Pussy Riot: Nadeschda Tolokonnikowa - im Straflager verliert sich ihre Spur
Angehörige sind in Sorge um Nadeschda Tolokonnikowa. Das verurteilte Mitglied von Pussy Riot ist spurlos verschwunden. Offenbar haben die Behörden sie in ein anderes Lager verschleppt. Als Antwort auf ihren Hungerstreik?
Die Angehörigen von Nadeschda Tolokonnikowa haben Angst, dass ihr etwas passiert sein könnte. Von ihr gibt es seit zwei Wochen kein Lebenszeichen mehr. Seit dem 22. Oktober habe er nichts mehr von seiner Frau gehört, berichtete ihr Ehemann Pjotr Wersilow. Die Gefängnisleitung wolle Tolokonnikowa durch das Kontaktverbot offenbar bestrafen. Die Gefangene war im September aus Protest gegen die Haftbedingungen in einen Hungerstreik getreten.
Nadeschda Tolokonnikowa prangerte die "Sklaverei" im Straflager an
Tolokonnikowa wollte mit ihrem Hungerstreik kritisieren, dass die Haftbedingungen an „Sklaverei“ grenzten und an das sowjetische Gulag-System erinnerten. Anschließend wurde sie zur Behandlung in ein Krankenhaus eingeliefert. Nach ihrem Klinikaufenthalt setzte sie ihren Hungerstreik zunächst fort. Die Strafbehörden verfügten ihre Verlegung in ein anderes Lager, am 22. Oktober wurde sie aus ihrem bisherigen Straflager rund 400 Kilometer vor Moskau abtransportiert.
In einem vom Westen scharf kritisierten Prozess war Tolokonnikowa gemeinsam mit ihren Bandkolleginnen Maria Alechina und Jekaterina Samuzewitsch im August vergangenen Jahres wegen „Rowdytums“ und „Anstachelung zu religiösem Hass“ zu zwei Jahren Lagerhaft verurteilt worden. Die Gruppe hatte im Februar 2012 in einer Moskauer Kathedrale ein „Punkgebet“ gegen den heutigen Präsidenten Wladimir Putin aufgeführt. Samuzewitsch wurde später auf Bewährung freigelassen. Verbüßen müssen sie ihre Strafe weit östlich von Moskau. Damit, so das Kalkül der Vollzugsbehörde, würden sie keine Kontakt zu kritischen Medien haben. Prominente hatten des „Schandurteil“ heftig kritisiert. Die Performance in der Kirche sei zwar geschmacklos, aber vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt. Tolokonnikowa sorgte auch in den Wäldern der Teilrepublik Mordwinien dafür, dass die Welt den Skandal nicht vergaß. Vor allem deshalb, so vermutet Ehemann Pjotr Wersilow, habe die Vollzugsbehörde sie jetzt „verschwinden“ lassen.
In ein anderes Lager. In welches, weiß bisher nicht einmal ihr Mann. Es gebe lediglich Berichte, dass sie in Tscheljabinsk hinter dem Ural gesichtet wurde. Bei der russischen Vollzugsbehörde dagegen hieß es schon Ende Oktober, Tolokonnikowa sei auf eigenen Wunsch in ein anderes Lager verlegt worden. Der offizielle Grund: Konflikte mit Mitgefangenen und dem Personal. Anhänger vermuten, dass der Hungerstreik der Grund ist.
Bis zu 17 Stunden am Tag sitzen die Insassen an Nähmaschinen
Nadeschda Tolokonnikowa ist nicht die Einzige, die die Verhältnisse in dem Straflager kritisiert. Die einstige Chefjuristin des Yukos-Konzerns, Swetlana Bachmina, die wie der kremlkritische frühere Yukos-Chef Michail Chodorkowski wegen angeblicher Wirtschaftsvergehen verurteilt wurde und ihre sechsjährige Haftstrafe im gleichen Lager wie Tolokonnikowa verbüßte, bestätigte die Vorwürfe. Auch Putins Beirat für Zivilgesellschaft und Menschenrechte, der die Anstalt inspizierte, war erschüttert. Bis zu siebzehn Stunden täglich sitzen die Häftlinge demzufolge an der Nähmaschine. Das Essen ist schlecht, die Vollzugsbeamten malträtieren die Häftlinge und drohen zuweilen mit Mord.
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