engagiert haben. Die Polizei konnte dies nicht bestätigen.
Warum die USA keinen Weg finden, einen jungen Mann mit psychologischen Problemen und einem Hang zur Gewalt von Sturmgewehren fernzuhalten, ist nur eine offene Frage. In Amerika darf man erst mit 21 Jahren ein Bier in einer Kneipe bestellen, aber in den meisten Bundesstaaten können Jugendliche schon mit 18 tödliche Waffen kaufen.
Internet-Nutzer meldeten Cruz dem FBI - doch das reagierte nicht
Im Fall von Cruz tritt zu den merkwürdigen Prioritäten amerikanischer Gesetze noch eklatantes Behördenversagen. Mehrmals hatte Cruz unter seinem Klarnamen im Internet angekündigt, er werde eines Tages eine Schule zusammenschießen. Nach tödlichen Schüssen in New York im vergangenen Jahr, bei denen ein Mann mit einer AR-15 einen Menschen tötete und sechs weitere verletzte, kommentierte Cruz: „Mensch, das hätte ich viel besser gemacht.“
In anderen Online-Kommentaren schrieb Cruz offen: „Ich will mit meiner AR-15 Leute umlegen.“ Einer dieser Beiträge, in denen sich Cruz als künftiger „professioneller“ Todesschütze an einer Schule bezeichnete, wurde von einem Internet-Nutzer im vorigen September an die Bundespolizei FBI gemeldet, die auch als Inlandsgeheimdienst fungiert. Obwohl Cruz mit seinem echten Namen zeichnete, unternahm die Behörde nichts. Man habe Cruz nicht ausfindig machen können, hieß es.
Das war nicht der einzige Fehler, der dem FBI unterlief. Wenige Wochen vor den tödlichen Schüssen meldete sich jemand aus dem Umfeld von Cruz bei einer Hotline der Bundespolizei mit der Warnung, dass der 19-Jährige eine Schule überfallen und Menschen töten wolle. Wie das FBI jetzt einräumen musste, wurde dieser Tipp nie an die zuständigen Ermittler in Florida weitergeleitet.
Trump kritisiert seine Beamten und das FBI gleich mit
Wenn zwei Hinweise innerhalb kurzer Zeit auf einen namentlich bekannten potenziellen Gewalttäter beim FBI versickern, dann stimmt etwas nicht, finden Kritiker. Zu ihnen gehört auch Trump, der als Präsident der oberste Dienstherr der Polizisten ist.
Die Pannen der Beamten seien „unakzeptabel“, twitterte er – und nutzte die Gelegenheit, um das FBI wegen der Ermittlungen zur mutmaßlichen Zusammenarbeit zwischen seinem Wahlkampfteam und Russland zu attackieren: Die Bundespolizei sei zu sehr mit Russland beschäftigt. (mit dpa)