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Als wäre es gestern gewesen. In Breezy Point hat sich seit der Katastrophe fast nichts getan.
© REUTERS

Hilfe: Nach Sandy zeigen sich die USA als gelähmtes Land

Zweieinhalb Monate nach dem Wirbelsturm „Sandy“ bleiben die Hilfszahlungen zum größten Teil blockiert. Ursache ist das Parteiengezänk in Washington, aber auch lokale Behörden scheinen überfordert zu sein.

Zehn Wochen ist es her, dass der Wirbelsturm Sandy mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 180 km/h über die amerikanische Ostküste fegte, Häuser zerstörte, Strände und Strandpromenaden wegspülte. 120 Menschen wurden getötet, in New York und New Jersey entstand einen Schaden von bis zu 60 Milliarden Dollar. Seine zerstörerische Kraft zeigt Sandy heute noch, sogar im Kongress: Da streiten Republikaner und Demokraten darüber, ob und wann den Opfern in der Sturmregion geholfen wird.

Wenn es noch einen Beweis gebraucht hätte dafür, dass sich die Republikaner weniger um Land und Leute scheren als um Parteipolitik, dann liegt er jetzt vor. An Silvester hatte der 112. Kongress unter der Mehrheitsführung von John Boehner den letzten Arbeitstag, und traditionell werden in den letzten Stunden der Legislaturperiode noch Beschlüsse getroffen, die überfällig oder umstritten waren – nicht so im zerrissenen Klima im Washington der Gegenwart. Den Opfern von Sandy 60 Milliarden Dollar zur Verfügung zu stellen, war den Republikanern zu teuer, die Entscheidung über die dringend benötigte Hilfe wurde auf den nächsten Kongress vertagt.

Mittlerweile sind die Abgeordneten des 113. Kongress vereidigt, und zumindest einen Teil der Sandy-Hilfe haben sie gebilligt: 9,6 Milliarden Dollar fließen zunächst an die Katastrophenbehörde FEMA, die damit dringend benötigte Kredite und Zahlungen an Sandy-Opfer geben kann. Die bisher ausgeschütteten Gelder reichen überhaupt nicht. „Die ersten Zahlungen von FEMA kamen sehr schnell“, sagt Kathy McLaughlin, deren Haus auf der New Yorker Landzunge Breezy Point durch die Sandy-Fluten komplett zerstört wurde. „Wir brauchen aber mehr Geld, zumindest zinslose Darlehen, um über die Runden zu kommen.“ So zahlten die Opfer teure Miete für Übergangswohnungen.

Wie sich die Menschen in Breezy Point nicht unterkriegen lassen

Mit Mietkosten steht Kathy McLaughlin besser da als viele ihrer Nachbarn. Ihr Haus hat von der FEMA einen roten Sticker bekommen und gilt damit als „verdammt“, das heißt: Es ist dringend vom Einsturz gefährdet und wird noch im Januar von der Stadt abgerissen werden, ihr selbst entstehen keine Kosten. Die meisten Nachbarn an ihrem Straßenblock haben einen roten Sticker an ihren Häusern. Andere haben einen gelben Sticker und müssen sich selbst um den Abriss kümmern – das kostet zehntausende Dollar. Wer einen grünen Sticker hat, muss lediglich Reparaturen am Haus durchführen, aber auch dafür reichen die 30 000 Dollar nicht, die jeder Hausbesitzer in Breezy Point zunächst bekommen hat.

Doch trotz der scheinbar endlosen Warterei lassen sich die Leute nicht unterkriegen. Kathy McLaughlin geht davon aus, im Frühjahr ein neues Haus zu haben und im Sommer einziehen zu können. Mike Flanagan, der um die Ecke wohnt, plant ebenfalls einen Neubau. „Wir warten dringend auf Anweisungen von der Stadt“, sagt er. „Im Moment ist noch nicht entschieden, wie eine neue Bebauung auszusehen hat, ob wir unsere Häuser an gleicher Stelle bauen können oder ob wir sie anders bauen müssen, um nicht vom nächsten Sturm wieder so hart getroffen zu werden.“ Das lange Warten ist nervenaufreibend für die Leute von Breezy Point, die sich zum Teil seit Jahrzehnten kennen, und die auch nach dem Sturm verteilt über Mietwohnungen in anderen Teilen New Yorks Kontakt halten. Ein wenig Geduld und Verständnis habe man, sagt Flanagan. „Das Ganze ist ja sehr komplex, und wir sehen auch, dass man sich bemüht.“

Breezy Point war nach dem Landgang von Hurrikan Sandy die am stärksten betroffene Nachbarschaft. Mehr als einhundert Häuser sind wegen eines Gas-Lecks niedergebrannt, andere wurden total überflutet. Bis heute haben einige hundert Haushalte keinen Strom. Doch Hurrikan-Opfer gibt es auch in anderen Gegenden. In den Küstenorten von Long Island etwa, wo man nach dem Winter mit dem Neubau der Strandpromenaden beginnen will, die Sandy weggerissen hat. Statt der traditionellen Holzbohlen werden wohl Beton-Elemente verbaut werden. Das nimmt den Stränden von New York zwar den Charme, sorgt aber für Sicherheit.

Auch wer nicht direkt am Strand lebt, spürt zehn Wochen nach Sandy die Spätfolgen des Unwetters. Zehntausende von Pendlern, die jeden Tag von New Jersey aus nach New York ziehen, kämpfen bis heute mit einem eingeschränkten Zugverkehr. Der „Path Train“, die wichtigste Passagierverbindung durch den Hudson River, verkehrt nur tagsüber und steht nachts für Bauarbeiten still. Informationen über den Fortschritt und einen Termin für eine Normalisierung der Verbindungen gibt es nicht, die zuständige Behörde schweigt. Frustrierte Pendler nutzen bereits Petitionen und Facebook-Seiten, um Druck zu machen.

Die Katastrophenhilfe lässt in New York und New Jersey zu wünschen übrig. Doch sind es nicht nur die lokalen Behörden, die schnelle Hilfe versagen, sondern der Kongress. Der wird sich noch lange über weitere Zahlungen an die Sandy-Opfer streiten. Einer der lautesten Kritiker dabei ist Chris Christie, der schwergewichtige Gouverneur von New Jersey. Als eingefleischter Republikaner hat er sich bei seiner Partei zunächst unbeliebt gemacht, als er Präsident Barack Obama im Zusammenhang mit dem Hurrikan für seine ausgezeichnete Führungsarbeit lobte. Mittlerweile scheint Christie ganz mit den Kollegen in Washington gebrochen zu haben. Für ihr Votum gegen die rasche Hilfestellung müsse sich seine Partei schämen, schrie Christie durch die Fernsehsender der Nation. Innerparteiliche Kritik dieser Art dürfte ihm eine Kandidatur im Präsidentschaftswahlkampf 2016 erschweren, die ihm bisher als sicher galt. Somit sind die Auswirkungen von Sandy nicht nur nach zehn Wochen noch zu spüren, sondern politisch auch über die nächsten Jahre.

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