Fund in Pompeji: So exotisch speiste die römische Unterschicht
Reich gedeckte Tische: In vielen Städten des Römischen Reichs war der Lebensstandard der Unterschichten höher als bisher angenommen – das zeigen archäologische Funde in Pompeji. Ein US-Team fand jetzt sogar die Reste einer Giraffenkeule.
Die alten Römer lebten nicht nur von Brot und Spielen, also von jenem bürgerlichen „Grundgehalt“, das die Kaiser generös zu spenden verpflichtet waren. Bei ihren Gelagen durfte es gerne auch exotischer zugehen. Da gab es Pfaueneier und Bärensteaks, Schweinseuter und Drosseln. Dass man Flamingos am besten mit Lauch, Kümmel, Koriander, Minze und Pfeffer dünstet, lasen sie bereits im Standardkochbuch des Apicius, der auch Rezepte für Siebenschläfer, Strauße und Muränen liefert. Besondere Leckereien fanden sich bald in Wald und Flur: Aus Nordafrika hatten die Römer – des Geschmacks wegen – das Stachelschwein eingeführt. Die Überlebenden fühlen sich noch heute in Italien wohl.
Es gab im römischen Reich einen florierenden Fernhandel
Einen nie zuvor gesehenen Beweis für den römisch-globalen Fernhandel mit Lebensmitteln haben amerikanische Archäologen um Steven Ellis von der Universität von Cincinnati nun in Pompeji ausgegraben. Sie wühlten in ihrer zehnjährigen Ausgrabung auch in den Abfallhalden und den Latrinen der damals beliebten Einkaufsmeile am Stabiae-Tor.
Sie sind dort auf Spuren von mineralisierten Speiseresten bis ins Jahr 400 vor Christus gestoßen. Die Forscher untersuchen zwei Straßenzüge der historischen Stadt, die im Jahr 79 vor Christus von den Lavamassen des Vesuvs begraben wurde. Seit zehn Jahren dokumentieren sie zehn Gebäudekomplexe einschließlich 20 Ladenfronten im Stadtviertel um das Stabiae-Tor.
Die Archäologen untersuchen ein altes Restaurantviertel von Pompeji
Dort ballten sich seit dem vierten Jahrhundert eine Menge Geschäfte, Schnellimbisse und Restaurants. Genau dort entdeckten die Forscher von heute zu ihrer Überraschung die Reste einer metzgerisch tadellos aufbereiteten Giraffenkeule.
„Es handelt sich um den einzigen Giraffenknochen, der je auf dem Gebiet des römischen Reichs ausgegraben worden ist“, teilte jetzt Steven Ellis, Professor im amerikanischen Cincinnati, bei einem Archäologenkongresses in den USA mit. Was ihn fast noch mehr verwundert: Das Ding steckte nicht dort, wo die Reichen der Stadt Pompeji lebten, sondern „in einem ganz normalen Restaurant“. Gleich daneben fanden sich Reste von Seeigeln und von Gewürzen, die ihren Ursprung in Indonesien haben. Ellis schließt daraus, dass „selbst Römer, die nicht zur Elite gehörten, einen ansehnlichen, abwechslungsreichen Speiseplan und einen höheren Lebensstandard hatten“, als man sich gemeinhin vorstelle. Er sieht darin auch einen weiteren Beleg für einen ausgedehnten Fernhandel mit exotischen und wilden Tieren.
Die Unterklasse des Römischen Reichs lebte besser als vermutet
Steven Ellis findet, dass nach diesen Funden die überkommene Vorstellung, dass die römische Unterklasse gelebt habe, „wie ein Haufen unglücklicher Lemminge, die nahmen, was sie kriegen konnten“, abgelöst werden müsse. Zumindest die städtische Unter- und Mittelklasse in Pompeji habe offensichtlich über einen weitaus höheren Lebensstandard verfügt.
Die Forscher um Ellis wollen mit ihren Ausgrabungen dokumentieren, wie städtische Römer zwischen dem sechsten Jahrhundert vor Christus und dem Jahr des Untergangs von Pompeji gelebt haben, welche Beziehungen zueinander bestanden und wie groß oder klein die Unterschiede zwischen den jeweiligen Nachbarn waren.
Es geht den Forschern um den Alltag der Römer, die nicht zur Elite gehörten. Und mit seinen jüngsten Funden ist er diesem Ziel deutlich nähergekommen, findet Ellis. Das Ausgrabungsprojekt wird aber noch aus einem anderen Grund von der Fachwelt interessiert verfolgt: Statt aufwendiger Papierdokumentationen setzen die Archäologen Tablet-Computer ein, um ihre Funde genau zu dokumentieren und gleich in eine Datenbank einzufügen.
Bleibt zu hoffen, dass die Römer wenigstens ihren Giraffenbraten nicht mit dem „Garum“ übergossen haben, dem allgegenwärtigen Ketchup von damals, hergestellt aus den Innereien von Fischen, die man unter Salz und Sonne reifen ließ und die schon dem großen Naturforscher Plinius zufolge „nach nichts anderem schmeckte als nach Verwesung“. (mit deh)