zum Hauptinhalt
39 Leichen fand die Polizei in diesem Kühllaster. Inzwischen gehen die Ermittler davon aus, dass alle Vietnamesen waren.
© Stefan Rousseau/PA Wire/dpa
Update

Leichenfund in Essex: Polizei geht davon aus, dass alle Opfer aus Vietnam stammten

39 Menschen waren tot in einem Lkw nahe London entdeckt worden. 28 Familien aus Vietnam meldeten Angehörige als vermisst.

Nach dem Fund von 39 Leichen in einem Lastwagen nahe London geht die Polizei davon aus, dass alle Opfer aus Vietnam stammen. Das teilte der stellvertretende Polizeichef von Essex, Tim Smith, am Freitagabend mit. „In diesem Moment nehmen wir an, dass alle Opfer vietnamesische Bürger sind, wir stehen deswegen in Kontakt mit der vietnamesischen Regierung.“

Hilferufe per Handynachricht aus dem Laster

„Wir stehen in direktem Kontakt mit mehreren Familien in Vietnam und Großbritannien, und wir glauben, einige Familien den Opfern zugeordnet zu haben, deren Reise in einer Tragödie an unseren Ufern endete“, sagte Smith laut Erklärung. Nach örtlichen vietnamesischen Medienberichten haben bis zu 28 Familien in den zentralen Provinzen Ha Tinh und Nghe An Angehörige als vermisst gemeldet.

Britischen Medien zufolge hatten mehrere mutmaßliche Opfer mit Handynachrichten aus dem Lastwagen ihre Familien in Vietnam kontaktiert. Sie sollen teils Zehntausende Euro an Menschenhändler gezahlt haben, um nach Großbritannien gebracht zu werden. Eine Frau in Vietnam sagte der BBC, sie habe keinen Kontakt zu ihrer Tochter gehabt, seit diese ihr am Tag vor dem Leichenfund geschrieben habe, dass sie ersticke.

In Vietnam waren am Freitag im Zusammenhang mit dem Fall zwei Menschen festgenommen worden. Nähere Angaben machten die Behörden zunächst nicht. Zuvor waren bereits mehrere Personen unter dem Verdacht des Menschenschmuggels festgenommen worden. Allerdings ging es dabei um Menschenschmuggel in die USA und nach Taiwan.

Regierung in Hanoi hofft auf britische Ermittler

Die Regierung in Hanoi reagierte „tieftraurig“ auf die Meldungen über vietnamesische Opfer. „Wir hoffen, dass die britische Seite ihre Untersuchungen bald abgeschlossen haben wird und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zieht“, teilte eine Sprecherin des Außenministeriums am Samstag mit.

„Schockiert von dieser Tragödie“: Das schrieb Premier Boris Johnson in das Kondolenzbuch der Stadt Thurrock.
„Schockiert von dieser Tragödie“: Das schrieb Premier Boris Johnson in das Kondolenzbuch der Stadt Thurrock.
© Stefan Rousseau/PA Wire/dpa

Inzwischen wurde in Irland ein weiterer Verdächtiger festgenommen worden. Sicherheitskräfte vollstreckten am Freitag einen europäischen Haftbefehl gegen einen 23-Jährigen, wie die britische Polizei mitteilte. Die Behörde kündigte an, die Auslieferung des Verdächtigen zu beantragen, der aus dem britischen Nordirland stammt. Ihm werden Totschlag in 39 Fällen sowie Menschenhandel und Einwanderungsvergehen vorgeworfen. Zudem forderte die Polizei zwei verdächtige und ebenfalls aus Nordirland stammende Brüder auf, sich den Behörden zu stellen.

Fahrer des Wagens angeklagt

„Wir brauchen Sie, um diese Untersuchung zu unterstützen“, sagte Chefinspektor Daniel Stoten von der Polizei der Grafschaft Essex in der nordirischen Hauptstadt Belfast an die Männer gerichtet. Die Polizei habe mit dem älteren Bruder telefoniert. Nähere Angaben zu dem Gespräch machte Stoten nicht. Es sei aber unerlässlich, die 40 und 34 Jahre alten Männer persönlich zu verhören.

Die Brüder betreiben ein Transportunternehmen in der nordirischen Stadt Armagh. Sie werden wegen Totschlags und Menschenhandels gesucht, nachdem am 23. Oktober die Leichen von 31 Männern und 8 Frauen in einem Kühllaster entdeckt worden waren.

Der Fahrer des Wagens, ein 25-jähriger Nordire, wurde bereits wegen Totschlags in 39 Fällen, Beteiligung an Menschenhandel, Beihilfe zur illegalen Einwanderung sowie Geldwäsche angeklagt. Drei weitere Verdächtige kamen gegen Kaution frei.

Die Zugmaschine des Lastwagens, in dem die Leichen gefunden wurden, war aus Irland gekommen. Der Auflieger wurde per Schiff über den belgischen Hafen Zeebrugge in den englischen Hafen Purfleet gebracht. (dpa)

Zur Startseite