Männliche Lebensmodelle: Suche nach dem Vaterglück
Liebe geben. Grenzen setzen. Vorbild sein. Nicht so einfach. Was macht einen guten Vater aus? Jeder beantwortet diese Frage anders
Diesen Blick kenne ich. Kritisch. Musternd. Abwägend. Wer ist dieser bärtige Kerl, der vorgibt, mein Vater zu sein? Diesen Blick, den kann nur meine Tochter. Sie Teenager. Ich Vater, sorgend, beschützend. Am liebsten würde ich sie immer noch jeden Morgen mit der S-Bahn zur Schule bringen. Nur, das Kind ist keines mehr und hat inzwischen eine eigene, ausgeprägte Meinung.
Es ist Montag, 6 Uhr 45, und ich bin seit anderthalb Stunden wach. Der Grund dafür heißt Oscar, ist acht Monate alt und randaliert in seinem Kinderstuhl herum, wirft Bananenstückchen auf den Boden, kippt das Wasser hinterher und brüllt dabei triumphierend.
Meine Tochter betrachtet also ihren 35-jährigen zweifachen Vater, Augenringe, zerknittert, seit Tagen ungeduscht. Ich mache, was ich seit acht Schuljahren jeden Morgen mache. Ich schmiere ihre Schulbrote. Zwei mit Schoko. Zwei mit Frischkäse und Gouda. Ist kein Brot da, stehe ich zehn Minuten früher auf und gehe noch schnell zum Bäcker. Mein Kind ohne Verpflegung, das geht nicht.
„Papa“, sagt sie: „Wenn du mir bis zur 12. Klasse Brote machst und wenn du dann Oscar 12 Jahre Brote machst, dann hast du 24 Jahre Brote gemacht.“ Das sitzt. Sehe ich etwa Mitleid in ihrem Blick? Brote schmieren dauert zehn Minuten. Das Jahr hat circa 200 Schultage. 24 mal 200 mal 10 Minuten macht 48 000 Minuten Schulbrote schmieren. 24 000 für Schokobrote. 24 000 für die Käsebrote. Ich werde 33 volle Tage meines Lebens mit Schulbrote schmieren zugebracht haben. Dazu kommt das Frühstück, das Mittagessen, das Abendbrot, Einkaufen gehen und überhaupt. „Das ist eine Menge Zeit“, rechne ich ihr vor. Aber sie schweigt.
Der Anfang? Schwierig. Ich war gerade mal 21 Jahre alt, saß bei Kinderladen-Elternabenden, während meine Freunde Partys feierten. Ich habe meine Tochter mit dem Fahrrad auf gefühlt alle Spielplätze Berlins kutschiert, während meine Freunde mit dem VW-Bus durch Europa tourten. Habe ihr jedes Kinderbuch aus der Bibliothek vorgelesen, während sie zu Poetry-Slam-Abenden gegangen sind. Habe mich dumm und dusselig gesorgt über dumme und dusselige Dinge. Was man als Vater eben macht. Dazu das Studium und die Arbeit. Ich war eingespannt, angespannt, oft überfordert und gescheitert. Wie die Beziehung zu ihrer Mutter, die ist auch gescheitert. Wir waren jung und dumm, das aber von Herzen.
Am nächsten Morgen präsentiert mir meine Tochter ihre Antwort auf das Schulbrotdilemma. Sie sucht sich ein leeres Glas aus dem Schrank, macht Haferflocken rein, schneidet Banane dazu, kippt Milch hinterher und schraubt einen Deckel rauf. „Für mich heute und in Zukunft keine Schulbrote mehr“, sagt sie und fährt davon in ihr eigenes Leben, mit ihren Freunden, der Schule, den Klamotten. Ins Kino und zum Klettern. So geht das also mit der Selbstständigkeit. Ihre Wäsche macht sie auch schon alleine. Irgendwann braucht sie mich gar nicht mehr. Lerne! Loszulassen! Lerne! Loszulassen! Mein neues Mantra.
Ich bin der Bauchgefühls-Vatertyp. Erziehungsratgeber, Seminare, Beratungsstunden? Nö. Ich habe mir auch nie Gedanken über meine Rolle als Vater und die Rolle des Vaters in der Gesellschaft gemacht. Ich bin einfach Papa. Mal mit Tatendrang, mal müde, vor allem lieb und selten streng. Doch die Gesellschaft scheint sich zurzeit viele Gedanken über Väter zu machen. Bleibt er mit dem Elterngeld nun endlich zuhause? Was ist seine Rolle in der Familie? Sind Väter überhaupt noch richtige Männer? Was ist das überhaupt, ein richtiger Mann? Herrgott. Da möchte man als Mann doch lieber wieder in die Höhle kriechen aus der man eher unbeabsichtigt heraus getaumelt ist.
