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Vor einigen Tagen gab es selbst im südlichen Apulien reichlich Schnee. Viele Kinder konnten nicht zur Schule gehen. Die Klassenräume waren zu kalt.
© Raffaele Pontrandolfo/AFP

Italien: Schulunterricht mit Decke und Daunenjacke

In Italien sind viele Schulen geschlossen – wegen der Kältewelle, kaputter Heizungen und der Bürokratie. Die Menschen sind empört.

Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi wollte endlich einmal alles richtig machen. Angesichts der Wetterprognosen, die für den Schulbeginn nach den Festtagen auch in der Ewigen Stadt Temperaturen von deutlich unter dem Gefrierpunkt voraussagten, ordnete Raggi an, dass die Heizungen der rund 2000 Schulhäuser und Kinderkrippen Roms bereits 24 Stunden früher als geplant – also schon am Samstag statt am Sonntag – in Betrieb genommen werden. Auf dass Roms Schulkinder – die Bürgermeisterin hat selber einen siebenjährigen Sohn – am Montag vergangener Woche wohlig vorgeheizte Klassenräume vorfinden sollten.

Doch wie vieles, das die unglücklich agierende Bürgermeisterin bisher angepackt hat, geriet auch die Aktion „scuole calde“ („warme Schulen“) zum Flop. Denn die Heizungen der meisten Schulhäuser waren von der ungewöhnlich tiefen Temperaturen bis minus fünf Grad ganz einfach überfordert.

Viele Anlagen schwächelten, in 62 Fällen sprangen sie überhaupt nicht an, weil die Leitungen zu den Radiatoren eingefroren waren. Laut der nationalen Schulleiter-Vereinigung wurde in einem Drittel aller Schulhäuser Roms die für den Unterricht vorgeschriebene Mindesttemperatur von 18 Grad nicht erreicht – in vielen Klassenzimmern zeigte das Thermometer keine zehn Grad an.

Wie in einem Basislager am Mount Everest

Je nach herrschenden Temperaturen in den Klassenräumen und je nach Temperament der Lehrer entschieden sich zahlreiche Schulen, die Mädchen und Jungen gleich wieder nach Hause zu schicken. Diejenigen Klassen wiederum, die der Kälte trotzten, wirkten wie Skischulen: Die Schüler saßen eingepackt in Daunenjacken, Wollmützen, Halstüchern, Handschuhen und Schneestiefeln an ihren Bänken, zum Teil zusätzlich eingemummelt in dicke Wolldecken. Auch das Outfit der Lehrerinnen und Lehrer erinnerte eher an Bilder aus dem Basislager des Mount Everest als an Schulunterricht in Mitteleuropa. Viele Lehrkräfte unterbrachen die Lektionen immer wieder für Gymnastikübungen zum Aufwärmen.

"Ein Drittweltland"

Polemiken konnten da nicht ausbleiben. „Was sind denn das für Zustände? Wir sind doch hier nicht in einem Drittweltland“, ereiferte sich zum Beispiel die Mutter eines Schülers des Tasso-Gymnasiums im noblen Wohnquartier Trieste. Die Verbraucherschutz-Organisation Codacons verklagte die Stadtbehörden wegen „Unterbrechung einer öffentlichen Dienstleistung“. Der Schulbesuch sei ein Recht.

Auch viele Schüler protestierten. An zahlreichen Gymnasien traten die Schüler in einen Sitzstreik. Im großen Julius-Cäsar-Gymnasium war nicht nur die Heizung defekt, sondern es gab wegen eines Rohrleitungsbruchs infolge Vereisung auch kein fließendes Wasser mehr – und damit auch keine Toilettenspülung für die 1500 Schüler.

Insgesamt konnten in ganz Italien tausende von Klassen den Unterricht nur mit Verzögerung aufnehmen – besonders im Süden. In Apulien wurde die Minimal-Temperatur von 18 Grad in 80 Prozent der Schulen nicht erreicht. Auch in Rom sind immer noch etliche Klassen geschlossen.

Keine Mittel gegen Kältewelle

In Italiens Hauptstadt und in den üblicherweise milden Gefilden Apuliens, Siziliens und Kalabriens sind die Schulen – aber auch die meisten anderen öffentlichen Gebäude – ganz einfach nicht eingerichtet für eine derartige Kältewelle, wie sie derzeit ganz Süd- und Südosteuropa erlebt.

Schuld am Desaster sind nicht nur die eisigen Temperaturen, sondern auch behördliche Schlamperei und Bürokratie-Wahnsinn. Zum einen hapert es beim Unterhalt an den meist über 25 Jahre alten Heizungsanlagen. Zum anderen dürfen die Schulleiter keinen Monteur bestellen, wenn die Heizung kaputt ist. Denn das fällt in die Zuständigkeit der Provinzen (die von der Regierung Renzi abgeschafft wurden, aber fröhlich weiter existieren). Der Schulleiter muss also den Schaden der Provinz melden – in der meist vergeblichen Hoffnung, dass jemand sich bewegt. In Rom haben mehrere Schulleiter ihren privaten Heizungsmonteur kommen lassen – und anschließend bei den Eltern Geld gesammelt, um die Rechnung bezahlen zu können.

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