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Käfigbatterien sind in der EU endgültig verboten. Dennoch fördern die europäische Regionalentwicklungsbank und die deutsche Exportkreditagentur Euler-Hermes den Aufbau von solchen Tierfabriken in der Ukraine und in der Türkei mit Steuermitteln aus Europa.
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Exklusiv

Tierschutz: Steuergeld für Käfigbatterien im Ausland

Hennen dürfen in der EU schon seit mehreren Jahren nicht mehr in Käfigbatterien gehalten werden, die Käfige mussten abgebaut werden. Nun werden sie offenbar direkt hinter den europäischen Grenzen wieder aufgebaut - und die Eier, die dort produziert werden, landen wiederum in der EU. Und sowohl Deutschland, als auch die EU verdienen daran.

Es hat Jahre gedauert, bis die Legehennen in Deutschland zumindest so weit befreit waren, dass ihnen nun 890 Quadratzentimeter Platz zustehen und nicht mehr nur 550 Quadratzentimeter. 2009 wurde die Haltung von Legehennen in Käfigbatterien in Deutschland endgültig verboten. Seit diesem Jahr dürfen Hühner in der gesamten Europäischen Union nicht mehr nur auf der Größe eines DIN-A-4-Blattes gehalten werden. Doch das hindert die deutsche Exportkreditversicherungsagentur Euler-Hermes nicht daran, den Aufbau von Käfigbatterien in Nachbarländern der EU zu unterstützen. Und es hindert auch die europäische Regionalentwicklungsbank EBRD nicht daran, in ebensolche Projekte in der Ukraine oder der Türkei zu investieren. Und die Weltbank-Tochter IFC investiert weltweit in Haltungssysteme, die in der EU längst geächtet und in den eigenen „freiwilligen Richtlinien“ für Investitionen in die industrielle Tierhaltung nicht mehr vorgesehen sind.

Das geht aus einer Studie dreier Tierschutzorganisationen über die Rolle von internationalen Finanzierungsbanken und Exportkreditversicherungen für das Wohlergehen von landwirtschaftlichen Nutztieren hervor, die in dieser Woche veröffentlicht werden soll. Humane Society International, Compassion in World Farming und Vier Pfoten haben das Investitionsverhalten der Geldgeber, die Steuergeld für ihre Geschäfte einsetzen, analysiert. In der Studie, die dem Tagesspiegel vorliegt, kommen sie zu dem Schluss, dass internationale Finanzierungsinstitutionen in Transitionsländern in Osteuropa, aber auch in Schwellenländern in die industriellen Tierproduktionsfabriken investieren, deren Tierschutzstandards beträchtlich unterhalb des Niveaus der Europäischen Union liegen.

Besonders absurd ist die Wirkung dieser Investitionen beispielsweise der EBRD in der Ukraine. Dort sind von zwei großen Agrarkonzernen, an einem davon ist die Weltbank-Tochter IFC sogar direkt beteiligt, große Ställe für die Produktion von Hühnerfleisch und für Eier aufgebaut worden. Die Legebatterien gleichen aufs Haar denjenigen, die weiter westlich in den vergangenen Jahren abgebaut werden mussten. Gleichzeitig begann die EU bereits 2008, mit der Ukraine über ein Freihandelsabkommen zu verhandeln, das in diesem Jahr abgeschlossen wurde. Nun kann die Ukraine Käfigeier, wie sie in der EU nicht mehr produziert werden dürfen, für die Herstellung von Fertigprodukten – Nudeln, Kekse – in die EU einführen. EU-Bauern, die sich an die neuen Haltungsauflagen für Legehennen halten, müssen demnach mit Produzenten konkurrieren, die ihre Eier mithilfe europäischer Finanzierungsinstitutionen wie der EBRD oder Euler-Hermes aufgebaut haben. Niki Entrup, der die Humane Society International (HSI) berät, findet das „absurd“.

Dass die drei Organisationen mit ihrer Studie einen wunden Punkt treffen, zeigt auch eine noch unveröffentlichte Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage des Grünen-Agrarexperten Friedrich Ostendorff. Darin bestätigt die Bundesregierung, dass es bereits zum Zeitpunkt der Bewilligung der Hermes-Entscheidungen für zwei große Käfigbatterien in der Ukraine bekannt gewesen sei, dass das osteuropäische Land die so erzeugten Eier in die EU würde exportieren können. Dabei hatte die Regierung im September 2012 noch ebenfalls in der Antwort auf eine Anfrage der Grünen behauptet, dass „der ukrainische Besteller nicht in die EU exportiert“.

Niki Entrup findet es besonders empörend, dass es offenbar Gespräche zwischen der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten gibt, wie wegen des „hohen Preisdrucks“ auf die Eierproduzenten in der EU die „Maßnahmen zum Ausgleich“ aussehen könnten. Das zumindest wird in der Antwort an Friedrich Ostendorff angedeutet. „Wird zuerst Steuergeld eingesetzt, um für die Errichtung von Legehennenfabriken zu bürgen, und dann weiteres Steuergeld, um die heimischen Produzenten in der Konkurrenz gegen ebendiese Tierfabriken zu stützen?“, fragt er. Stattdessen könnte die Bundesregierung in der EBRD ihren Einfluss geltend machen, dass solche Geschäfte nicht mehr gestützt werden. Und auch die Entscheidung für Exportkreditbürgschaften „ist eine politische Entscheidung, die durchaus die eigenen Standards reflektieren sollte“, findet Entrup.

Jedenfalls scheint die Bundesregierung nicht vollständig über die Investitionsentscheidungen der EBRD informiert zu sein. In der Antwort auf Ostendorffs Anfrage listet die Regierung vier Investitionen innerhalb der vergangenen zehn Jahre in die industrielle Tierproduktion auf. In der Studie der drei Tierschutzorganisationen werden mit Bezug auf die Internetseite der EBRD, also öffentlich zugängliche Informationen, mindestens zwei große Investitionsprojekte mehr aufgelistet: 20 Millionen Euro, die in eine Schweinemästerei in Sibirien investiert wurden, Kuzbassky Pischekombinat, 2008, sowie 65 Millionen US-Dollar in eine Produktion von Masthühnern in der Ukraine, Myronivsky Hliboproduct 2010. Ein von der Bundesregierung benannter Kredit in Höhe von 600 000 Euro für einen Geflügelkonzern in Turkmenistan 2011 wiederum ist auf der Internetseite der europäischen Regionalentwicklungsbank nicht auffindbar. Niki Entrup vermutet, dass es auch ein Kredit für ein Schlachtunternehmen sein könnte. Die Regierung beschreibt die Investition jedoch nicht näher.

Die drei Tierschutzorganisationen wünschen sich für künftige Investitionsprojekte in die industrielle Tierproduktion, dass die Weltbanktochter IFC zumindest die eigenen „Richtlinien“ für die Tierproduktion bei der Kreditvergabe zugrunde legt. Die EBRD, die bisher nach eigener Auskunft an die drei Organisationen über keine Richtlinien für die Vergabe von Krediten oder Investitionen in die Tierproduktion verfügt, wird aufgefordert, sich solche Richtlinien zuzulegen, und zwar auf der Grundlage des Gemeinschaftsrechts in der EU. Um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Bauern nicht zu gefährden, verlangen die Organisationen, dass die EBRD wie auch die Exportkreditagenturen nicht in Projekte investieren, deren Tierschutzstandards deutlich unterhalb denen in der EU liegen.

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