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Urlauber und Einheimische hier in Zinnowitz auf der Insel Usedom.
© Imago

Pfingsten als Tourimus-Testfall für die Sommerferien: So lief das lange Wochenende nach den Lockerungen ab

An den Küsten und in Bayern tummeln sich die Gäste und halten Abstandsregeln mehr oder weniger ein. Die Großstädte haben das Nachsehen.

Links abbiegen auf die Bundesstraße? Keine Chance am Freitagabend vor Pfingsten. In Kolonne fahren die Autos, Wohnmobile, Wohnwagengespanne in Richtung Ostsee, es nimmt kein Ende. Erst ein Trecker, der die hinter ihm herzuckelnden Autos mit 40 Stundenkilometern ausbremst, verschafft die nötige Lücke, um es auf die B199 zwischen Kappeln und Gelting im Norden Schleswig- Holsteins zu schaffen.

Endlich wieder raus! Das haben wohl viele gedacht. In ganz Deutschland sind die Menschen am Pfingstwochenende zu Ausflügen oder Kurzurlauben aufgebrochen. Es ist gewissermaßen der Testlauf für die Sommerferien.
Besonders voll ist es an den Küsten, aber auch in Bayern sind Touristen unterwegs.

Die Zahl der Fahrgäste der Deutschen Bahn hat nach Angaben des Unternehmens über Pfingsten im Vergleich zu den vergangenen Wochen deutlich zugenommen. Auf den Straßen und Autobahnen bleibt es weitgehend ruhig – mit Ausnahme von den Küsten.

Nachholbedarf bei Fischbrötchen

An der Ostsee ist das Wetter bestens und die Menschen strömen in Scharen an die Küste. In den Ferienorten an der Schlei, dem einzigen richtigen Fjord Deutschlands, drängen sich die Urlaubermassen. Campingplätze und Wohnmobilstellplätze sind voll. Coronabedingt dürfen die Camper nicht Tür an Tür stehen, aber sonst herrscht Enge auf den Parzellen. Die Sanitäranlagen auf dem Wohnmobilstellplatz in Maasholm, einem idyllischen Fischerort unweit der Schleimündung, sind außer Betrieb, nur die Toiletten haben geöffnet.

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Den ersten Touristenansturm haben die Menschen hier schon hinter sich: Himmelfahrt war die Hölle los, erzählt die Fischverkäuferin in Maasholm. Zusätzlich zum Ladengeschäft habe man einen Verkaufswagen aufgestellt, um die Massen zu versorgen. „Die Leute hatten wohl richtig Nachholbedarf“, sagt sie.

Nils Miller springt mit seinem Surfbrett über Wellen in der Ostsee bei Binz.
Nils Miller springt mit seinem Surfbrett über Wellen in der Ostsee bei Binz.
© Stefan Sauer/dpa

Schleswig-Holstein hatte neben Mecklenburg-Vorpommern ein Betretungsverbot erlassen: Touristen durften nicht einreisen, Bootsbesitzer nicht zu ihren Schiffen. Hamburger Spaziergänger wurden an der Landesgrenze zurückgewiesen. Seit dem 18. Mai ist Schleswig-Holstein wieder offen – zumindest teilweise.

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Die Westküste ist für Tagestouristen mancherorts tabu, Polizisten weisen Auswärtige etwa vor Sankt-Peter-Ording oder auch den Inseln und Halligen zurück: Sie müssen umkehren.

An der Ostseeküste gilt das nicht: Die Kennzeichen der Autos, die sich zahlreich durch die Küstenorte wälzen, stammen aus ganz Deutschland. Tagesausflügler aus dem Umkreis sind dabei, aber auch viele aus dem Ruhrgebiet, Berlin und sogar München. Parkplätze sind rar.

Für die Verkäuferinnen ist es sehr anstrengend

In den Schlangen vor Eisdiele und Fischräucherei in Maasholm funktioniert die Abstandshaltung noch ganz gut, die meisten tragen Masken. Mühsam versuchen die Verkäuferinnen, die durch Plexiglasscheiben von den Kunden getrennt sind, die durch die Baumwollmasken gemurmelten Bestellungen zu verstehen. Die Erschöpfung ist ihnen anzusehen. Doch Kunden und Verkäufer bemühen sich, das Beste aus der Situation zu machen.

Anders sieht es in den Supermärkten aus: Hier spürt man in der Kassenschlange schon wieder wie in vor-Corona-Zeiten den Atem des Hintermannes im Nacken. Auch an der Kappelner Hafenpromenade ist das Gedränge groß, Abstandshaltung: Fehlanzeige. In den Restaurants ist das Bild unterschiedlich: Mal tragen die Kellner Maske, mal nicht.

