Projekt "Probewohnen Altstadt": Paar aus den Niederlanden wohnt "zur Probe" in Görlitz
Die schöne Stadt im Osten hat nach der Wende viele Bewohner verloren - und lockt jetzt mit Angeboten. Derzeit versucht es ein Ehepaar aus den Niederlanden in Görlitz.
Van Bijnens wohnen zur Probe in Görlitz. Eine Woche lang erkundet das Ehepaar aus den Niederlanden sein potenzielles neues Umfeld - es lernt die Stadt, die Nachbarn und die Umgebung kennen. Miete muss es nicht zahlen. Am Montag bezogen van Bijnens als erste „Probewohner“ ihr Quartier in der Altstadt. Beworben hatten sich mehr als 100 Menschen aus dem In- und Ausland, darunter Kroatien und Alaska. Aus Deutschland trafen auch Bewerbungen aus Berlin ein. Das Rennen gemacht haben Jan van Bijnen und seine Frau Friederike aus Arnheim. Sie mögen die Stadt, bereits seit zehn Jahren verbringen sie ihren jährlichen Urlaub in Görlitz. „Und ja, wir halten es für möglich, nach Görlitz zu ziehen. So einen Umzug muss man sich natürlich gut überlegen. Aber die Stadt ist sehr schön, wir könnten es uns vorstellen“, sagte der 63-Jährige dem Tagesspiegel.
Auch seiner Frau gefalle es in der Stadt sehr gut, und das sei das Wichtigste. In der Wohnung fehlt es den beiden an nichts, nur der Internetanschluss ist etwas langsam. Das Projekt mit dem Titel „Probewohnen Altstadt“ soll Görlitz als attraktiven Wohnort bekannt machen und Auswärtige für einen Umzug begeistern. Von 1990 bis 2011 kehrten der Stadt mehr als 20.000 Einwohner den Rücken, viele Wohnungen stehen noch immer leer. Das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) begleitet das Vorhaben. Durch Analysen der Bewerbungsbögen soll ermittelt werden, wie sich Stadtteile „alterssensibel“, also für alle Generationen geeignet, gestalten lassen. Außerdem sollen im Quartier Hinweise und Erfahrungen zur Wohnqualität gesammelt werden.
Wissenschaftliche Befragungen der Altstadtbewohner auf Probe sollen unter anderem Erkenntnisse dazu liefern, wie die Stadt und das kommunale Wohnungsunternehmen auf Wohnwünsche und Wohnbedürfnisse heutiger und künftiger Bewohner eingehen können. „Wir werden die Teilnehmer im Vorfeld zu ihren Erwartungen an das Wohnen in der Altstadt befragen. Während ihres Aufenthalts in Görlitz erhalten sie einen zweiten Fragebogen. Dann geht es um ihre Erfahrungen in der Zeit des Probewohnens“, erläutert Stefanie Rößler vom Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung.
Görlitz bewirbt sich um den Welterbe-Titel der Unesco
Insgesamt drei sanierte Altbauwohnungen mit drei oder vier Räumen zwischen 81 bis 105 Quadratmeter werden in der Schwarzen Straße 5 zur Verfügung gestellt - möbliert und bis zum Besteck komplett eingerichtet. Wenn alle Probewohner wie geplant kommen, sind die Wohnungen bis Mai 2016 durchgängig belegt. Interessierte können sich weiterhin bewerben. Zahlen müssen die Probewohner lediglich eine Betriebskostenpauschale von 80 Euro. Es ist bereits das dritte Mal, dass Görlitz zum Probewohnen einlädt. In diesem Jahr wurde das Projekt von der Gründerstadt in die historische Altstadt verlagert - mit dem Stadtteil bewirbt sich Görlitz auch um den Welterbe-Titel der Unesco. Die Stadt mit 55.000 Einwohnern wird durch das unzerstörte historische Stadtbild und rund 4000 Denkmäler geprägt. Entlang der Neiße verläuft seit 1945 die deutschpolnische Grenze durch die Stadt.
Interesse am Probewohnen haben überwiegend Ältere. 70 Bewerbungen kommen von Personen, die zwischen 56 und 75 Jahre alt sind, wie eine erste Auswertung ergab. Die Motive der Bewerber ähneln sich: 90,6 Prozent haben ganz allgemein „Interesse an der Stadt Görlitz“. Neun Bewerber gaben an, in Görlitz geboren, acht, dort aufgewachsen zu sein. Mehr als jeder fünfte Bewerber (21,7 Prozent) hat bislang überhaupt keine Beziehung zu Görlitz und will die Stadt erst durch das Probewohnen kennenlernen. Auf Basis der Ergebnisse möchten die Wissenschaftler künftige Handlungsfelder für die Stadtplanung nicht nur in Görlitz, sondern auch in anderen Klein- und Mittelstädten aufzeigen.
2009 war das Projekt im bundesweiten Wettbewerb „Stadt bauen. Stadt leben“ erfolgreich und wurde mit dem Nationalen Preis für integrierte Stadtentwicklung und Baukultur ausgezeichnet. Ob Herr van Bijnen und seine Frau ihren Lebensabend wirklich in Görlitz verbringen werden, wird sich bald entscheiden.
Bewerber können sich bei Sarah Hauck unter 03581 - 46 11 44 oder im Internet unter s.hauck@kommwohnen.de melden.
Robert Klages
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