Massenpanik: Tote bei Loveparade in Duisburg
Bei der Loveparade in Duisburg kam es zu einem tragischen Zwischenfall: Bei einer Massenpanik starben nach letzten Angaben 19 Menschen. Zu der Katastrophe war es am Eingangstunnel vor dem Gelände am ehemaligen Güterbahnhof gekommen.
Marc aus dem niederländischen Groningen steht unter Schock. Der 23-jährige Student stand etwa 50 Meter hinter dem Ort, an dem es zu der Panik kam. „Ich hörte so viele Schreie, waren soviele, bin dann einfach nur weg." Sarah hat gerade ihre Mutter beruhigt, die von der Tragödie gehört hatte. „Es geht mir gut, es geht mit gut", brüllt sie in den Hörer. Die Mutter der zierlichen 18-Jährigen aus Bochum hatte Angst um ihre Tochter, sie hatte sie zunächst vom Besuch der Loveparade abhalten wollen. Überall klingeln Handys. Die besorgten Mütter und Väter und Freunde, die jetzt die Raver anrufen, machen sich nicht klar, dass sie damit möglicherweise eine weitere Panik auslösen könnten. Die Bässe der DJs hämmern unaufhörlich weiter, sie werden sogar noch lauter, sie müssen das tun, nicht auszudenken, was passiert, wenn jetzt 1,4 Millionen Menschen, eng konzentriert auf einem umzäunten Gelände, plötzlich alle anfangen, den Ort zu verlassen. Zehn Tote, 19 Tote, die meisten Raver auf dem Gelände haben zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht erfahren, was das ganze Land inzwischen weiß.
Es war der organisierte Alptraum. Wie kann man auf die Idee kommen, Hunderttausende Menschen durch einen engen Tunnel auf ein abgesperrtes Gelände zu führen? Der einzige Zugang – ein Tunnel? Schon früh wird es eng. Man musste die Nerven behalten, um in der Enge ruhig zu bleiben. Es gibt nur einen Eingang, wo das Sicherheitspersonal streng kontrolliert. Nur langsam füllt sich das Gelände, während von hinten Hunderttausende nachdrängen. Schon früh rufen einzelne Raver die Polizei an und weisen auf die Gefahr hin. Das berichtete der WDR in seiner Live-Berichterstattung. Offenbar passierte nichts auf diese Anrufe hin.
Wer früh da war, hatte noch Glück. Aber auch auf dem Gelände kommt es zu Zusammenballungen, es wird eng, Feuerwehr rückt an, um die Umzäunung zu durchschneiden, um Panik zu verhindern und die Menschen vom Gelände zu lassen.
Im Tunnel wird es derweil unerträglich. Wer nicht mittendrin ist, schafft es rückwärts noch raus. So wie Marc aus Groningen. Er ist mit dem Leben davongekommen.
Das Unglück kam nicht überraschend
Es hatte sich früh angebahnt, das Unglück. Von überall her, aus dem ganzen Ruhrgebiet, aus dem Rheinland, aus Westfalen, aus den nahen Niederlanden, überall da, wo die Loveparade noch eine magische Wirkung hat, strömen die Raver nach Duisburg. Mit der Bahn, die dafür auch noch mehrere Hundert Sonderwaggons eingesetzt hatte. Aber sie kommen auch mit Autos oder mit Nahverkehrsmitteln. Sie alle, Hunderttausende, kommen vom Bahnhof oder laufen am Bahnhof vorbei und müssen durch den Tunnel.
Schon auf dem Bahnhof verliert die Polizei die Kontrolle über die Menschenmassen. Es ist beängstigend. Wer selber in den Massen mitschwimmt, kann nicht anders als mitlaufen. Die Menschen bewegen sich über die offenen Gleise, die Bahnsteige können die Massen nicht mehr fassen, Bahn und Polizei müssen Züge noch vor dem Bahnhof anhalten, damit kein Unglück passiert. Viele Züge werden umgeleitet, fahren weiträumig an Duisburg vorbei, Menschen stranden plötzlich in Düsseldorf, das berichtet ein Tagesspiegel-Leser. Es ist nicht auszudenken, was passierte, wenn noch mehr Menschen in den Bahnhof Duisburg einfahren.
Geplant war eine kleine Veranstaltung
Es hat wohl niemand damit gerechnet, dass nach Veranstalterangaben 1,4 Millionen Menschen zu dieser Love-Parade strömen würden. Das Modell Loveparade, es war ein bisschen aus der Mode gekommen. In Berlin wollte irgendwann niemand mehr etwas davon wissen. Alle dachten, das in Duisburg wird eine kleine überschaubare Veranstaltung, keine Parade mehr durch eine Großstadt, sondern eine Party auf einem alten Güterbahnhof, wo die Lautsprecherwagen um ein altes Gebäude gemütlich im Kreis fahren. Früher, im Tiergarten in Berlin, da tanzten die Raver auf einem weithin offenen Gelände. Auf der Straße des 17. Juni haben die Menschen links und rechts im Tiergarten viel Platz zum Ausweichen. Darauf wies am Samstag auch die Berliner Polizei hin. Auch der Zugang zum Tiergarten vom Bahnhof Zoo aus war offen.
Die Organisation der Loveparade in Duisburg lässt viele Fragen offen. Wie konnte so ein Konzept genehmigt werden? Warum gab es nur einen Zugang? Warum war alles schwer umzäunt? Irgendwie muss die Polizei schon vorher ein ungutes Gefühl gehabt haben. Warum sonst sperrte sie sicherheitshalber die neben dem Gelände verlaufende Autobahn, die A59? Als Sicherheitszone für solche Fälle? Aber warum durften die Leute dann nicht über die Autobahn auf das Gelände? Und warum hinderten Zäune die Menschen daran, auf die Autobahn zu kommen?