An einem Abend muss man den Informationsbogen ausfüllen. Am nächsten Tag ist am selben Ort davon keine Rede mehr. Reservieren ist angezeigt, spontan noch einen Tisch zu kriegen, dürfte angesichts reduzierter Plätze unwahrscheinlich sein.

Touristen spazieren über die Seebrücke von Binz.
Touristen spazieren über die Seebrücke von Binz.
© Stefan Sauer/dpa

Entzerrung ist hier erst zu erwarten, wenn auch Dänemark seine Grenzen wieder öffnet: Ab 15. Juni dürfen jene wieder einreisen, die für mindestes sechs Nächte eine Unterkunft im Ferienhaus oder auf dem Campingplatz gebucht haben.

Auch in Bayern läuft das Tourismusgeschäft langsam wieder an. „Es war schon gewöhnungsbedürftig“, sagt Thomas Geppert, der mit seiner Familie über Pfingsten einen Kurzurlaub im Alpenhof in Murnau am Staffelsee gemacht hat. „Aber Gäste und Gastgeber zeigen viel Verständnis für die Situation.“ Draußen schönes Wetter und Voralpen-Kulisse, drinnen genaue Regeln für Abstände, Laufrichtungen und Desinfektionsmittel-Spender.

Bis 20. Juni sind alle Zimmer ausgebucht

Erst seit Sonnabend sind Hotels und Ferienwohnungen in Bayern wieder geöffnet, etwas früher waren Biergärten und Restaurants dran. Der Urlauber Geppert ist auch Geschäftsführer vom Bayern-Ableger des Hotels- und Gaststättenverbands Dehoga. Er wirbt: „Im Hotel ist es so sicher wie daheim – nur schöner.“ In den Hotspots auf dem Land in Oberbayern scheint der Neustart des Tourismus recht gut gelungen.

Im „Rheinischen Hof“ in Garmisch-Partenkirchen etwa kann man online bis 20. Juni gar kein Zimmer mehr buchen. Die Hotelbetreiber haben vor allem noch auszusetzen, dass die Spa- und Wellnessbereiche geschlossen bleiben müssen: kein Schwimmbad, keine Sauna, keine Heilpflanzen-Behandlung. Laut Geppert führt dies dazu, dass gegenwärtig Ferienwohnungen und einfachere Unterkünfte beliebter sind.

Auch vom Tegernsee kommen erfreuliche Nachrichten: „Es läuft gut, wir können uns nicht beschweren“, sagt Christian Kausch, Tourismus-Chef im Tegernseer Tal. Da in den Biergärten größere Abstände eingehalten werden müssen, bemüht man sich, die Fläche etwas auszudehnen. So sei es in vielen Fällen möglich gewesen, mehr Platz von der Straße oder einer angrenzenden Wiese zu nutzen.

Zu Normalzeiten ist der Tegernsee an schönen Frühjahrs- und Sommerwochenenden ein Alptraum. Dann drängeln und quetschen sich Urlauber und Tagesausflügler auf den Wegen und Straßen. „Dieses Überfüllungs-Chaos ist jetzt aber ausgeblieben“, berichtet Christian Kausch. Und für die Hauptsaison im Sommer sei man schon „gebucht“.

Anders ist die Situation in den bayerischen Großstädten, allen voran München. Ein Hotel am Platz gegenüber dem Hofbräuhaus hatte in der ersten Nacht der Öffnung zwei Gäste und in der nächsten zehn. „Es gibt keinen Städtetourismus, der ist weg“, klagt der Großgastronom Christian Schottenhamel.

Paulaner, Oktoberfest - es wird schwierig für den Gastronom

Er betreibt den bekannten Paulaner am Nockherberg mit Restaurant und Biergarten sowie ein Großzelt auf dem Oktoberfest, das dieses Jahr auch ausfällt. In seinem Restaurant seien bei 300 Plätzen oftmals nicht mehr als vier Tische belegt. Im Biergarten sind es 100 von 900 Plätzen. „Die Stimmung ist saumies“, meint Schottenhamel. „Wir hatten auf eine schwarze Null gehofft, jetzt machen wir minus.“

Gründe für das Darben der Stadt? „Die Menschen haben weiterhin Angst vor Corona“, sagt der Gastronom. „Vor allem wollen die Leute nicht gerne drinnen sitzen.“ Zwar überfüllen die Münchner die Isarufer und den Englischen Garten, aber die Lokale meiden sie. Zudem fehlen die ausländischen Touristen, vor allem aus den USA und Asien.

Manche Hotels öffnen ohne eine Buchung

Ähnliches berichtet Barbara Radomski auch über Nürnberg, die zweitgrößte Stadt im Freistaat. Dort war vor allem wegen Geschäftsreisen, Messen und Kongressen immer viel los. Das alles existiert weiterhin nicht, die Bewohner der Franken-Metropole bleiben unter sich. Radomski: „Manche Hotels haben ohne eine einzige Buchung aufgemacht.“

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