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Papst Franziskus.
© dpa

Katholische Kirche: Papst Franziskus schafft sich eine Regierung

Genau einen Monat nach seiner Wahl baut Franziskus die Leitung der katholischen Kirche mit wenigen Worten in revolutionärer Weise um.

Am Samstag Morgen, bei der Messe im vatikanischen Gästehaus, hatte er über die "revolutionären Beschlüsse" gepredigt, mit denen die Apostel einstmals auf die Verwaltungsprobleme der Urkirche reagiert hätten; er hatte gesagt: "Wenn's Schwierigkeiten gibt, muss man darüber reden und Entscheidungen treffen. Man muss wie ein Fußballtorwart den Ball fangen, egal aus welcher Richtung er kommt." Am Mittag dann ließ Papst Franziskus seinen eigenen revolutionären Entschluss zur Reform der Kirchenleitung verkünden exakt einen Monat nach seiner Wahl und ausdrücklich als Reaktion auf die dringenden Wünsche, welche die Kardinäle im Vorkonklave einstimmig geäußert hatten.

Franziskus also so teilte der Vatikan in einer wortkargen Erklärung mit hat einen Rat von acht Kardinälen an seine Seite geholt, "die ihn bei der Leitung der universalen Kirche beraten und ein Projekt zur Revision der aktuellen Kurienverfassung studieren sollen." Dieser Kreis besteht nicht aus Kurienmitgliedern, sondern aus Bischöfen großer Diözesen auf allen Kontinenten: dabei sind der Münchner Erzbischof Reinhard Marx, George Pell aus Sydney (Australien), Sean O'Malley aus Boston (USA), Laurent Monsengwo Pasinya aus Kinshasa (Afrika) und Oswald Gracias aus Bombay (Indien). Hinzu kommen Francisco Javier Errázuriz Ossa, der frühere Erzbischof von Santiago de Chile und als einziger Römer Giuseppe Bertello, der "Ministerpräsident" des Vatikanstaats. Die Koordinierung übernimmt der honduranische Kardinal Oscar Andrés Rodríguez Maradiaga.

Zwar gibt es im Vatikan bereits einen Weisenrat "für die wirtschaftlichen und finanziellen Probleme des Heiligen Stuhls"; das universelle Beratergremium aber, das Franziskus nun eingerichtet hat, ist neuartig in der Kirchengeschichte. Es trägt den Wünschen vieler Bischöfe und Kardinäle Rechnung, wonach die Stimmen aus der Weltkirche in Rom endlich stärker gehört werden sollen, und anders als bisher erwartet, beauftragt Franziskus mit der überfälligen Kurienreform nicht irgendeinen "starken" Kardinalsstaatssekretär, sondern ein Expertengremium von außen. Damit sichert er zum einen die Unabhängigkeit von allzu eingefahrenen Apparaten und reagiert zum anderen auf die grassierende Unzufriedenheit in der Weltkirche mit der obersten Kirchenbürokratie, mit deren als ineffizient, als obrigkeitsstaatlich und als bevormundend empfundenen Strukturen.

Franziskus, der immer noch im vatikanischen Gästehaus wohnt, weil er sich anders als Benedikt XVI. nicht "von den Leute isolieren" möchte, bekräftigt mit seiner Entscheidung auch seinen Wunsch nach Teamarbeit oder, im Fachjargon, nach der Umsetzung jener "Kollegialität"  in der Kirchenleitung, die das Zweite Vatikanische Konzil vor fünfzig Jahren gefordert hat und die nach allgemeiner Einschätzung bisher zu wenig umgesetzt ist. Als Verkörperung dieser Kollegialität gibt es zwar die Bischofssynoden; sie tagen aber nur in mehrjährigem Abstand. Außerdem gelten sie mit ihren etwa 400 wechselnden Mitgliedern längst als zu schwerfällig und weil dort erfahrungsgemäß meist nur vorbereitete Statements abgelesen werden als langweiliger Ort faktischer Nicht-Diskussion. Ein Gremium von acht Spitzenberatern ist demgegenüber entschieden flexibler und schlagkräftiger.

Der neue Kardinalsrat arbeitet neben der Kurie, die in zuletzt 1988 geordneter Form bis auf weiteres fortbesteht. Die Tatsache, dass Franziskus' Reform ausdrücklich vom Kardinalstaatssekretariat unter dem umstrittenen, aber vorerst im Amt bestätigten Tarcisio Bertone angekündigt wurde, wird in Rom auch als Ausdruck des Behauptungswillens des vatikanischen Behördenapparats empfunden. Ferner vermerkt die Erklärung ausdrücklich, der neue Kardinalsrat werde erst am 1. Oktober zusammentreten. Wer aber fürchtet, da werde eine angekündigte Reform dann doch wieder auf die lange Bank geschoben, darf sich mit dem letzten Halbsatz beruhigen. Dort steht: "Seine Heiligkeit steht schon jetzt in Kontakt mit diesen Kardinälen." Die Reform also greift also ab sofort. Bis Oktober, so kündigte Vatikansprecher Federico Lombardi außerdem an, werde sich auch der Papst in seinen vielen Gesprächen einen Überblick über die Gesamtlage von Kirche und Kurie verschafft haben. Dann, so ist zu vermuten, werden konkrete Entscheidungen nicht lange auf sich warten lassen.

Paul Kreiner

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