Es gibt ein Thema, das schon bei früheren Paraden akut war, aber in Duisburg spielt es eine noch größere Rolle. Es war auffallend, dass viele Raver schon am frühen Mittag betrunken waren. Es war auf dem Weg zum Gelände mehrfach zu sehen, dass sich Leute Pillen einwarfen. Ganz offen. Es gab Leute, die nicht nur ausgelassen waren, sondern auch feinnervig, man könnte sagen, angespannt, provozierbar. Aus nichtigem Anlass gab es plötzlich irgendwo Geschrei, eine Prügelei, der man ausweichen musste. Die Atmosphäre war gespalten. Da waren Friedliche, Fröhliche, und da waren Schwierige, auch Aggressive, Drängler.
Polizei sieht Treppenstürze als Auslöser
Über alles legt sich eine tiefe Traurigkeit. Was als Fest der Liebe begonnen hat, endet in einem Desaster:
19 Menschen sterben am Samstag bei einer Massenpanik während der Loveparade in Duisburg, zu Tode getreten oder gedrückt. 16 starben nach Polizeiangaben noch am Unglücksort, drei verstarben im Krankenhaus. Mehr als 300 weitere Besucher des Musik- und Tanzfestivals werden zum Teil schwer verletzt.
Unterdessen will die Polizei den Auslöser für die Panik herausgefunden haben. Stürze von einer gesperrten Treppe hätten die Massenpanik ausgelöst, so die Duisburger Polizei. Besucher hätten versucht, über eine gesperrte schmale Nottreppe zum Gelände hochzusteigen, andere seien über ein leiterartiges Lautsprechergerüst geklettert. Einige der Kletterer seien auf die Massen abgestürzt und hätten die Panik ausgelöst. Auch Panikforscher Michael Schreckenberg hat das Sicherheitskonzept der Veranstalter verteidigt. Er selbst war an der Erstellung beteiligt. Auch er hält die Stürze von der Treppe für den Grund für die Panik. Dass „Menschen von oben herunterfallen“ sei ein Fall gewesen, der überhaupt nicht in dem Sicherheitsplan vorgesehen gewesen sei, betonte Schreckenberg.
Neben Augenzeugen hatte sich auch der ehemalige Organisator der Loveparade in Berlin, Dr Motte, sich gegenüber dem Veranstalter kritisch geäußert. "Das hätte man im Vorfeld verantwortungsvoller planen müssen", sagte er. Das Gelände einer solchen Großveranstaltung, wie in Duisburg geschehen, rundherum abzuzäunen und nur einen alleinigen Zugang zu lassen, noch dazu einen von Mauern begrenzten, sei "ausgesprochen riskant."
Die Loveparade wurde nicht unterbrochen
Trotz des tragischen Geschehens lief das Musikspektakel zunächst weiter, um eine mögliche weitere Panik zu verhindern. Die Notausgänge des Geländes wurden aber geöffnet. Die Polizei sperrte zwischenzeitlich den Hauptbahnhof, weil viele Menschen in Panik auf die Gleise in der Nähe des Loveparade-Geländes ausgewichen waren. Auch die A59 wurde für den Verkehr gesperrt, um die Rettungskräfte über die Autobahn zu leiten und Verletzte in Zelten zu versorgen. Busse brachten die ersten Teilnehmer nach Hause. Ein Foto von der Evakuierung im Bus davon hat Twitter Flixxx gemacht. Nach Angaben der ARD waren zwischenzeitlich die Handynetze zusammengebrochen, weil Angehörige versuchten, Loveparade-Teilnehmer zu erreichen. Mütter und Väter hätten sich auf den Weg nach Duisburg gemacht.
"Ich bin entsetzt und traurig angesichts des Leids und des Schmerzes", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel über ihren Sprecher. "In diesen schweren Stunden bin ich in Gedanken bei den Angehörigen der Opfer. Ihnen gelten meine Anteilnahme und meine Trauer." Der Chef der Bundeskanzleramts, Ronald Pofalla, telefonierte mit der Staatskanzlei in Nordrhein-Westfalen und sagte die Hilfe des Bundes zu. Bundespräsident Wulff reagierte mit großer Bestürzung auf die Tragödie: „Eine solche Katastrophe, die während eines friedlichen Festes fröhlicher junger Menschen aus vielen Ländern Tod, Leid und Schmerz verursacht, ist furchtbar“, sagte das Staatsoberhaupt. Er hoffe, dass den Angehörigen und allen Verletzten schnelle und wirksame Hilfe zuteil werde "und die Ursachen rückhaltlos aufgeklärt werden".
Unterdessen haben die Veranstalter der Loveparade am Samstagabend ihren Livestream im Internet mit Bildern von der Veranstaltung abgeschaltet. "Unser Anliegen, ein fröhliches Miteinander von Menschen durchzuführen, ist heute von den tragischen Unglücksfällen überschattet worden", hieß es zur Begründung auf der Website. "Unser aufrichtiges Beileid gilt allen Angehörigen und unsere Gedanken sind bei denjenigen, die derzeit noch versorgt werden müssen", schrieben die Veranstalter weiter.
14 Hundertschaften der Polizei waren im Einsatz und konnten die Panik nicht verhindern. DJJohnMCGregor hat nach eigenen Angaben ein Foto der Massen vor dem Tunnel gemacht. Andere Twitterer suchen zunehmend verzweifelt über den Nachrichtendienst ihre Angehörigen und Freunde. Die Polizei hat eine Telefonnummer geschaltet, unter der sich Angehörige von Opfern informieren können. Hotline: 0203/ 94 000. (mit dpa/AFP/ddp)
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