Raumforschung: Raketeneinschlag auf dem Mond
Die Nasa sucht mit ihrem ungewöhnlichen Experiment Wassereis auf dem Erdtrabanten.
Darf man jubeln, wenn eine Rakete einschlägt? Ja, solange dabei niemand zu Schaden kommt und die Aktion einen Nutzen hat, der größer ist als die entstehende Staubwolke. Insofern mussten die Zuschauer, die gestern dem Raketenexperiment der US-Raumfahrtbehörde Nasa applaudierten, kein schlechtes Gewissen haben. Mit einer außergewöhnlichen Versuchsanordnung wollten die Forscher endgültig beweisen, dass es auf dem Mond größere Vorkommen an Wasser gibt. Dazu ließen sie eine zwei Tonnen schwere Raketenspitze gezielt auf den Erdtrabanten stürzen. Dabei sollte nicht nur tonnenweise Mondgestein aufgewirbelt werden, sondern auch Wassereis, das seit langem in tiefen Mondkratern vermutet wird.
„Wir haben den Aufschlag gesehen, und wir haben alle Daten, die wir brauchen“, sagte Anthony Colaprete von der Nasa gestern Nachmittag. „Aber wir können jetzt noch nichts über die Existenz von Wasser sagen.“
Um 13.35 Uhr unserer Zeit war das ungewöhnliche Experiment zu Ende gegangen. Die Oberstufe einer Rakete, die im Juni zwei Forschungssonden zum Mond katapultiert hatte, schlug in einem Krater namens „Cabeus A“ ein. Mit einer Geschwindigkeit von 9000 Kilometern pro Stunde bohrte sich das Geschoss in den Himmelskörper und schleuderte umliegendes Material nach oben. In diesem Moment kam bereits die Sonde LCROSS (Lunar Crater Observation and Sensing Satellite) angesaust. Nachdem sie wochenlang mit der Oberstufe verbunden war, hatten sie die Techniker am Freitagmorgen von ferne getrennt und etwas gebremst. So flog sie mit vier Minuten Verspätung dem Riesenprojektil hinterher und konnte das Werk seiner Zerstörung genau verfolgen.
Mehrere Kameras und Sensoren an Bord der Sonde LCROSS analysierten das aufgewirbelte Material. Umgehend wurden die Daten zur Erde gefunkt, denn der Kontakt sollte bald abbrechen. Tatsächlich, gut vier Minuten nach der Oberstufe donnerte auch das fliegende Messlabor auf die Mondoberfläche.
Das Spektakel sollte sogar mit Amateurteleskopen von der Erde aus zu beobachten sein, hatte die Nasa angekündigt. Doch von der vorhergesagten Wolke war wenig zu sehen. Es sei enttäuschend gewesen, berichteten Augenzeugen von der „Moon-Party“ im Griffith-Observatorium Los Angeles. In Europa war es für Beobachtungen sowieso zu hell.
Weitaus besser war die Stimmung bei der Nasa. „Die Forscher haben sich sofort auf die Daten gestürzt“, sagte Chefwissenschaftler Anthony Colaprete. Neben der Sonde LCROSS haben auch hoch spezialisierte Observatorien in Arizona und Hawaii mit ihren Messgeräten das Geschehen verfolgt. Sogar das Weltraumteleskop „Hubble“ nahm den Krater Cabeus A ins Visier. Dass die Rakete ausgerechnet dort in der Nähe des lunaren Südpols zum Einschlag gebracht wurde, ist kein Zufall. Fest stand: Wenn es nennenswerte Mengen an Wasser auf dem Mond gibt, dann in Form von Eis am Boden tiefer Krater. Dort, wo niemals die Sonne hinscheint und das Wasser vorm Verdunsten geschützt ist. Mehrere Mondsonden hatten bereits Hinweise auf Eisvorkommen geliefert. Als besonders vielversprechend erschien dabei Cabeus A.
„Wenn es dort wirklich Wasser gibt, wäre das ein großer Erfolg“, sagt Wilfried Tost vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin. Die bemannte Raumfahrt würde wesentlich erleichtert. „Die Astronauten müssten das Wasser zum Trinken und Waschen nicht von der Erde importieren“, sagt er. Denn das ist extrem teuer. Für jedes Kilogramm Fracht, das mit Raketenkraft aus dem Schwerefeld der Erde herausgeschossen wird, muss man mit Kosten von rund 40 000 Euro rechnen.
„Mithilfe von Sonnenlicht könnte man das Wasser chemisch aufspalten und so Wasserstoff und Sauerstoff gewinnen“, fügt Tost hinzu. Die Gase könnten einmal als Treibstoff für Raumschiffe genutzt werden, die vom Mond aus andere Planeten ansteuern. Denn der Start ist dort vergleichsweise einfach. Die Schwerkraft, die überwunden werden muss, ist nur ein Sechstel so groß wie auf der Erde.
Aber noch ist das Zukunftsmusik. Schon die Rückkehr von Astronauten zum Mond scheint die Nasa beinahe zu überfordern. Um wie geplant bis 2020 dort zu landen, müssten jährlich drei Milliarden Dollar extra investiert werden, ergab unlängst ein Gutachten. Nun wartet die Behörde auf ein Machtwort des Präsidenten Barack Obama.