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YS Laurent
© AFP

Yves Saint Laurent: Seine Liebe hüllte die Frauen ein

Er war wohl der bedeutendste und gleichzeitig fragilste Designer des 20. Jahrhunderts. Kein Modedesigner hat sie so gut verstanden wie er – Yves Saint Laurent, der große Meister, ist tot.

Es war tragisch, dass er sich als Modedesigner nicht auf ein introvertiertes Künstlerdasein zurückziehen konnte. Sein Ausdruckswille war gepaart mit einer krankhaften Schüchternheit, die er immer wieder überwand, weil die Zurschaustellung das Wichtigste in der Mode ist. Dieser Öffentlichkeit war er nie gewachsen. Bei einer Preisverleihung für sein Lebenswerk in Amerika, da war er schon im Ruhestand, war es für den Betrachter kaum auszuhalten, welche Höllenqualen Yves Saint Laurent litt, als er auf einer Bühne seine Dankesrede hielt. Man spürte, da steht ein geradezu krankhaft schüchterner Exhibitionist, der sich gleichzeitig seiner Stellung bewusst ist und zeigen will, dass er sich als Modeschöpfer nicht selbst überlebt hat, immer noch über ein sicheres Urteil verfügt.

Yves Saint Laurent, der große Meister der Mode, starb am Sonntag im Alter von 71 Jahren in Paris. Er hat wie kein anderer Designer den Wandel der Mode im 20. Jahrhundert bestimmt. Schon in den Glückwünschen zu seinem 70. Geburtstag am 8. August 2006 klang die Trauer darüber durch, das es wohl nie wieder so einen Modedesigner geben würde, der alle sechs Monate die Welt in Staunen versetzt. So überhöhte er die Mode, indem er 1965 die abstrakte Kunst von Piet Mondrian als Muster auf Kleider druckte. Er holte die Mode in den Alltag, indem er die Hose zu einem Kleidungsstück für die Frau etablierte. Und er erfand sie völlig neu: Wie mit dem Smoking für die Frau, die darin noch weiblicher aussah. Dieses Kunststück gelang ihm auch mit weich geschnittenen Anzügen, die Frauen für die moderne Arbeitswelt rüsteten, ohne sie dabei wie ihre männliche Konkurrenz aussehen zu lassen. All das waren Revolutionen, sie drückten ihrer Zeit den Stempel auf, und alle waren mit diesem Namen verbunden.

1971 ließ er sich für ein Parfum-Werbemotiv nackt ablichten. Was für eine Provokation. Damals. Ein nackter Mann. Und dazu noch der Designer selbst als Model, die Rollen seines Fachs völlig vertauschend.

Yves Saint Laurent wusste, was er zu tun hatte: „Meine einfache Aufgabe als Designer ist es, Kleidung zu machen, die die Zeit reflektiert“, sagte er einmal.

Mit dieser einfachen Regel schafft es der 1936 im algerischen Oran Geborene in kürzester Zeit zum „Petite Prince“ von Dior. Als Yves Saint Laurent mit 17 Jahren in Paris ankommt, hält er sich nicht lange mit studentischer Selbstfindung auf – schnell langweilt er sich an der Modeschule des „Chambre Syndicale de la Couture“, wo er den Beruf des Modezeichners erlernen soll. Schließlich hat er im fernen Algerien schon als 11-Jähriger die Kleider seiner Mutter entworfen.

Als er einen Wettbewerb des Internationalen Wollsekretariat gewinnt, engagiert ihn Christian Dior, der damals wichtigste Couturier von Paris, kurzerhand als seinen Assistenten. Mit Diors Tod, 1958, findet sich der schlaksige Mann mit der großen Hornbrille plötzlich in der Rolle des Chefdesigners wieder und erst als die Moderedakteurinnen bei der Präsentation seiner Trapez-Kollektion vor Rührung in Tränen ausbrechen, ist er sich seiner Sache sicher: Seine Mode wird die Welt verändern.

Dass Yves Saint Laurent ein gefährdetes Genie ist, zeigt sich zwei Jahre später zum ersten Mal: Er wird zum Militärdienst eingezogen und nach nur wenigen Tagen erleidet der Hochsensible seinen ersten Nervenzusammenbruch. Er wird in eine Nervenheilanstalt eingewiesen und mit Elektroschocks behandelt.

Dass das Modehaus Dior seinem Chefdesigner daraufhin kündigt, hält den geschäftstüchtigen Pierre Bergé, den Yves Saint Laurent auf Diors Beerdigung kennen lernt, nicht davon ab, auf das Talent seines Freundes und Liebhabers zu setzen: Er holt ihn aus der Heilanstalt heraus und gründet 1961 mit ihm ein eigenes Couturehaus.

Ab da ist Pierre Bergé immer an seiner Seite – auch nachdem die beiden schon längst kein Paar mehr sind. Ohne Bergé hätte es Yves Saint Laurent wohl nicht geschafft, seine Mode 40 Jahre lang immer wieder neu zu definieren, die Öffentlichkeit zu schockieren und zu überraschen: Mit transparenten Blusen, durch die blanke Brüste schimmern, oder der Eröffnung seiner Rive-Gauche-Boutique im Jahr 1966. Dort wurden keine handgefertigen Couturekleider, sondern bezahlbare Kleidung von der Stange verkauft. Zu seinen Kundinnen gehören Stilikonen wie Catherine Deneuve, Paloma Picasso, Lauren Bacall und Marie-Hélène de Rotschild. Immer sitzen sie in der ersten Reihe bei seinen Modenschauen.

Nachdem er sich mit einem verschämten Lächeln auf dem Laufsteg bedankt hat, verschwindet er aber gerade in den letzten Jahren seines Schaffens nicht, um mit seinen treuen Anhängerinnen zu feiern. Dafür ist keine Kraft mehr: Nach jeder Saison ist der Designer für sechs Wochen ein Wrack, das Pierre Bergé aufpäppeln muss.

Erst 2002, da ist er 68 Jahre alt, lädt er zu seiner letzten Schau. Wie schon bei seiner ersten, fließen reichlich Tränen, diesmal weil eine Ära zu Ende gegangen ist.

Das wissen auch Pierre Bergé und Yves Saint Laurent, mit dem Abschied geben die beiden Gründung eines Museums bekannt. Hier werden nun der legendäre Smoking und das Mondriankleid als zeitgeschichtliche Dokumente gezeigt.

Yves Saint Laurent will im Ruhestand endlich Schönheit genießen, sich nicht mehr von ihr quälen lassen: Er verbringt die meiste Zeit in seiner 600 Quadratmeter großen Pariser Wohnung, die er sich mit einer französischen Bulldogge teilt, die wie alle ihr Vorgängerinnen Moujik heißt. Die Wohnung ist gefüllt mit Antiquitäten und Kunst der Klassischen Moderne, unter anderem von Picasso und Braque.

Auch ohne den aktiven Yves Saint Laurent lebte seine Modemarke weiter. Seit gut vier Jahren ist nun der Italiener Stefano Pilati verantwortlich für das Design, er macht seine Sache gut, seine Kollektionen bekommen von Saison zu Saison bessere Kritiken. In Stefano Pilati hat Yves Saint Laurent schon deshalb einen würdigen Nachfolger gefunden, weil der viel Zeit im Archiv verbringt und immer wieder die wichtigsten Stilelemente des Meisters zitiert. So lebt das Werk des großen Meisters fort – auch wenn er Revolutionen jetzt anderen überlassen muss.

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