Horror-Haus in Kalifornien: Polizei befreit 13 unterernährte Kinder und Erwachsene
Die Polizei nimmt die Eltern der unterernährten, teilweise gefesselten Geschwister fest. Ein Kind konnte mit einem Handy die Rettungskräfte alarmieren.
Das Haus in der Muir Woods Road kam den Nachbarn schon immer etwas merkwürdig vor. Die Familie Turpin, die dort wohnte, hatte viele Kinder, die man aber nur selten auf der Straße sah. Und wenn sie einmal draußen waren, dann zu seltsamen Zeiten wie spät am Abend. Die Kinder wirkten bleich und sagten wenig. Jetzt ist ans Tageslicht gekommen, was sich in dem Haus in der Muir Woods Road abgespielt hat – und ganz Amerika ist entsetzt.
Der Schock sitzt auch deshalb so tief, weil das Haus der Turpins in der Stadt Perrin, rund 100 Kilometer südöstlich von Los Angeles, so normal wirkt: ein hellbrauner Bungalow im so genannten „Ranch-Style“ mit großer Garage und vier Autos in der Einfahrt. Dass man in den vergangenen Jahren nicht viel von den Turpin-Kindern sah, nahmen die Nachbarn mit einem Schulterzucken hin.
Ganz in der Nähe der Turpins wohnt der 32-jährige Gary Stein, der vor einige Monaten eine merkwürdige Szene beobachtete. Einige Turpin-Kinder mähten in der Dunkelheit den Rasen; kurz zuvor hatten die örtlichen Behörden mit Strafen gegen Anwohner gedroht, die ihre Gärten nicht ordentlich pflegten. „Ich dachte noch, dass das seltsam ist“, sagte Stein den Zeitungsreportern, die seit dem Wochenende das Haus der Turpins belagern. „Aber ich bin jemand, der seine Nase nicht in anderer Leute Angelegenheiten steckt.“
Eine 17-jährige Tochter fand ein Handy und wählte die Notrufnummer
Am Sonntagmorgen um sechs Uhr wurde schließlich klar, was im Haus mit der Nummer 160 in der Muir Woods Road vor sich ging. Eine 17-jährige Tochter des Ehepaares fand irgendwo in dem Bungalow ein Handy und wählte die Notrufnummer. Was das Kind der Polizei erzählte, schockte sogar erfahrene Beamte: Sie selbst und zwölf weitere Kinder der Turpins würden in dem Haus gefangen gehalten.
Als die Polizei kurz darauf das Haus durchsuchte, fand sie 13 ausgemergelte Kinder und Erwachsene im Alter von zwei bis 29 Jahren in verdunkelten Zimmern, von denen einige mit Ketten an ihre Betten gefesselt waren. Sie bettelten um Wasser und Nahrung, in den Zimmern stank es nach Fäkalien. Die Polizisten glaubten zunächst, nur Minderjährige vor sich zu haben, so abgemagert, bleich und schwach waren selbst die sieben Geiseln im Erwachsenenalter. Das 17-jährige Mädchen, das die Polizei gerufen hatte, sah aus wie zehn. Alle kamen wegen Unterernährung in medizinische Behandlung. Es sei „unglaublich“, was den Kindern angetan worden sei, sagte ein Krankenhauschef der Nachrichtenagentur Reuters.
Louise Anna Turpin, 49, und David Turpin, 57, wurden festgenommen, weil sie den Beamten keinen „logischen Grund“ dafür nennen konnten, warum sie so mit ihren Kindern umgegangen sind, lautet die trockene Erklärung im Polizeibericht. Mit der hohen Kaution von jeweils neun Millionen Dollar wollen die Behörden sicherstellen, dass die beiden Eheleute zunächst einmal hinter Gittern bleiben: Der Strafvorwurf gegen sie lautet auf Folter und Gefährdung des Kindeswohls.
Wie lange die Kinder wie Gefangene gehalten wurden, ist nicht bekannt. Laut Medienberichten besuchten die Turpins zuletzt im Oktober 2015 zusammen mit ihren Kindern die so genannte „Elvis-Kapelle“ in Las Vegas, um ihr Ehegelübde zu erneuern. Elvis-Darsteller Kent Ripley sagte dem Sender CBS, die Kinder seien zwar auffallend dünn gewesen, hätten aber nicht den Eindruck vermittelt, dass sie in einer Notlage seien.
Unterdessen kamen immer neue bizarre Einzelheiten ans Tageslicht, die den Fall noch rätselhafter machen. Das Haus der Turpins war als Schule angemeldet und trug offiziell den Namen „Sandcastle Day School“; David Turpin war als Schildirektor registriert, obwohl er offenbar keinerlei pädagogische Ausbildung besitzt.
Eine andere Schule besuchten die Turpin-Kinder nicht. Turpins Eltern sagten den Medien, sie seien davon ausgegangen, dass die Kinder zu Hause unterrichtet würden, was in den USA legal ist. Die Schulbehörden von Perris haben kein Recht zu Kontrollbesuchen bei Privatschulen wie der „Sandcastle Day School“.
Die Turpins hätten sich im Verlauf der vergangenen Jahre bei zwei Gelegenheiten selbst für bankrott erklärt, meldeten die Zeitungen. David Turpin war Ingenieur beim Rüstungsunternehmen Northrop Grumman und verdiente laut „New York Times“ 140.000 Dollar im Jahr. Doch das Geld habe nicht gereicht, sagte der Anwalt Ivan Trahan, der die Turpins bei einer Bankrottanmeldung im Jahr 2011 vertrat. Damals habe das Ehepaar 12 Kinder gehabt und begeistert von seinem Nachwuchs erzählt.
Etwa zur selben Zeit zog die Familie Turpin aus Texas nach Perris, doch von einem fröhlichen Familienleben war in der Muir Woods Road nichts zu sehen. Eine Anwohnerin, Wendy Martinez, bemerkte vor einigen Monaten vier der Turpin-Kinder, die in der Dunkelheit auf dem Rasen an dem Haus spielten, das jetzt überall nur noch das „Horror-Haus“ heißt. „Dünn und wie Albinos“ hätten die Kinder ausgesehen, sagte Martinez der Presse. Sie versuchte, mit ihnen zu reden, doch sie schwiegen und schauten sie nicht an.