Quidditch-WM in Frankfurt am Main: Spielen wie die Zauberer
Harry Potter machte Quidditch weltbekannt – doch in der Realität ist es noch ein Nischensport. In Deutschland gibt es aber immer mehr Aktive. Im Juli findet in Frankfurt am Main die WM statt.
Es ist ein äußerst zwiespältiges Verhältnis, das Adrian Schleeh zu Harry Potter pflegt. Einerseits hat er als Kind mit großer Begeisterung die Geschichten über den Zauberschüler gelesen. „Ich bin großer Harry-Potter-Fan“, sagt er – auch heute noch. Auf der anderen Seite aber passt es ihm, der so etwas wie ein Quidditchspieler der ersten Stunde ist, überhaupt nicht, dass seine Sportart oft nur auf die berühmte Romanfigur reduziert wird. „Es ist egal, ob man die Bücher oder Filme kennt“, meint der 25-Jährige. „Quidditch ist ein eigenständiger Sport geworden.“
Quidditch? Genau, die rasante Sportart aus dem fiktiven Zauberuniversum von Harry Potter ist gemeint. Längst gibt es sie auch in der realen Welt. Aus den Verfilmungen kennt man das Quidditchspiel nicht zuletzt wegen der actiongeladenen Spielszenen zwischen Potters Team Gryffindor und den Widersachern von Slytherin. Wie von einer Tarantel gestochen, jagen sie mit ihren schnellen Besen den Bällen hinterher, um einen der drei Spielringe zu treffen.
Zwischen den Beinen klemmt ein Plastikstab
Auch in der völlig zauberfreien Variante geht es rasant zu, außer natürlich, dass schwerkraftbedingt auf die Besen verzichtet werden muss – zumindest auf die fliegenden: Zwischen den Beinen haben die sieben Spieler pro Team nämlich tatsächlich einen Plastikstab klemmen. „Wir sagen auch Besen dazu“, erzählt Schleeh. Was zwar etwas ulkig aussieht, aber durchaus seinen Sinn hat. So stellt der Stab eine zusätzliche Schwierigkeit im laufenden Spiel dar. Entweder wird die Stange mit der einen Hand festgehalten, sodass nur die andere frei ist. Oder aber der Spieler fixiert sie zwischen den Oberschenkeln und ist dafür beim Laufen eingeschränkt, erläutert Schleeh. Besonders viele Punkte bekommt derjenige, der den sogenannten Schnatz fängt. Im Buch ein goldener Ball mit Flügeln, ist der Schnatz bei Schleeh und seinen Mitstreitern ein Tennisball, der – in einer Socke versteckt – am Hosenbund eines Spielers befestigt ist.
Schon als Kind hatte sich Schleeh, der Biologie in Freiburg studiert, gefragt, wie das Besenballspiel aus der Harry-Potter-Welt in die Praxis umgesetzt werden kann. Erstmals auf den Rasen gebracht haben es im Jahr 2005 zwei Studenten aus den USA, hierzulande entstand das erste Team 2012. Oft werden Vereine von Studenten gegründet, die den Sport zuvor durch ein Auslandssemester kennenlernt haben. Bei Schleeh war es anders: „Vor gut zwei Jahren habe ich mitbekommen, dass hier in Freiburg ein Quidditchverein gegründet wird.“ So sei er zu der Vollkontaktsportart gekommen und ist nun Kapitän der „Black Forest Bowtruckles“. Als eine „Mischung aus Handball, Völkerball und Rugby“ beschreibt der 25-Jährige seinen Sport.
Sportart erlebt Boom in Deutschland
Noch ist Quidditch ein Nischensport, doch in Deutschland erlebt es seit rund zwei Jahren einen kleinen Boom. „Es gibt um die zwanzig Vereine und insgesamt 150 bis 200 aktive Spieler“, sagt Nina Heise, Präsidentin des Deutschen Quidditchbundes. Tendenz steigend. Dabei sehen die Spieler ihren Quidditchsport häufig nicht ernst genommen. „Die Reaktionen reichen von begeistert über verwirrt bis abfällig“, sagt Heise. Auch Schleeh kennt solche Situationen: „Wenn ich Leuten vom Quidditch erzähle“, sagt er, werde er häufig belächelt. „Die meisten merken dann aber doch recht schnell, dass es eine ernsthafte Sache ist.“
Wie schweißtreibend Quidditch ist, kann am 23. und 24. Juli in Frankfurt am Main bestaunt werden. Dann treffen sich die besten Nationalteams zur Quidditch-Weltmeisterschaft. Es ist die dritte Auflage überhaupt und die erste, die in Deutschland stattfindet.
„Wir waren ja bereits im vergangenen Jahr bei der Europameisterschaft in Italien dabei“, sagt Schleeh, der in der Nationalmannschaft auf der Position des Hüters die eigenen drei Ringe vor Gegentreffern schützen muss. Insgesamt treten 23 Nationen in Frankfurt an. Großer Favorit beim Turnier sind die USA. „Die haben noch nie ein internationales Spiel verloren“, sagt Heise, die ebenfalls fürs deutsche Team antritt. Die deutschen Chancen schätzt Schleeh realistisch ein: „Mein Ziel ist es, im oberen Drittel zu landen“, sagt der Nationalspieler.
Quidditch soll olympisch werden
Auf die Frage, was das Quidditchspiel besonders auszeichnet, zögert der Student nicht lange. Die bunte Mischung der Teams, sagt er. Während in den meisten klassischen Sportarten Geschlechtertrennung besteht, gibt es beim Quidditch gemischte Teams. „Ich finde es wirklich klasse, dass alle zusammenspielen – egal ob männlich oder weiblich.“ Auch die Schnelligkeit und die taktische Spielweise mag er am Quidditchspiel. Zweimal die Woche trainiert er mit seinen Teamkameraden das Quidditchspiel. „Hinzu kommen alle paar Wochen Trainingsphasen im Nationalteam sowie Ausdauer- und Kraftübungen“, sagt er.
Ob der Quidditchsport eines Tages in einer Reihe mit Fußball, Rugby und Co. stehen wird? Schleeh ist da zuversichtlich. „Unser Ziel ist, irgendwann olympisch zu werden.“ Wenn das Wachstum so weitergehe, könnte das in ein paar Jahren klappen, sagt er. Vorausgesetzt, der Sport wird allmählich sein Harry-Potter-Image los. Denn das, sagt Schleeh, sei viel wichtiger. Damit der Zauberschüler künftig vom Spielfeld verbannt wird und dort bleibt, wo er eigentlich hingehört: in die Fantasie.
Daniel Godeck
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