Panorama: Sie bekommen ihr Fett weg
In den USA formieren sich Gegner der Gänsestopfleber – und haben Didier Durands Bistro verwüstet
Es ist ein Glaubensstreit, und er spaltet sogar die Riege der besten amerikanischen Köche. Der Kalifornier Thomas Keller, über dessen New Yorker „Per Se" drei Michelin-Sterne funkeln, möchte Gänsestopfleber seinen Gästen auch weiterhin anbieten. Charlie Trotter, der vermutlich ebenfalls drei Sterne hätte, wenn es sie in seiner Heimatstadt Chicago gäbe, winkt ab: Er könne die Praktiken der Stopflebererzeugung nicht länger unterstützen, ließ er verlauten – und lieferte sich einen Schlagabtausch mit seinem berühmten Kollegen Rick Tramonto, der ihn einen Heuchler nannte. Trotter ist auf der sicheren Seite, denn das vom Chicagoer Stadtrat verhängte Verbot, Stopfleber („Foie Gras") zu servieren, tritt am 22. August in Kraft.
Chicago geht in dieser Frage politisch korrekt vor. Kalifornien hat ebenfalls ein Verbot erlassen, das aber erst 2012 wirksam wird; Philadelphia plant Ähnliches, und in Illinois, Massachusetts und New York gab es erste Anläufe. Dies sind in erster Linie Erfolge der aggressiv vorgehenden US-Tierschutzorganisationen, die im Stopfen von Geflügel ein öffentlichkeitsträchtiges Äquivalent zum Robbenerschlagen sehen: Der Franzose Didier Durand, der in Chicago „Cyrano’s Bistro“ betreibt und sich gegen das Verbot ausgesprochen hatte, fand sein Restaurant im vergangenen Jahr eines Morgens verwüstet vor. „Die Hintermänner sind nicht gegen Stopfleber“, unkt Ariane Daguin, deren Firma „D’Artagnan“ der größte Foie-Gras-Händler des Landes ist, „sie sind dagegen, dass überhaupt Geflügel, Fleisch und Fisch gegessen werden. Hummer und Kaninchen sind das nächste Ziel.“
Die Erzeuger von Gänsestopfleber sind ebenso wie die betroffenen Küchenchefs vor allem ein leichtes Ziel: Drei Farmen gibt es in den USA, und die Zahl der einschlägigen Chicagoer Restaurants wird auf nicht mehr als ein gutes Dutzend geschätzt. Allerdings kommt der Löwenanteil der in den USA verarbeiteten Lebern nach wie vor aus Frankreich, Ungarn, Kanada und Israel.
Stopfleber von Gänsen und Enten ist nach wie vor ein zentrales Thema der weltweit verbreiteten, französisch inspirierten Gourmetküche. Kaum ein Restaurant, das an hohen Auszeichnungen interessiert ist, kann sich den Verzicht erlauben. Der zarte Schmelz einer sorgfältig zubereiteten Pastete, eines roh marinierten oder kurz in der Pfanne gebratenen frischen Leberstücks ist den Fans viel Geld wert; der nussig-süße Geschmack und der zarte Biss guter Qualitätsware sind durch Einsatz normaler Geflügelleber kaum zu erreichen
Doch wie sehr leiden die Tiere unter der Stopfprozedur? Sie werden ab einem Alter von zwölf Wochen dreimal täglich mit einem Getreidebrei gefüttert, der mit einem Metalltrichter in ihren von Natur aus elastischen Schlund gestopft wird. Das geht so zwei bis vier Wochen, dann wird geschlachtet. „Unseren Gänsen macht das Spaß!“ tönen vor allem die französischen Bauern, und sie verweisen auf die natürliche Herkunft der Methode: Schon die Ägypter der Antike wussten, dass sich Gänse für den Vogelzug ein Fettdepot in der Leber anlegen – insofern ist zumindest klar, dass die erzwungene Fettleber keine Krankheit ist und nichts mit der krankhaft geschrumpften Säuferleber beim Menschen zu tun hat.
Bis zum Stopfen haben die Tiere ein ökologisch vorbildliches Leben, wie es keinem Käfighuhn zuteil wird. Die Stopfprozedur selbst sieht brutal aus. Brutal? „Unangemessene Vermenschlichung“, sagen die Erzeuger, und sie verweisen auf die US-Tierärztevereinigung, die das Stopfen für unbedenklich erklärt hat. Die Deutschen haben schon lange eine doppelzüngige Sonderregelung gefunden: Hier ist die Produktion von Stopfleber verboten, der Import aber nicht.
Am Ende könnte es aber auch der Stilwandel der amerikanischen Küche sein, der das Problem verschwinden lässt. Die klassisch französische Küche, die ohne Foie Gras kaum auskommt, verliert in den USA zunehmend an Boden. Denn neue Stars wie Jeffrey Grana in Miami brauchen sie nicht, weil sie ihr kulinarisches Ziel in der Besinnung auf authentisch amerikanische Produkte, Vegetarisches und regional beeinflusste, kreative Rezepte sehen – das ist auch der Weg, den Charlie Trotter zunehmend geht. In Chicago zuckt Bürgermeister Richard Daley nur die Schultern über den Beschluss seines Stadtrats: „Wir haben Kinder, die von Gangbossen und Drogendealern ermordet werden", sagte er der „Sun-Times“, „wir haben echte Probleme. Und da streiten wir uns über Gänseleber? Lasst uns Prioritäten setzen.“
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