Vin Diesels zwei Seiten: "Mutter ist die Beste"
Vin Diesel kassiert Millionen, um sich in Filmen zu prügeln. Der Hollywoodstar markiert oft den muskulösen Haudrauf. Doch eigentlich redet er lieber über seine Familie.
Mr. Diesel, Sie sind jetzt 45 Jahre alt, drehen viele Ihrer halsbrecherischen Stunts selbst – Sie klettern über fahrende Autos und springen von Dächern. Sie sind ein Adrenalinjunkie.
Ich mache mehr, als ich sollte. Früher wollte ich alle Stunts selber machen. Nun bin ich Vater einer kleinen Tochter und habe Verantwortung. Ich sollte es mir genau überlegen, bevor ich mich in brenzlige Situationen begebe.
Welche Grenze haben Sie sich gesetzt?
Das mit der Grenze versuche ich immer wieder. Trotzdem komme ich abends nach Hause und frage mich: Warum zum Teufel habe ich das gemacht? War ich total verrückt? Es ergibt absolut keinen Sinn. Warum springe ich im übertragenen Sinne immer wieder durch den brennenden Reifen?
Haben Sie eine Antwort gefunden?
Weil ich ein Problem habe.
Und das wäre?
Na ja, eigentlich sind es ziemlich viele. Die Leute, mit denen ich zusammenarbeite, vergessen im Laufe der Dreharbeiten, dass ich nur ein Schauspieler bin. Das hat wohl mit dem Charakter zu tun, den ich spiele. Irgendwann glauben sie wirklich, ich sei dieser Dominic Toretto aus der „Fast and Furious“-Reihe...
... ein krimineller Autodieb, der die Hauptfigur der Actionfilmserie ist...
... und dass ich in der Lage sei, all diese gefährlichen Situationen zu meistern. Wenn ich gefragt werde, ob ich die Stuntszene machen will, sage ich nicht: Oh nein, es ist zu gefährlich. Ich fürchte, das wird wohl nie passieren. Denn wenn ich das Wort „Action“ höre, setzt bei mir alles aus. Das ist mein größter Fehler. Aber für meine Arbeit ist es gut. Das ist natürlich unheimlich und sehr dumm.
Da fällt es schwer, sich den wütenden Rabauken Dominic Toretto als zärtlichen Vater Vin Diesel vorzustellen.
Ich habe meine Tochter mit meinen eigenen Händen auf die Welt geholt. Ich habe ihr sogar die Nabelschnur durchtrennt. Ich war der Erste, der ihre kleinen Beinchen hin und her bewegt hat, um mein Mojo auf sie zu übertragen. Wie Sie wissen, bin ich ziemlich bekannt. Ich muss über jede Entscheidung nachdenken, die ich treffe, mich oft verstecken und kann zum Beispiel nicht öffentlich feiern, wenn ich Vater werde. Sofort wären die Paparazzi da und würden diesen wunderbaren Moment ruinieren. Ich musste also vorsichtig sein.
Deswegen gibt es wenige Bilder von Ihnen und Ihrer vierjährigen Tochter?
Ich habe es damals sogar für mich behalten, dass ich Vater werde. Das war während der Dreharbeiten für den vierten Teil von „Fast and Furious“. Ich drehte mit Paul Walker gerade die Szene, in der wir uns gegenseitig vermöbelten, als meine Freundin schon im Krankenhaus lag, weil ihre Fruchtblase geplatzt war. Als ich gerade dabei war, das Set zu verlassen, kam Paul Walker in meinen Trailer. Da konnte ich nicht mehr, ich musste es einfach jemandem erzählen. Und Paul sagte zu mir: „Viele Typen werden dir davon abraten, bei der Geburt dabei zu sein – ich sage dir, es wird das Beste in deinem Leben sein. Sorge dafür, dass du dabei bist und die Nabelschnur durchschneidest.“ Er hatte recht. Als ich diesen kleinen Engel in meinen Armen hielt und wir uns gegenseitig in die Augen blickten, wenn ich heute an diesen Moment denke, werde ich immer noch ganz rührselig.
Sie sind gar nicht so ein harter Knochen?
Ich bin ein sehr empfindsamer Mensch.
Wen er als Türsteher verprügelte
Trotzdem haben Sie dieses Image. Wie lebt es sich damit?
Auf der anderen Seite bin ich ja auch ein harter Kerl. Meine Mutter würde jetzt sagen, ich bin nur deshalb so respekteinflößend, weil ich in New York aufgewachsen bin und meine sensible Seite verstecken musste. Heute habe ich davor keine Angst mehr. Ohne diese Seite könnte ich kein Künstler sein. Als ich noch Türsteher in New York war, konnte ich mir so eine Schwäche nicht leisten, ich musste bereit sein, jede Nacht zu kämpfen. Da war kein Raum für solche Emotionen. Obwohl es Situationen gab, in denen ich sensibler als meine Kollegen war.