Eine These: Der Mann von heute weiß nicht, wer er ist und kann seinen Kindern kein Vorbild sein. Eine andere: Der Mann von heute ist gefangen zwischen seiner alten Rolle als Hauptverdiener und seiner neuen Rolle als sorgender Vater. Überhaupt weiß er weder ein noch aus. Und dafür kriegt er aufs Dach. Entweder er arbeitet zu viel und hat keine Zeit. Oder er ist abgehauen und zahlt keinen Unterhalt. Oder er ist zu weich und kein richtiger Mann und Partner. Oder er ist zu hart und kein guter Vater. Geschlechterrollen werden entweder reproduziert oder negiert, in jedem Fall ist es schlecht.
Dazu könnten Experten sicher eine Menge schreiben. Ich will lieber wissen, wie es unterschiedlichen Vätern geht, wie es um ihre Liebe zu ihren Kindern steht, um ihre Gefühle und Ängste, um ihr Glück. Um die Schulter, auf die geboxt oder an die sich angekuschelt werden darf. Kurzum: Hier geht's um Papa-Power.
MARCO, 36, DER FAMILIENDOMPTEUR
Ganz viel davon hat Marco Artavia, 36, aus Neukölln. Er denkt nicht als Individuum, sondern im System. Im Familiensystem. Wer drei Kinder und eine Frau hat, der hört wahrscheinlich schnell auf, die Welt nach den eigenen Bedürfnissen zu ordnen. Die Familie geht vor. Wenn es der Familie gut geht, geht es auch ihm gut. Und die Familie ist ein feines Geflecht an Wünschen, an Aufmerksamkeit, an Miteinander, jeder will gehört und gesehen werden. Da die Balance zu halten, ist nicht einfach. Als sie umgezogen sind, hatten es die Jungs schwer, neue Schule, keine Freunde, es gab Streit und Zoff, auch um die eigenen Positionen in der Familie. In solchen Situationen ist Marco Artavia eher ein Dompteur. Dann wieder steht er einfach daneben und staunt über seine Kinder und ihre Persönlichkeiten.
Da ist Lucia, 4. Sie hat die Klamotten ihrer Brüder bekommen, die mochte sie aber nicht. Sie hat das Lego und die Eisenbahn bekommen, wollte aber lieber mit Puppen und der Küche spielen. Neulich war eine Tante zu Besuch und Lucia sagte: „Deine Ohrringe passen sehr gut zu deinem Ring.“ Das hat Marco Artiva umgehauen. Diese Details. Diese Beobachtungen. Dass sie einfach so ein Mädchen geworden ist. Dann ist da Camilo, 8. Ruhig, überlegt, charakterstark. Geduldig, aber wenn es reicht, dann reicht es. In ihm erkennt Marco Artavia sich selbst wieder. Und der größte, Lucas, 11 Jahre, mit einem eigenen sehr starken Willen, der ihm jetzt endlich ein Smartphone eingebracht hat.
Bei Marco Artavia ist ganz viel „wir“ und ganz wenig „ich“. So hat jedes Kind ein eigenes Zimmer. Nur die Eltern teilen sich das kleine Schlafzimmer und als gemeinsamen Raum die Wohnküche. Gemeinsam, teilen, aushandeln: Das sind die Werte ihres Familiensystems.
Glück ist, wenn spontan alle zusammenkommen, wie letzten Sonntag, da hat er gekocht, ein Bier getrunken, die Sonne schien herein, Lucia hat geholfen, dann kam Camilo und hat sein Lieblingslied abgespielt, dann haben sie alle getanzt. „Kinder sind Leben. Leben heißt wach sein“, sagt er.
Und es sind die Gegensätze, die alles zusammenhalten, schöne Momente und Konflikte. Zu den Gegensätzen gehört, dass seine Frau die Strukturierte von ihnen ist. Die weiß, was gerade in der Schule dran ist. „Ich könnte meinem Vater die Schuld geben, der war auch so. Oder auf andere befreundete Väter verweisen, bei denen ist es auch so“, sagt Marco Artavia. „Aber vielleicht müssen wir, meine Frau und ich, da noch einmal ran. Eine bessere Lösung finden.“
CHRISTIAN, 33, GETRENNT
Bei Christian, 33, aus Pankow, ist alles auf Anfang gesetzt und nichts mehr, wie es war. Jetzt muss er sich neu erfinden. Sich und seine Rolle als Vater und wie es weitergehen soll. Da sitzt er, der große, schlacksige Kerl, in seiner riesigen Pankower Wohnung, die bis vor kurzem noch ihr gemeinsames Zuhause war, an dem langen, weißen Tisch, an dem sie alle zusammen gegessen haben. In jeder Ecke sieht er ihr gemeinsames Leben, das nun nicht mehr ist.
