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Die EU-Bürger werden zur Zeitumstellung befragt.
© imago/blickwinkel

Die EU lässt abstimmen: Sind Sie für oder gegen die Sommerzeit?

Lange Sommerabende einerseits, gestörter Biorhythmus andererseits: Die Europäer werden zur Zeitumstellung befragt. Worum es geht und wie man mitmacht.

Das Thema polarisiert, die Meinungsgrenze verläuft quer durch Freundeskreise, Büros und Familien, diskutiert wird erbittert, und kaum jemand ist bereit, seine Meinung dazu in Frage zu stellen oder gar zu ändern: Bist du für oder gegen die zweimalige Zeitumstellung im Jahr? Bist du für oder gegen die Sommerzeit? Wird dein Biorhythmus durcheinander gewirbelt oder nimmst du die zunächst gestohlene und später geschenkte Stunde auf die leichte Schulter? Genießt du Sommerabende, an denen die Dämmerung kurz vor 23 Uhr hereinbricht oder leidest du mit kleinen Kindern (und deren Eltern!) die im Frühjahr wie im Herbst mindestens eine Woche brauchen, um ihre Schlafgewohnheiten den Lichtverhältnissen anzupassen? Und wie beurteilst du die Lage der Kühe?

Das sind seit 4. Juli auch die Bürger der EU gefragt. In einer „öffentlichen Konsultation“ (hier geht es zur Abstimmung) fordert die Europäische Kommission Privatpersonen wie Interessengruppen dazu auf, ihr Meinung zu sagen. „Soll die Sommerzeit beibehalten werden?“, lautet die Frage, auf die in den ersten drei Tagen mehr als 500.000 und nach drei Wochen rund eine Million Menschen eine Antwort gegeben haben. Über den aktuellen Stand allerdings, vier Tage bevor die Befragung endet, gibt es keine Zahlen. Die sollen veröffentlicht werden, wenn die „Konsultation der Öffentlichkeit“ am 16. August ihre digitalen Pforten schließt.

„Es handelt sich nicht um ein Referendum, sondern um eine Konsultation“, stellt eine Kommissionssprecherin im Gespräch mit dem Tagesspiegel klar. Das heißt: Es geht um ein Meinungsbild, das in den Entscheidungsprozess der EUKommission zum Thema Sommerzeit einfließen soll. Es ist ausdrücklich keine Abstimmung – darauf wird Wert gelegt. Es geht vielmehr darum, herauszufinden, was die Bürger wollen. Einige Mitgliedstaaten haben das strittige Thema in diesem Jahr auf die Tagesordnung gehoben. Finnland zum Beispiel fordert die Abschaffung der halbjährlichen Zeitumstellung. Auch Litauen will darüber diskutieren, wie den regionalen und geografischen Unterschieden auf dem Kontinent inklusive Vereinigtem Königreich Rechnung getragen werden kann.

Auf dem Prüfstand

Weil also offensichtlich Gesprächsbedarf herrscht, beauftragte das Europäische Parlament die Kommission im Februar, die entsprechende Richtlinie auf den aktuellen Stand zu bringen, sozusagen ein „Sommerzeit Update“ durchzuführen. Die Richtlinie namens 2000/84/EG – beschlossen am 19. Januar 2001 – steht deshalb auf dem Prüfstand. Unter einer Prämisse: „Auch nach der Abschaffung der halbjährlichen Zeitumstellung muss unbedingt eine einheitliche EU-Zeitregelung beibehalten werden.“

Der Grund ist nachvollziehbar. Würden in Europa die Uhren nicht einheitlich ticken, könnte man nicht nur den Binnenmarkt vergessen. Ob grenzüberschreitender Handel, Verkehr, Kommunikation und Tourismus – all das funktioniert nur, wenn die europäischen Nachbarn ihre jeweilige Zeit angleichen. Und so wird die Kommission nach Auswertung aller Gutachten, aller Stellungnahmen von Lobbyisten und der Befragung unter den EU-Bürgern zwischen zwei Alternativen entscheiden: Entweder für „die Beibehaltung der bisherigen EU-Sommerzeitregelung“ nach den Bestimmungen der erwähnten Richtlinie oder, zweitens, für „die Abschaffung der derzeitigen halbjährlichen Zeitumstellung in allen Mitgliedstaaten“.

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Mit anderen Worten: Entweder, alles bleibt wie es ist – oder europaweit wird die Zeitumstellung abgeschafft. Letzteres heißt allerdings nicht automatisch, dass künftig in Deutschland permanent Winterzeit herrscht. In der Bürgerbefragung wird nämlich – neben der grundsätzlichen Frage – durchaus differenzierter sondiert: Wie die persönliche Erfahrung mit der zweimaligen Zeitumstellung im Jahr sei, gehört ebenso zum Fragenkatalog, wie die Option, sich bei einer Abschaffung der Zeitumstellung für eine dauerhafte Sommerzeit zu entscheiden. Oder eben für eine permanente Winterzeit. Schließlich handelt es sich um ein hochemotionales Thema – und der Staat greift mit der verordneten Zeitverschiebung Ende März und Ende Oktober (2018 in der Nacht vom 27. zum 28.) direkt in das Privatleben seiner Bürger ein.

Statistische Ergebnisse der EU-Umfrage – wie viele Menschen aus welchen Ländern haben mitgemacht? – sollen in wenigen Wochen vorliegen. Der politische Meinungsbildungsprozess wird dagegen noch eine Weile dauern. Dafür, so die Kommissionssprecherin, gebe es keinen Zeitplan. Angesichts der sowieso existierenden drei europäischen Zeitzonen: Westeuropäische Zeit oder mittlere Greenwich-Zeit (MGZ), mitteleuropäische Zeit (MGZ+1) und osteuropäische Zeit (MGZ+2) ist vermutlich vor allem wichtig, dass jeder es irgendwann erfährt.

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