Konzerte abgesagt: Nur die Gerüchte verstummen nicht
Whitney Houston sagt Konzerte in Europa ab, auch in Berlin – sie ist nicht bei Stimme. Oder gibt es andere Gründe?
Es ist Frühling in Paris, die Pollen fliegen, eine Sängerin bekommt asthmatische Zustände und muss deshalb die Auftaktkonzerte ihrer Europatournee absagen. Im Grunde genommen eine Bagatelle, eine Alltäglichkeit. Niemand auf der Welt würde deshalb die Stirn runzeln, wenn die Sängerin nicht Whitney Houston hieße. Nachdem bekannt wurde, dass der Superstar sich in der vergangenen Woche in einem Pariser Krankenhaus wegen einer Atemwegserkrankung hatte behandeln lassen, schossen jedoch sofort die Spekulationen und Gerüchte ins Kraut.
Die Klatschmagazine wollten wissen, dass Houstons Bronchien und vor allem ihre Nebenhöhlen nicht blockiert sind, weil ihr die Pollen zu schaffen machen. Vielmehr schien klar zu sein, dass die Frau mit der großen Stimme, die Sängerin von Welthits wie „I will always love you“ und „Saving all my love“ wieder in alte schlechte Gewohnheiten verfallen ist. Ihr guter Bekannter, das Kokain, soll an ihren Ausfällen schuld gewesen sein. Das Magazin „In Touch“ nannte gar einen Augenzeugen, der sie dabei gesehen haben wollte, wie sie in einer Bar in Los Angeles gemeinsam mit ihrem Ex-Ehemann Bobby Brown durch eine zusammengerollte Dollarnote das weiße Pulver geschnupft hat.
Völlig abwegig war diese Meldung nicht. Die Konzertabsagen erinnerten fatal an die Zeiten, in denen Houston, eine der engsten Freundinnen von Michael Jackson, ständig Auftritte kurzfristig annullierte. Vor rund zehn Jahren war das, und im vergangenen Herbst beichtete Whitney Houston in einem langen Interview der TV-Talkerin Oprah Winfrey, dass sie zu dieser Zeit tief im Drogensumpf gesteckt hatte. Sie und Bobby Brown hätten sich damals wochenlang in ihrem Haus in Los Angeles verschanzt und Kokain und Marihuana konsumiert.
In dem Interview mit Oprah zeichnete die überaus aufgeräumt wirkende Houston das Bild einer zutiefst kaputten Drogenehe zwischen sich und Brown. 15 Jahre lang, von 1992 bis 2007, habe sie es nicht geschafft, sich von dem Alkoholiker Brown zu lösen, der sie betrog, beschimpfte und misshandelte. Dabei sei sie selbst immer tiefer in die Sucht gerutscht, die wegen der häufigen Konzertabsagen und wegen ihres zum Teil extremen Gewichtsverlusts bald niemandem mehr verborgen blieb.
Bei einem Fernsehinterview im Jahr 2002 verharmloste und leugnete Whitney Houston das alles noch. Den Drogenkonsum nannte sie „ein wenig Party machen“, zu ihrer offensichtlichen Magersucht sagte sie, sie sei schon immer schlank gewesen. Und auf die Fragen nach der häuslichen Gewalt antwortete sie ausweichend. Houston nahm sogar die Schuld dafür auf sich, dass Bobby Brown auf sie eingedroschen hatte – sie sei diejenige gewesen, die im Zorn mit der Balgerei angefangen habe.
Vier weitere Jahre dauerte es, bis der Superstar der späten Achtziger und frühen Neunziger sich mithilfe einer Freundin aus dieser giftigen Verbindung lösen konnte. Sie stopfte zwei Jeans und ein T-Shirt in eine Tüte, sagte ihrem Mann, sie gehe einkaufen und setzte sich in ein Flugzeug nach New Jersey zu ihrer Mutter.
Seitdem ist Whitney Houston geläutert und hat ihr Leben wieder im Griff – diesen Eindruck sollte jedenfalls das Interview mit Oprah im vergangenen Jahr vermitteln. Sie habe den Durchbruch geschafft, berichtete sie Oprah, die als Beichtmutter der Nation gilt und ein Herz für sentimentale Geschichten von Krisen und Wiedergeburten hat.
Dieses Bild der vollsanierten Whitney Houston sollte durch ihr neues Album und durch ihre neue Tournee abgerundet werden. Doch ihr erster Auftritt nach zwölf Jahren wurde zum Flop. Nach dem Konzert in Australien im Februar gab sogar ihr Manager zu, dass Houston bei mehreren Stücken die Puste ausgegangen war und sie die Töne nicht traf.
Die beiden Hitsingles aus der neuen CD erzählten von persönlichem Wandel und dem Weg zurück auf den rechten Pfad. „I look to you“ ist ein Bekenntnis der Tochter einer Gospelsängerin zu Gott, der sie durch die finsteren Zeiten ans Licht geleitet habe. Und in „I didn’t know my strength“ singt sie davon, wie sie nach langer Suche in sich die Kraft gefunden hat, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Sollten die Gerüchte stimmen, dass sie sich erst kürzlich wieder mit Bobby Brown in einer Bar zum Koksen getroffen hat, wirken diese Balladen freilich scheinheilig. Offenbar hat Whitney Houston ihren Weg aus der Abhängigkeit von Drogen und von einer selbstzerstörerischen Beziehung doch noch nicht gefunden – ein Weg, der weit schwieriger und hässlicher ist, als das Weltbild von Talkshows und Gospelgottesdiensten zulässt.
Sebastian Moll[New York]
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