Etwas Gutes aber hat die Trennung. Jetzt gibt es jeden Morgen Schokoaufstrich. Vorher nur Sonntag. Das war ihre Regel. Jetzt muss Christian seine eigenen Regeln aufstellen. Muss rausfinden, was für ein Vater und was für ein Mann er sein will. Noch stärker als bei Marco Artavia war auch hier die Partnerin diejenige, die die Regeln aufstellte, die Grenzen setzte, die bestimmte, wie der Alltag in der Familie war.
„Ich habe mich darauf auch ausgeruht. Wenn sie sowieso was sagt, muss ich ja nicht mehr. Wenn sie sowieso schon bei den Kindern ist, kann ich noch fünf Minuten länger duschen“, sagt Christian. Sie hat geführt, hat die Orientierung gegeben, war Wertesystem und Maßstab für ihn und die Kinder. Das sind nüchterne Feststellungen, keine Schuldzuweisungen, sondern Dynamiken. Im Stress, im Alltag zwischen Beruf, Kindern und Paarbeziehung, entwickelt es sich in die eine oder andere Richtung. Das überhaupt mitzukriegen, innezuhalten, zu korrigieren, ist sehr schwierig.
Nun sitzt Christian hier, die Kinder zur Hälfte bei ihm und zur Hälfte bei ihrer Mutter. Doch er will lernen, vieles neu und anders machen. Er wirft einen Arm voll Bücher auf den Tisch, darunter „Mann und Vater sein“ von Jesper Juul. „Führung übernehmen, zum Beispiel, ist mein erstes Ziel“, sagt er. Sein Sohn brauche Führung, denn ihm fehle das Vertrauen, dass sein Vater für ihn gute Entscheidungen treffen kann. „Zu führen ist auch etwas Männliches.“ Ebenso wie Aggression und Körperlichkeit. Raufen, sich vom Sohn auf die Schulter boxen lassen, wenn da Wut ist. Oder laut werden, Emotionen raus lassen und auch mal schlechte Laune haben dürfen. Das lernen sie gerade.
Die Liebe, die spürt er, wenn es still ist, wenn sie einfach dasitzen und reden. Wenn er ihnen zuhört, wenn er sieht, wie diese kleinen Menschen, die aus ihm entstanden sind, die er getragen und getröstet hat, wie diese kleinen Menschen schon jetzt eigenständige Persönlichkeiten sind. Neulich, bei der U8-Untersuchtung: „Meine Tochter spaziert rein, hat die Sprechstundenhilfe angelächelt, mit ihr geschäkert, alle Fragen beantwortet, alles ganz alleine gemacht. Ich konnte nur staunen: Wow, das ist meine Tochter.“
JOHANNES, 55, MIT PFLEGEKIND
Einer, der für sich herausgefunden hat, wie er ein guter Vater sein möchte, ist Johannes Zerger, 55. „Liebe geben, Vorbild sein, Grenzen setzen.“ Es ist dieser Dreiklang, der seine Vaterschaft bestimmt. Zwei Töchter hat er. Eine ist seine leibliche, die ist 18 Jahre alt und plant im Sommer mit einer Freundin eine Interrailtour durch Europa. „Da kommen natürlich auch Ängste auf. Ich frage mich, ob sie nicht besser ein Pfefferspray mitnehmen sollte, nur für alle Fälle.“ Dann ist da seine Pflegetochter, 12 und seit neun Jahren bei ihnen. „Wir sind Mama und Papa für sie und gleichzeitig geht sie sehr offensiv damit um.“ Schon in der 4. Klasse, als sie einen Steckbrief entwerfen sollten, notierte sie in der Rubrik ‚Was sonst noch wichtig ist': „Ich bin ein Pflegekind.“
Johannes Zerger wägt das Einerseits und Andererseits immer genau ab, durchdenkt dabei alles und lotet die besten Lösungen aus. Wie auch der Entschluss, Vater zu werden, mit 36. Als er bereits viel gemacht, viel gesehen, viel erlebt hatte und nicht mehr so sehr auf der Suche nach sich selbst war. „Ich wollte mit meiner Aufmerksamkeit voll beim Kind sein, gerade in den ersten Jahren, wo nur der Moment, das Hier und Jetzt zählt.“
Einem Pflegekind ein Zuhause zu geben, das muss eine sehr bewusste Elternschaft sein. Das Jugendamt, der Pflegekinderdienst, die Hilfekonferenzen, für die man Berichte schreibt und reflektiert, was passiert ist und was die nächsten Ziele sind. Fühlt man da zu einem Pflegekind die gleiche Vaterliebe wie zu einem leiblichen Kind?
