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Findet sich plötzlich in einem härteren Film wieder. Selena Gomez (rechts) in Polizeifesseln mit Vanessa Hudgens, Ashley Benson und Rachel Korine in „Spring Breakers“.
© dpa

Spring Breakers: Selena Gomez wagt den Abschied vom braven Mädchen

Die Disney-Schauspielerin Selena Gomez kannte man bisher als nettes Mädchen von nebenan. Nun wagt sie ihren Imagewechsel mit der Partysatire „Spring Breakers“. Doch bei der Neufindung holpert es.

„Schaut diesen Film nicht!“ Teeniestar Selena Gomez hat ihre jungen Fans in mehreren Interviews davor gewarnt, sich ihren neuesten Streifen „Spring Breakers“ anzuschauen. Das mag ein cleverer PR-Gag sein, denn so werden natürlich noch mehr Jugendliche in die Kinos strömen, um das Verbot ihres Idols zu brechen. Doch warum gibt die Exfreundin von Popstar Justin Bieber ihren Anhängern überhaupt so eine seltsame Empfehlung?

Die 20-jährige Schauspielerin und Sängerin ist – wie Britney Spears und Justin Timberlake – mit braven Disney-Produktionen bekannt geworden. Auch heute noch entspricht Gomez äußerlich dem Kindchenschema. Partyexzesse überlässt sie anderen Stars, schließlich stammt sie aus einer tief katholischen Familie. Weshalb sie im Alter von 12 Jahren auch einen Keuschheitsring von ihren Eltern geschenkt bekam, ein in den USA recht weit verbreitetes Accessoire, das symbolisch für den Schwur junger Christen steht, bis zur Ehe sexuell enthaltsam zu leben. Und das Schlimmste, was sie je getan hat, ist laut eigener Aussage der Diebstahl eines Lippenpflegestiftes als Kind. „Das hat mich total fertig gemacht“, beichtet sie im Interview mit einem US-Onlinemagazin.

Selena Gomez ist das nette Mädchen von nebenan. Zumindest war das ihr Ruf, bis „Spring Breakers“ kam. Darin spielt sie das Mauerblümchen Faith, das dank schlechtem Einfluss beginnt, Alkohol zu trinken, zu kiffen und sich auf ebenso knappe wie unchristliche Weise zu kleiden. Nachdem ihre drei besten Freundinnen ein Restaurant überfallen und ausgeraubt haben, fährt Faith mit ihnen nach Florida, um in die Spring-Break-Partywelt einzutauchen. Jeden Frühling treffen sich dort Tausende feierwütige Jugendliche zu orgiastischen Reigen mit Komasaufen, Koks und wahllosem Kopulieren.

Der Undergroundregisseur Harmony Korine glorifiziert diesen geistlosen Hedonismus nur scheinbar. Tatsächlich ist sein Film eine Art trojanisches Pferd, mit dem er in die Popkultur eindringt, um sie von innen mit ihren eigenen Waffen anzugreifen. Bei vielen Kritikern kam dieses Konzept ziemlich gut an. So mancher Zuschauer dürfte dabei in die Falle gehen und den Film für eine Hymne auf die Spring-Break-Partys halten, während Korine eigentlich einen Abgesang darauf bietet. Dass er die unschuldige Selena Gomez für die Hauptrolle seiner von Sex und Gewalt überschäumenden Mediensatire gewinnen konnte, ist Korines größter Coup. Er macht sich einen großen Spaß daraus, das reinliche Disney-Image seiner Hauptdarstellerin mit Dreck zu beschmieren.

Die oft naiv wirkende Selena Gomez geht ihm dabei keineswegs auf den Leim, sondern agiert mit vollem Kalkül. Anders als mancher Disney-Star vor ihr betreibt sie ihren Imagewandel auf der Leinwand statt in Kneipen, Clubs und fremden Betten. „Komplett befreiend“ habe der Film auf sie gewirkt, erzählt Gomez in einem Interview. „Das waren die ersten Dreharbeiten ohne meine Mutter.“ Demnächst wird sie noch einen Gastauftritt im Horrorfilm „Aftershock“ haben, hinter dem Eli Roth steckt, Regisseur der sadistischen Folterfilmreihe „Hostel“.

Die Neufindung holpert ein wenig.

Ein Kinderstar wird erwachsen. Selena Gomez bei den Kids Choice Awards in Los Angeles.
Ein Kinderstar wird erwachsen. Selena Gomez bei den Kids Choice Awards in Los Angeles.
© REUTERS

Klingt nach Emanzipation vom Bild der artigen Kindfrau. Allerdings holpert es bei ihrer Neuerfindung. Denn so richtig reicht „Spring Breakers“ doch nicht, um aus ihr ein böses Mädchen zu machen. Faith ist nämlich die erste, die Florida verlässt. Ganz ihrem schon im Namen mitklingenden Glauben entsprechend, ist Faith moralisch empört und verängstigt von jener Gangsterunterwelt, in die ihre Freundinnen langsam abtauchen. „Du musst superhart beten!“ An diese Empfehlung ihres Bibelkreises erinnert sich Faith und schafft so noch rechtzeitig den Absprung, bevor die übrigen drei Mädchen in Bandenkriege und flotte Dreier verwickelt werden.

Für die Schauspielerin Selena Gomez ist das eine Art Sicherheitsnetz. Mit ihrem zentralen, aber recht kurzen Auftritt in „Spring Breakers“ wagt sie lediglich einen Miniabsturz, während ihre Kolleginnen aufs Ganze gehen und wirklich ihren Ruf riskieren. Ja, in den puritanischen USA gelten auch schon Halbnacktheit und der Alkoholkonsum Minderjähriger als verdorben. Aber anders als ihre Kostars lässt Gomez die Finger von Koks, Männern und Maschinengewehren.

Die Rolle von Vanessa Hudgens, ebenfalls ein ehemaliges Disney-Girl, ist da deutlich konsequenter. Gegenüber der „New York Times“ erklärte sie: „Ich will die Leute schockieren.“ Das funktioniert auch, obwohl der Name Candy vielleicht anderes vermuten lässt. Hudgens spielt in lesbischen Szenen mit, steckt einem Gangster seine eigene Knarre in den Mund und hantiert selbst mit Sturmgewehren, bevor sie sich eine pinkfarbene Strumpfmaske überzieht und mehrere Leute auf einer Party abknallt. Vor ein paar Tagen hat Hudgens zudem ein an „Spring Breakers“ angelehntes Lied mit dem Titel „$$$ex“ veröffentlicht, in dem sie mit Obszönitäten und Schimpfwörtern um sich wirft.

In der Filmdatenbank IMDB findet sich ein von Nutzern erstellter „Elternratgeber“ zu „Spring Breakers“, der zweieinhalb Seiten lang ist und die als höchst bedenklich angesehenen Stellen des Films zusammenfasst. Auch die Seite „Parent Previews“ verleiht dem Werk die Schulnote Vier in den Kategorien Sex, Gewalt, Drogenkonsum und Schimpfwörter. Den verantwortlichen Redakteur Rod Gustafson motiviert das sogar zu einer Warnung vor dem verderblichen Einfluss der Filmkultur an sich: „Mütter, lasst Eure Babys nicht Schauspieler werden!“ Ungeachtet dessen, dass der Film eine Satire ist.

Martin Gobbin

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