Der Fall Jeffrey Epstein: Sexualstraftäter in bester Gesellschaft
Der New Yorker Milliardär war mit Donald Trump befreundet und kannte Bill Clinton. Die Anklage gegen ihn könnte auch in Washington Konsequenzen haben.
Das Erschreckende ist: Es geschah nicht im Verborgenen. Was Jeffrey Epstein, der schwerreiche Geschäftsmann aus New York mit allerbesten Verbindungen, über Jahre getrieben hat, in seiner gigantischen, siebenstöckigen Villa in Manhattans Upper East Side, in Palm Beach oder auf seiner karibischen Privatinsel Little St. James, muss so manchem klar gewesen sein.
Sein Privatjet, eine Boeing 727, mit der er nicht nur minderjährige Mädchen, sondern auch Prominente wie Ex-Präsident Bill Clinton, Prinz Andrew, Schauspieler Kevin Spacey und den heutigen US-Präsidenten Donald Trump durch die Welt flog, war unter dem Namen "Lolita Express" bekannt.
In seinen Gästebädern in Palm Beach soll Epstein Seifen in Form von Genitalien ausliegen gehabt haben. Und auch in Manhattan, dem Anwesen, das am Samstag vom FBI auf den Kopf gestellt wurde, soll es Bilder nackter junger Mädchen gegeben haben. Es war kein Geheimnis. Es wurde nur vertuscht, beschwichtigt, verharmlost.
Damit soll es nun vorbei sein. Jeffrey Epstein wurde am Samstagabend am Teterboro Flughafen im US-Bundesstaat New Jersey festgenommen, als er gerade aus seinem Privatjet stieg, nach einem ausgedehnten Frankreich-Urlaub. Die Staatsanwaltschaft in New York wirft ihm vor, Dutzende minderjährige Mädchen missbraucht zu haben.
Der heute 66-Jährige habe zwischen 2002 und 2005 in New York und Florida einen illegalen Sexhandelsring aufgebaut, heißt es in der Anklageschrift. Einige der Mädchen seien erst 14 Jahre alt gewesen, mit großen Summen Bargeld angelockt und dazu verleitet worden, weitere Mädchen heranzuschaffen.
Epstein plädierte bei einem Gerichtstermin am Montag auf nicht schuldig. Am Donnerstag soll er erneut vor Gericht erscheinen. Die Staatsanwaltschaft geht von einem hohen Fluchtrisiko aus und fordert, dass der Milliardär bis zu einem möglichen Prozessbeginn hinter Gittern bleiben soll. Ihm droht die Höchststrafe von 45 Jahren Gefängnis.
Seit 2008 ist er als Sexualstraftäter registriert
Die Festnahme hat eingeschlagen, nicht nur in New York, sondern auch im politischen Washington. Denn es ist nicht die erste Festnahme Epsteins, und seine einstige Nähe zu gleich zwei Präsidenten, die beide auch mit Sexskandalen in Verbindung gebracht werden, bietet allerhand Stoff für Spekulationen.
Schon 2008 bekannte sich der Investmentbanker schuldig, Klienten mit minderjährigen Prostituierten versorgt zu haben. Dafür wurde er damals zu einer Gefängnisstrafe von lediglich 13 Monaten verurteilt. Er stimmte zu, sich in ein lebenslang gültiges Register für Sexualstraftäter einzutragen. Seine Strafe durfte er in einer Art offenem Vollzug absitzen: Er musste nur sechs Tage die Woche im Gefängnis schlafen und konnte tagsüber seiner Arbeit nachgehen. Mit diesem Deal entging Epstein einer Anklage wegen sexuellen Missbrauchs und einer potenziell lebenslangen Haftstrafe.
Den von vielen als skandalös bezeichneten Deal ausgehandelt hat damals der zuständige Staatsanwalt in Florida, Alexander Acosta. Acosta ist heute Arbeitsminister im Kabinett von Präsident Trump - und sich keiner Schuld bewusst. Auf Twitter erklärte er nach der Festnahme Epsteins: "Die Verbrechen, die Epstein begangen hat, sind schrecklich, und ich bin froh, dass die New Yorker Ermittler den Fall aufgrund neuer Beweise wieder aufgenommen haben." Er habe damals getan, was möglich gewesen sei, um "Epstein zur Rechenschaft zu ziehen".
Trump distanziert sich
Die oppositionellen Demokraten sind empört. Epstein hätte schon vor Jahren im Gefängnis sitzen können, wenn Acosta als damaliger Staatsanwalt in Florida nicht den Deal mit ihm vereinbart hätte, erklärte der demokratische Fraktionschef im Senat, Chuck Schumer, am Dienstag. Zuvor hatte auch die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, den Rücktritt Acostas gefordert.
Doch der hat - zumindest noch - die Rückendeckung von oberster Stelle: Trump erklärte, Acosta sei ein "exzellenter" Minister, der in den vergangenen zweieinhalb Jahren einen "fantastischen" Job gemacht habe. Auch habe er gehört, dass nicht nur Acosta in die damalige Entscheidung eingebunden gewesen sei, sondern viele Personen. Zugleich versuchte Trump, sich von Epstein zu distanzieren. Er habe sich vor langer Zeit mit ihm überworfen und sei auch gar kein Fan von ihm gewesen. Man kannte sich halt.
Epstein spottete über seinen Deal
Allerdings gibt es da dieses Interview mit dem "New York Magazine" aus dem Jahr 2002, als der damalige New Yorker Immobilienunternehmer Trump Epstein nicht nur als "großartigen Typ" bezeichnete, sondern andeutete, über dessen Vorlieben Bescheid zu wissen: "Es wird sogar erzählt, dass er schöne Frauen genauso mag wie ich. Und viele von denen sind eher von der jüngeren Sorte." 2016 wurde Trump selbst von einer Frau verklagt, die ihn beschuldigte, sie als 13-Jährige in Epsteins New Yorker Villa vergewaltigt zu haben. Trump bestritt die Vorwürfe.
Epstein selbst zog sein Schuldbekenntnis 2011 in der "New York Post" ins Lächerliche: "Ich bin kein Sexmonster, ich bin ein Sexualstraftäter (...) Das ist wie der Unterschied zwischen einem Mörder und einer Person, die einen Bagel stiehlt." Er muss sich sehr sicher gefühlt haben. Immerhin ging es ja so viele Jahre gut, auch wenn nach Florida wie Trump viele Prominente auf Distanz gingen.
Dass die New Yorker Staatsanwaltschaft die Ermittlungen überhaupt wieder aufgenommen hat, liegt vor allem an den Recherchen der Reporterin Julie K. Brown, die der "Miami Herald" im November 2018 veröffentlichte. Die heute erwachsenen Opfer hoffen nun darauf, dass sie doch noch vor Gericht gegen Epstein aussagen können. So erklärte Sarah Ransome, die nach eigenen Angaben zwischen 2006 und 2007 für sexuelle Handlungen von Epstein angeworben worden war, am Montag: "Die heutige Nachricht von der Verhaftung des Mannes, der mich missbraucht hat, ist ein Schritt in die richtige Richtung, um Epstein endlich für seine Verbrechen zur Verantwortung zu ziehen. Damit wird mein Glaube wiederhergestellt, dass Macht und Geld nicht über Gerechtigkeit triumphieren können."
Juliane Schäuble