„Zuerst war der Draht, die Verbindung zum Pflegekind da. Dazu kam das innerliche Versprechen, ihm ein gutes Zuhause zu geben, auf den Weg ins Leben zu begleiten und ein absolut verlässlicher Partner zu sein. Die Liebe ist dann Tag für Tag gewachsen. Mit jeder Krankheit, bei der wir das Kind gepflegt haben, mit jedem Fahrradunfall, über den ich es hinweggetröstet habe. Und bei den vielen kleinen Momenten, beim Spazierengehen an der Ostsee, oder wenn sie schauspielert und lustige Sprüche macht."
Nur beim Hausaufgaben helfen, da hat er mehr als einmal kapituliert: „Ich erkläre, das Kind versteht nicht, ich erkläre nochmal, sie will nicht verstehen, dann steigt der Pegel, dann fliegen die Fetzen, das überlasse ich jetzt lieber meiner Frau.“
GEORGI, 66, DER GELASSENE
Georgi Mintchev hingegen hat überhaupt keine Zeit, sich Gedanken über Vaterkonzepte zu machen. Der 66-Jährige ist alleinerziehend, zwei Mädchen, Zwillinge, zehn Jahre, Evelina und Angelina. Wie es dazu kam, ist eine komplizierte Geschichte, die an anderer Stelle erzählt werden kann. Nur soviel: Gericht, Psychologen, Jugendamt, sie haben bestimmt, dass die Kinder bei ihm leben sollen.
Da lebt er nun in seinem selbstgebauten Haus in Oranienburg bei Berlin. Draußen rauscht die Havel, ein Idyll, drinnen hat sich ein Männerhaushalt breitgemacht, zweckmäßig, gemütlich, Plastikstühle am Küchentisch, zum Abendbrot gibt es Chicken Wings mit Salat. Wen kümmert’s? Georgi Mintchev kommt aus Bulgarien, gelernter Klavierspieler, und in der Seele ein Abenteurer. „Was sollte ich mit einer Familie?“ Band, Auftritte, Rumreisen, die totale Freiheit. Frauengeschichten, klar, das gehörte dazu. Daneben hat er 25 Jahre bei der BVG gearbeitet, als Baustellensicherheitsbeauftragter, vor allem nachts, wenn die Züge still stehen und die Bagger rollen.
Doch mit 55 passierte es, zwei Mädchen, Evelina, die erste, und Angelina, die zweite. Keine Wehmut überzieht sein Gesicht, wenn er seine beiden Kinder anschaut. Es ist eher eine runde Gemütlichkeit, eine Gelassenheit und zärtliche Zuneigung. Es ist, wie er seine Kinder ausreden lässt, wie er darauf achtet, beide gleich zu behandeln, wie er sich dafür schämt, dass sie zu viel fernsehen. Gerade versucht er neue Zubett-Gehzeiten zu etablieren, halb neun Zähneputzen, dann nach oben und schlafen.
Doch es ist immer so viel zu tun. Nicht nur weil er alleine ist, sondern auch weil Evelina so zarte Haut hat, dass diese bei jeder Berührung große Blasen wirft. Dann muss er eine Nadel nehmen und sie vorsichtig aufstechen. „Gut, dass ich so zarte Musikerfinger habe“, sagt er. Oder ihre Haut bricht gleich auf. Zum Schutz ist ihr ganzer Körper mit Spezial-Silikonbinden eingewickelt, von den Fingern bis zu den Füßen. Dreimal die Woche muss alles gewechselt werden.
Es ist die seltene sogenannte Schmetterlingskrankheit, die den Alltag von Georgi bestimmt. „Meine Freunde sagen zu mir, du lebst nur noch für die Kinder. Doch das stimmt gar nicht.“ Alles, was er mit ihnen macht, macht er auch für sich, sagt er. Mit dem Wohnmobil geht es auf Reisen, ans Meer, da ist die Luft salzhaltig und gut für Evelinas Haut. Oder zu Kongressen, auf denen Forscher über diese seltsame Krankheit rätseln. Oben im Bad und auch im Wohnmobil hat er alles eingerichtet, um sie zu versorgen. Binden, Medikamente, es sieht aus wie das Lazarett einer kleinen Armee-Kompanie.
