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David Duchovny: Putin-Propaganda durch Bierwerbung?

Wie sich der US-Schauspieler David Duchovny ("Californication") ausgerechnet jetzt im russisch-ukrainischen Geflecht seiner Vorfahren verhedderte. Mit einer Bierwerbung.

Gut möglich, dass David Duchovny seine Entscheidung im Nachhinein für eine Schnapsidee hält. Getroffen aber hat er sie nachweislich nüchtern, denn der russische Reklamefilm, der dem US-Schauspieler derzeit jede Menge Kritik einbringt, wirbt für die alkoholfreie Variante einer beliebten russischen Biermarke.

Hierzulande kennt man Duchovny vor allem durch seine Auftritte als Geheimagent Fox Mulder in der Mystery-Serie „Akte X“ sowie als drogen- und sexsüchtigen Schriftsteller Hank Moody in der Serie „Californication“. Weniger bekannt ist Duchovnys Familiengeschichte: Mütterlicherseits stammen die Vorfahren des Schauspielers aus Schottland, während seine jüdischen Großeltern, denen er seinen Nachnamen verdankt, aus Polen und der Ukraine nach Amerika emigrierten. Es waren diese Familienwurzeln, die den russischen Filmemacher Michail Lokschin bewogen, Duchovny die Hauptrolle in einem Werbespot für die Biermarke „Sibirskaja Korona“ (Krone Sibiriens) anzutragen.

Gedreht wurde der aufwendig produzierte Film im Mai. Da Werbung für alkoholische Getränke, auch für alkoholfreies Bier, in Russland weder im Fernsehen noch im Kino ausgestrahlt werden darf, ist der zweieinhalbminütige Clip fürs russischsprachige Internet konzipiert, wo er sich über Videokanäle und soziale Medien innerhalb kurzer Zeit weit verbreitete.

Im Film flaniert zu Beginn ein nachdenklicher Duchovny durch eine amerikanische Straßenlandschaft. „Es gibt da ein anderes Land“, sinniert er. „Das Land, aus dem ich meinen Familiennamen habe. Und manchmal frage ich mich, wie es wäre, wenn die Dinge anders gelaufen wären – was, wenn ich Russe wäre?“

In der Folge träumt sich Duchovny in ein russisches Paralleluniversum hinein, in dem er sich nacheinander in einen Kosmonauten, einen Ballett-Choreografen, einen Eishockeyspieler, einen Polarforscher und den Sänger einer russischen Rockband verwandelt. In Nebenepisoden spaziert Duchovny träumerisch durch russische Wald- und Steppenlandschaften, singt am Steuer eines Jeeps mit Freunden sentimentale Lieder, stürmt in Unterhose aus einer Banja und springt zur Abkühlung in einen See. Es wäre gar nicht so schlecht, Russe zu sein, resümiert Duchovny ganz am Ende des Clips – bevor er den Zuschauern mit einem Glas „Sibirskaja Korona“ zuprostet: „Auf euch! Ihr habt vieles, worauf ihr stolz sein könnt!“

Mit seiner Taiga- und Raumfahrer-Romantik greift der Film nicht nur Russlandklischees auf, die im Westen generell positiv besetzt sind, er zitiert außerdem in unzähligen kleinen Nebenverweisen Kulturphänomene, die vielen Russen lieb und teuer sind. Wären die Zeiten andere, hätte der im Grunde liebenswert gemachte Clip vermutlich auch im Westen keine nennenswerten Irritationen ausgelöst. Vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise sieht das freilich ein bisschen anders aus.

Als der Werbefilm kurz nach seiner Veröffentlichung auch in Duchovnys amerikanischer Heimat die Runde machte, hagelte es prompt Kritik. Das US-Nachrichtenportal globalpost.com sprach von einer „schlecht getimten, nationalistischen“ Werbung, in Online-Kommentaren reichte die Beschimpfungsskala von „fehlender Sensibilität“ bis hin zu „Putin-Propaganda“. Zusätzliches Öl ins Feuer gegossen hatte Duchovny bereits im April – also noch vor Drehbeginn des Werbespots und unter dem Eindruck der gerade zwei Wochen zurückliegenden Krim-Annektierung – mit einer Twitter-Wortmeldung: „Ich bin in dem Glauben aufgewachsen, dass ich Russe bin, nur um kürzlich festzustellen, dass ich die ganze Zeit Ukrainer war. Es ist nie zu spät, sich zu ändern.“ Dass Duchovny dieses unerwartete Nationalbekenntnis bereits wenig später mit seinem Russland-Spot wieder zu dementieren schien, nahmen ihm nun auch Kommentatoren in der Ukraine übel. „Entscheide dich endlich!“, hallte es dem Schauspieler aus zahlreichen Wortmeldungen im Netz entgegen. Ein ukrainischer Blogger spottete gar, Duchovny werde nach Gerard Dépardieu nun wohl der zweite Putin-Fan, dem für sein propagandistisches Engagement die russische Staatsbürgerschaft verliehen werde. Gleichzeitig wurden auch in Russland Stimmen laut, die Duchovny vorwarfen, er lasse sich erst als Russe bezahlen, um dann plötzlich Ukrainer zu werden, sobald es die politische Stimmung gebiete. Die Wirtschaftszeitung „Wedomosti“ schätzte, dass von den anderthalb Millionen Dollar, die der Werbefilm gekostet haben soll, etwa zwei Drittel als Gage an Duchovny gegangen sind.

Duchovny gab eine schriftliche Stellungnahme ab

Duchovny selbst, der sich offenbar zur Entschuldigung genötigt sah, hat über sein Management inzwischen folgende Stellungnahme verbreiten lassen: „Ich bin stolz auf mein russisches, ukrainisches, schottisches und polnisches Erbe, so wie ich stolz auf mein amerikanisches Erbe bin. Aber Stolz auf die Familienherkunft ist kein politisches Bekenntnis zu irgendeiner gegenwärtigen Regierung oder zu politischen Linien. Im Rückblick und im Licht der jüngsten tragischen Ereignisse sehe ich das Potenzial für Missverständnisse und hoffe, die Menschen werden mich verstehen.“

Vielleicht wäre Duchovny wirklich besser Kosmonaut geworden – dann wäre ihm der ganze Ärger erspart geblieben. Die traurige Moral der Geschichte dürfte jedoch eher darin liegen, dass in der Familiengeschichte des Schauspielers genau jene komplexen russisch-ukrainischen Widersprüche enthalten sind, an denen sich die gegenwärtige Krise entzündet hat – und die Duchovny wohl erst durch die Krise wirklich bewusst geworden sind. Einen kleinen Hinweis darauf gibt im Werbefilm ein Kindergedicht des Schriftstellers Wladimir Orlow, das Duchovny auf Russisch rezitiert: „Ich habe herausgefunden / Dass ich eine große Familie habe“, heißt es darin. „Der Pfad, das Wäldchen / Jedes Ährlein im Feld / Das Flüsschen, der Himmel über mir / All das ist mir verwandt.“

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