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Buckelwal vor eisiger Landschaft: Die Buckelwale sind fast immer unterwegs. Ihr Weg führt sie von ihren Fressgebieten rund um die beiden Pole zur Fortpflanzung in tropische Gewässer und wieder zurück. Auf dem Foto ist gut zu erkennen, dass die Haut des Furchenwals mit Hunderten Seepocken besetzt ist. Die kleinen Krebse haften sich an die Wale an und gelangen so in Gebiete, in denen es auch für sie ausreichend Nahrung gibt.
© Michael Poliza/WWF

Meeresschutz: Russland verhindert Schutzgebiete in der Antarktis

Verhandlungen der Kommission für die Erhaltung der lebenden Meeresschätze in der Antarktis (CCAMLR) in Bremerhaven sind gescheitert. Russland stellt die Zuständigkeit des Gremiums in Frage.

Die Beratungen über die Einrichtung des größten Meeresschutzgebietes der Welt im Südpolarmeer sind am Dienstag ergebnislos abgebrochen worden. Walter Dübner, Leiter der deutschen Verhandlungsdelegation in der Kommission für die Erhaltung der lebenden Meeresschätze in der Antarktis (CCAMLR), sagte dem Tagesspiegel: „Wir hatten natürlich mehr erwartet.“ Die Verhandlungen sind an Russland und der Ukraine gescheitert. Anstatt über die Substanz der Schutzgebietsanträge zu diskutieren, stellte Russland infrage, ob die CCAMLR überhaupt Meeresschutzgebiete ausweisen darf. „Damit hat niemand gerechnet“, sagte Dübner. Denn 2009 hatte Russland der Ausweisung eines Schutzgebiets rund um die Orkney-Inseln bereits selbst zugestimmt.

Zwei Schutzgebiete im Rossmeer und an der Ostantarktis sollten ausgewiesen werden

Stefan Hein hat beschlossen, das Positive zu sehen. „Wir haben bei dieser Konferenz eine Menge gelernt“, sagt der Leiter der Stabstelle Umweltpolitik des Alfred-Wegener-Instituts für Meeresforschung. Da war die Sonderkonferenz der Kommission für die Erhaltung der lebenden Meeresschätze in der Antarktis (CCAMLR) gerade ergebnislos zu Ende gegangen. Eigentlich hatte die Bundesregierung die 24 Vertragsstaaten und die Europäische Union nach Bremerhaven eingeladen, um die zwei größten Meeresschutzgebiete der Welt zu beschließen. Die USA und Neuseeland hatten beantragt, das Rossmeer unter Schutz zu stellen, und Australien, Frankreich sowie die EU hatten verlangt, sieben Gebiete entlang der Ostküste der Antarktis dauerhaft zu schützen. Ein Beschluss in der regulären Sitzung der CCAMLR im vergangenen Herbst war an Russland, China und Norwegen gescheitert. Doch die meisten Staaten sind in der Erwartung nach Bremerhaven gereist, dass es diesmal gelingen würde, 2,3 Millionen Quadratkilometer im Rossmeer und 1,6 Millionen Quadratkilometer an der Ostantarktis unter dauerhaften Schutz zu stellen. „Die meisten sind guten Willens gewesen“, sagt Britta König von der Umweltstiftung WWF. Doch Russland stellte in Frage, ob die Kommission überhaupt Schutzgebiete ausweisen darf – und überraschte damit alle.

Stefan Hein jedenfalls findet, dass Deutschland bei der Erarbeitung eines weiteren Schutzgebietsvorschlags für das Weddellmeer aus Scheitern der Konferenz in Bremerhaven Konsequenzen ableiten kann. „Wir müssen mehr Daten auch anderer Länder einbeziehen, und werden das auch tun“, sagte er dem Tagesspiegel. Im Herbst 2014 könnte dann ein weiterer Schutzgebietsantrag auf dem Tisch liegen. Und womöglich gelingt es ja, Russland bei der regulären CCAMLR-Sitzung im Oktober in Hobart davon zu überzeugen, seine Blockadehaltung aufzugeben. Walter Dübner, Leiter der deutschen Delegation, ist jedenfalls erleichtert, „dass es zumindest gelungen ist, weiterzuverhandeln“.

Am Montagabend hatte es so ausgesehen, als wären die Verhandlungen komplett gescheitert. Auf Einsicht in Moskau hofft auch Henning von Nordheim vom Bundesamt für Naturschutz (BfN). Schließlich habe Russland die Ausweisung eines Meeresschutzgebiets rund um die Orkney-Inseln im Jahr 2009 mitbeschlossen, und habe zudem dem Beschluss von 2011 mitgetragen, ein ganzes Netz von Meeresschutzgebieten zu schaffen. Dass Russland die CCAMLR nun plötzlich nicht mehr für zuständig hält und darüberhinaus auch erst noch eine allgemeine Definition darüber verlangt, was ein Meeresschutzgebiet überhaupt ist, findet er „überraschend“. Zumal Russland auch zu den Vertragsstaaten der Konvention über die biologische Vielfalt (CBD) gehört, die eigentlich schon für 2012 beschlossen hatte, zehn Prozent der Ozeane unter Naturschutz zu stellen. Nachdem das Ziel nicht erreicht wurde, hat die CBD die Frist auf 2020 verlängert.

Umweltschützer hätten sich ein Signal für den Meeresschutz erhofft

Iris Menn von Greenpeace findet es besonders schade, dass von der CCAMLR nun „kein Signal für Meeresschutzgebiete auf hoher See an die Vereinten Nationen“ ausgehen wird. Denn dort arbeitet derzeit eine Arbeitsgruppe daran, die rechtlichen Grundlagen für Meeresschutzgebiete im Rahmen der global gültigen Seerechtsabkommen zu erarbeiten.

„Nach zwei Jahren Vorbereitung und obwohl Russland dieses Treffen zur Beilegung wissenschaftlicher Bedenken hinsichtlich der Schutzvorschläge für das Rossmeer und die Ostantarktis beantragt hat, verlassen die Mitglieder von CCAMLR Bremerhaven nun mit leeren Händen“, ärgert sich Steve Campbell, Direktor der Antarctic Ocean Alliance. Mehr als 1,3 Millionen Menschen haben sich weltweit dem Aufruf der AOA angeschlossen, im Südpolarmeer rund um die Antarktis ein Netzwerk von Meeresschutzgebieten einzurichten. „Wir haben eine entscheidende Gelegenheit verpasst, einige der unberührtesten Meeresgebiete der Erde unter Schutz zu stellen – zum Schaden des Ökosystems und der Weltgemeinschaft“, sagt Andrea Kavanagh, Direktorin des Southern Ocean Sanctuaries-Projektes der Pew Charitable Trusts.

Doch bei aller Enttäuschung setzt die deutsche Delegation ebenso wie die Umweltschützer darauf, dass bei der nächsten CCAMLR-Sitzung mehr erreicht werden kann. Schließlich beherbergt das Südpolarmeer mit rund 10 000 Arten einen großen Schatz. Die Meeresströmungen aus der Antarktis versorgen den Atlantik bis in die Tropen mit Nährstoffen. „Das Südpolarmeer hat Bedeutung für die ganze Welt“, argumentiert die AOA.

Dagmar Dehmer

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