Und er hat eine Art gefunden, wie er damit zurecht kommt. Nicht nur die Binden und die vielen schorfigen, eitrigen Wunden auf dem Körper seiner Tochter, sondern auch das Essen, das er ihr per Magensonde verabreicht, weil die Speiseröhre zu empfindlich ist. All das betrachtet er von der technischen Seite. Die Funktionsweise der Magensonde ist spannend, die Silikonbinden fühlen sich interessant an. „Was es nicht alles gibt“, staunt er immer wieder und zeigt Fotos und erklärt Details und Hintergründe. Er schafft das, weil er Rentner ist, weil er mit fünf Stunden Schlaf auskommt und weil da diese Ruhe ist, die er ausstrahlt. Und wenn sich seine Töchter an ihn kuscheln oder ihm Lieder von „Bibi und Tina“ vorsingen, dann weiß er, warum er das tut.
ROBIN, 34, IN ELTERNZEIT
Zeit für seinen Sohn nimmt sich auch Robin Stock, 34. Elternzeit. Drei Monate waren sie im Urlaub, sieben hat er noch vor sich. Während sie wieder arbeiten geht. Da sitzt er nun im Park, liest Zeitung und wartet darauf, dass sein Sohn aufwacht. Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern, überall Kinderwagen, aber von Müttern geschoben. „Das war ein stiller Konsens zwischen uns. Wir machen 50/50. Und jetzt bin ich dran.“ Er weiß, dass sie damit eine Familie von wenigen sind, bei denen beider Einkommen das zulässt. „Befreundete Väter wollten auch teilen. Doch die Realität ist leider eine andere. Der Job muss gehalten und das Geld verdient werden. Da stehen Kind und Familie zeitlich hinten an.“
Doch es ist nicht nur das Geld. Robin Stock will genauso für seinen Sohn da sein wie die Mutter. Er will sich nicht in Rollenmuster drängen lassen, nicht die Mutter machen lassen, weil die es ja vermeintlich eh besser weiß. Nein, er möchte die gleiche Nähe und Bindung, das gleiche Vertrauen und die Sicherheit aufbauen. Geholfen hat, dass sein Sohn nicht gestillt werden konnte und sie so beide für die Ernährung zuständig waren. „Am Anfang, als er überhaupt nicht zugenommen hat und wir erst herausbekommen mussten, was los ist, da hatte ich richtig Angst. Dazu die Müdigkeit, dieses neue, kleine, winzige Leben in unseren Händen. Es war wie wandern im Nebel.“ Er freut sich auf die Monate, nur sie beide, den ganze Tag frei, Breichen machen, spazieren gehen, das Leben genießen und ein eigenes Bauchgefühl entwickeln. So seine Vorstellungen, mal schauen, ob ihm in der Realität nicht schnell „die Decke auf den Kopf fällt“, wie er sagt.
Es ist der Wahnsinn, da kommen diese kleinen Leben auf die Welt, herausgepresst in größter Anstrengung, und wir Väter stehen daneben und staunen. Und dann halten wir sie in unseren Händen und damit eine riesige Verantwortung. Und wenn diese kleinen Wesen das erste Mal in Not sind, weinen und sich nicht beruhigen lassen, wenn wir sie tragen und schaukeln und wippen, dabei singen und tanzen und nicht wissen, was wir machen sollen, bis sie sich dann doch endlich beruhigen und einschlafen – dann ist Ruhe und Frieden, dann liegen wir mit unseren Kindern auf der Brust im Bett und trauen uns nicht, uns auch nur einen Zentimeter zu bewegen, um diesen Frieden nicht zu stören. Dann sind wir glücklich wie selten.
Und dann werden sie größer, man kann sie kaum noch tragen, und immer noch kommen sie kuscheln und sagen, „Papa, ich hab dich lieb.“ Irgendwann sind sie dann so groß wie man selbst, und immer noch sind wir wichtig. Und dann lassen wir sie gehen und sagen: „Schau, das ist mein Kind. Klasse, oder?“ Und wenn wir uns Zeit genommen haben, auf unseren Bauch gehört, Liebe gegeben, Grenzen gesetzt und Vorbild gewesen sind, dann sagen sie: „Schau, das ist mein Papa. Klasse, oder? Nun muss ich aber los.“
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