„Gefährliche und verharmloste Droge": Polizeigewerkschaften warnen mögliche Ampel-Koalition vor Cannabis-Legalisierung
Die Polizei hat die Unterhändler einer Ampel-Koalition vor einer Legalisierung von Cannabis gewarnt. Aber auch eine medizinische Studie erkennt die psychischen Risiken.
Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Malchow, sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, es mache keinen Sinn, neben dem legalen, aber gefährlichen Alkohol die Tür für eine weitere „gefährliche und oft verharmloste“ Droge zu öffnen. „Es muss endlich Schluss damit sein, den Joint schönzureden“, sagte er. Gerade bei Jugendlichen könne der Konsum von Cannabis zu erheblichen Gesundheitsproblemen und sozialen Konflikten führen.
Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, sagte der Zeitung, Cannabis sei nicht nur eine gefährliche Einstiegsdroge, sondern wegen der Unkontrollierbarkeit der Zusammensetzung insbesondere für junge Menschen eine Gefahr. Vor allem im Straßenverkehr befürchtet Wendt fatale Folgen: „Wenn demnächst auch noch Bekiffte am Straßenverkehr teilnehmen, bekommen wir ein Problem.“ Schon jetzt komme es wegen Cannabis-Konsums immer wieder zu Unfällen mit unschuldigen Verletzten; die Kontrolle durch die Polizei sei völlig unzureichend.
Regelmäßiger Cannabis-Konsum sei gerade bei Jugendlichen und Heranwachsenden sehr gefährlich, erklärt auch Rainer Thomasius, Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE). Eine kürzlich vorgelegte Studie habe mithilfe bildgebender Verfahren bei Menschen und Experimenten an Mäusen gezeigt, dass die Entwicklung des Gehirns unter dem Einfluss des Cannabis-Wirkstoffs THC Schaden nehme.
Die Folge seien nicht nur verminderte Intelligenz, Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit. Auch die Gefahr, an einer Psychose zu erkranken, erhöhe sich, und zwar um den Faktor 3,2, bei starkem Konsum von Cannabis mit einem Wirkstoffgehalt von über zehn Prozent sogar um den Faktor 4,8. Das habe eine 2019 in der Fachzeitschrift „The Lancet Psychiatry“ veröffentlichte Studie gezeigt.
Eine Untersuchung aus Ulm habe ergeben, dass sich die Zahl der stationären Behandlungsfälle wegen psychotischer Störungen durch Cannabis-Konsum in der dortigen psychiatrischen Universitätsklinik zwischen 2011 und 2019 verachtfacht habe. „Das ist schon sehr beeindruckend“, sagte Thomasius. Es sei aber auch die einzige Studie zu dem Thema, die er aus Deutschland kenne.
Polizeistatistiken aus Ländern, in denen der Cannabis-Konsum legal sei wie in einigen US-Staaten, deuteten auf eine Zunahme von Gewaltdelikten im Zusammenhang mit der Droge hin, so Thomasius. Es sei jedoch unklar, wie seriös diese Statistiken unter diesem Gesichtspunkt seien.
Die Zahl der Cannabis-Konsumenten in Europa ist nach einer neuen Studie zwischen 2010 und 2019 um ein Viertel gewachsen. Auch der besonders riskante tägliche oder fast tägliche Konsum habe zugenommen, fanden Forscher des Zentrums für interdisziplinäre Suchtforschung am UKE und der Technischen Universität Dresden heraus. Die Wissenschaftler werteten öffentlich zugängliche Daten aus der EU, Großbritannien, Norwegen und der Türkei aus.
FDP und Grüne sind für eine Legalisierung von Cannabis und einen „Verkauf in lizenzierten Fachgeschäften“. Eine „Entkriminalisierung“ könnte beiden Parteien zufolge auch weniger Ressourcen bei Polizei und Justiz binden und den Schwarzmarkt austrocknen. Die Freien Demokraten sehen dadurch mögliche Steuereinnahmen von bis zu einer Milliarde Euro - Geld, das in Suchtprävention und Behandlung gesteckt werden könnte. Die SPD hingegen befürwortet eine „regulierte Abgabe“ an Erwachsene zunächst in Modellprojekten, die mit Präventions- und Beratungsangeboten begleitet werden. (dpa)