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Die Menschen in St. Petersburg trauern um die Opfer des Absturzes auf dem Sinai.
© AFP

Absturz auf dem Sinai: Russische Ermittler: Maschine brach in der Luft auseinander

Das auf dem Sinai abgestürzte Flugzeug ist in der Luft auseinandergebrochen, sagen russische Ermittler. Für Schlüsse über die Ursache sei es aber zu früh.

Das Passagierflugzeug ist nach Angaben russischer Ermittler schon in der Luft auseinandergebrochen. Die Trümmer des Airbus seien anschließend über ein weites Gebiet zerstreut worden, sagte Viktor Sorotschenko vom russischen Zwischenstaatlichen Luftfahrtkomitee (MAK) am Sonntag laut der Nachrichtenagentur RIA-Nowosti. Es sei aber noch „zu früh, um Schlüsse zu ziehen“.

Bisher weise nichts, so ein Sprecher der Ermittlungsbehörde, auf einen Abschuss durch Terroristen hin. Samstag hatte ein ägyptischer IS-Ableger die Verantwortung dafür übernommen und den Anschlag mit Russlands Militäroperationen in Syrien erklärt.

Nicht nur Moskau hat massive Zweifel an dieser Darstellung und glaubt an eine perfide PR-Aktion der Dschihadisten. Dem englischsprachigen TV-Sender „Russia today“ sagte ein britischer Luftfahrtexperte, der IS habe keine Waffen, um Flugzeuge in derartigen Höhen abzuschießen. Der Airbus flog zum Zeitpunkt der Katastrophe in einem Höhenkorridor von 9000 – 12000 Metern.

Die russische Trikolore weht auf halbmast, Theater haben ihr Programm umgestellt, sogar Schlager-Radiosender demonstrieren Trauer um die Toten der Flugzeugkatastrophe. Die Musikredakteure haben in Sonderschichten den Sendeablauf „den Umständen angepasst“, wie einer der Zunft sagt und dazu Titel ausgegraben, die im Archiv schon jahrelang den ewigen Schlaf schliefen: Getragenes, Melancholisches, Nachdenkliches.

Es ist das bislang schwerste Unglück in der Geschichte der zivilen russischen Luftfahrt. Die Russen behaupten gern von sich, sie seien ähnlich krisengefestigt wie die Israelis. Durch Schicksalsschläge gefestigt sind die Russen in der Tat. Auf Terroranschläge, U-Boot-Unglücke und Naturkatastrophen reagiert die Nation mit einer gewissen Ruhe: „Schlimm, schlimm, aber unser aller Leben ist in Gottes Hand“, hört man in der Metro und beim Warten an den Kassen im Supermarkt. So war es auch diesmal.

In den Kirchen von St. Petersburg beteten Priester wie in ganz Russland für das Seelenheil der Opfer.

Das taten sie nicht nur in ganz Russland, sondern auch in der Ukraine. Vor der russischen Botschaft in Kiew entzündeten die Menschen spontan Kerzen, legten Blumen und Plüschteddys nieder. Viele davon haben selbst gemalte Spruchbänder um den Hals. „Wir sind in Gedanken bei Euch“ steht darauf geschrieben. oder „Eure Trauer ist auch unsere Trauer“.

Kritische Blogger wettern gegen Putin

Tamara Schipkowa kann sich in die Angehörigen gut hineinversetzen. Tochter, Schwiegersohn und deren vierjährigen Zwillinge seien derzeit ebenfalls in Ägypten. In Hurghada am Roten Meer. Täglich skypen sie. „Mittwoch kommen sie zurück. So Gott will“, sagt die Grundschullehrerin und bekreuzigt sich. „Erst dann werde ich wieder ruhig schlafen können“.

Sie hat Angst, die Glastüren im Ankunftsterminal könnten sich nicht öffnen und der Flug Hurghada-Moskau-Scheremetjewo kurz nach der geplanten Landung von der Anzeigentafel verschwinden. So wie Samstag auf dem Petersburger Flughafen Pulkowo der Flug Nr. 9268 von Scharm el Scheich. Die Bilder der Wartenden – einige brachen nach der Schreckensnachricht vor laufender Kamera des Staatsfernsehens zusammen – werde sie nie vergessen können, sagt Tamara Schipkowa.

175 der insgesamt 224 Opfer – sieben Besatzungsmitglieder und 217 Passagiere, darunter siebzehn Kinder – hatten die Rettungsmannschaften bis Sonntagmittag auf dem Sinai geborgen.

Experten des russischen Ministeriums für Katastrophenschutz waren schon kurz nach Bekanntwerden des Unglücks mit Spezialtechnik und drei Flugzeugen zum Ort der Katastrophe gestartet, um die Opfer zurück nach Russland zu fliegen. Katastrophenschutzminister Wladimir Putschkow koordiniert die Bergungsarbeiten am Ort, Auch Verkehrsminister Maxim Sokolow ist auf dem Sinai. Ihn hatte Regierungschef Dmitri Medwedew zum Leiter der Regierungskommission ernannt, die Hergang und Ursachen der Katastrophe untersuchen soll.

Die Ermittlungsbehörde bei der russischen Generalstaatsanwaltschaft hat ein Verfahren wegen „Verstoßes gegen Regeln der Flugsicherheit oder der Flugvorbereitung“ eingeleitet. Fahnder hatten am Samstag die Räume der Fluggesellschaft Kogalymavia durchsucht. Ihr gehört die Unglücksmaschine: ein Airbus des Typs A-321, der seit über 18 Jahren in Betrieb ist und mehrfach den Besitzer wechselte. Sowohl eine Sprecherin der Airline als auch Wartungskräfte auf dem Flughafen von Scharm el Scheich werden von russischen Medien mit den Worten zitiert, der Airbus sei vor dem Start gecheckt worden und in technisch einwandfreiem Zustand gewesen, der Pilot sei erfahren gewesen. Er hätte insgesamt 12000 Flugstunden absolviert, einen Großteil davon auf dem Airbus A-321. Alle Maschinen dieses Typs, die Kogalymavia in Betrieb hat, dürfen bis auf weiteres nicht starten.

Nach Angaben der amtlichen russischen Nachrichtenagentur TASS ist die Unglücksmaschine seit Mai 1997 in Betrieb und wechselte mehrmals den Besitzer. Erster Eigentümer war die libanesische MEA, von der kaufte sie die türkische Onur Air, von dieser dann der Staatscarrier Saudi Arabian Airlines, danach stand sie in Diensten der syrischen Cham Wings Airline. 2012 wurde sie von der russischen Fluggesellschaft Kogalymavia übernommen. sie hat ihren Sitz in Westsibirien und wird vor allem von Reiseveranstaltern für Ferienflüge gechartert.

Kritische Blogger wettern gegen Wladimir Putin, der sich nur ein förmliches Beileid abrang. In Stunden wie diesen, schreibt einer, brauche Russland keinen Herrscher, sondern einen Vater. Die Massen sehen das offenbar anders. Bei einer interaktiven Abstimmung von Radio Echo Moskwy, an der sich bisher fast 25000 Hörer beteiligten, fanden 62 Prozent, der Kremlchef habe auch diesmal alles richtig gemacht. (mit AFP)

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