Erzählen Sie uns mal eine einfühlsame Türstehergeschichte.
Wenn fünf Türsteher einen Typen verprügelten, dann habe ich mich – und das sollte man als Türsteher eigentlich nie tun – auf die Seite des Angegriffenen geschlagen und mit ihm gegen die anderen Türsteher gekämpft. Das ist mein Beschützerinstinkt, der da durchkam und mir sagte, was richtig und was falsch war.
Angst scheinen Sie nicht zu kennen. Kürzlich haben Sie ein Video gepostet, in dem Sie Rihannas Hit „Stay“ nachsingen – und zwar ziemlich schräg.
Das war aus Liebe, weil Valentinstag war. Haben Sie noch nie ein Lied am Valentinstag gesungen? Ich mache so etwas oft, besuchen Sie einmal meine Facebook-Seite, da sind Weihnachtslieder von Nat King Cole drauf, die ich vor drei Jahren gesungen habe. Damit sage ich: Schaut her, ich zeige mich genauso schutzlos wie ihr.
Ihnen ist jedenfalls nichts peinlich.
Ich bin lustig, manchmal dämlich, ich zeige mich so, wie ich bin. Das funktioniert nicht mehr, wenn sich meine Seite mehr als 40 Millionen Menschen ansehen. Ich hätte wissen müssen, dass mein Rihanna-Song eine große Nummer wird. Manchmal vergesse ich, wie viele Leute mein Zeug im Internet anklicken. Falls Sie sich den Song doch noch mal ansehen sollten, seien Sie nicht überrascht, wenn er nächstes Jahr einen Preis gewinnt. Welchen auch immer...
Einen Filmpreis haben Sie bisher nicht gewonnen, dabei fing Ihre Karriere vielversprechend 1998 mit einem Kriegsdrama von Steven Spielberg an.
Für meine Rolle in „Der Soldat James Ryan“ erhielt ich zum ersten Mal eine Gage. Damals war ich 29 Jahre alt. Wir haben die Normandie-Invasion im irischen Wexford gedreht. Von meiner ersten Gage habe ich meiner Mutter ein Ticket gekauft, damit sie endlich einmal nach Europa fliegen konnte. Wenn man wie ich in Manhattan aufwächst, glaubt man, dass die Welt hinter dem Hudson River endet. Deshalb war es ein ganz großes Ding für mich, meine Mutter nach Europa einfliegen zu lassen. Ich habe vor kurzem mit ihr über diesen Moment gesprochen. Wir hatten den letzten Drehtag, meine Mutter und ich verließen das Set am Strand, gingen noch einmal zu den Klippen, um die Aussicht zu genießen – und plötzlich fuhr ein schwarzes Auto vor und Tom Hanks stieg aus. Er blickte auf das Meer, so wie meine Mutter und ich. Ich ging zu ihm rüber und sprach mit ihm, was aus heutiger Sicht banal klingt, aber damals spektakulär war.
Sie sprechen erstaunlich oft von Ihrer Mutter.
Hm, rede ich zu viel über sie? Sie hat mir so viel beigebracht, sie ist der Fels in meinem Leben. Meine Mutter hatte schon immer feste Prinzipien. Wer sie nicht respektiert, bekommt es richtig mit ihr zu tun, dann kann sie zu einem Mitglied der irischen Mafia mutieren.
Was hat Sie Ihnen beigebracht?
Dass man sich niemals unterkriegen lassen darf. Sie ist ein richtiges Stehaufmännchen. Dieses Gefühl für Ehre und Aufrichtigkeit stammt von meiner Mutter, wenn ich jetzt darüber nachdenke. Sie würde es für mich sogar mit einem Drachen aufnehmen. Du legst dich besser nicht mit ihrer Familie an. Genau die Art Mutter ist sie. Diese Frau hat ohne viel Geld mich und meinen Bruder großgezogen. Und das alles ohne Vater, den gab es nämlich nicht.
Sie haben es nun zum hoch bezahlten Hollywoodstar geschafft. Als Produzent und Schauspieler haben Sie 15 Millionen Dollar für den fünften Teil der „Fast and Furious“-Filme kassiert. Was ist die Kehrseite der Medaille?
Es war schwer für mich, meine Anonymität aufzugeben und zu akzeptieren, dass ein Teil meines Lebens verloren gegangen ist – einfach mal in ein Geschäft oder ins Kino zu gehen. Dieses süße Wort „Anonymität“ gibt es für mich nicht mehr. Zuerst ist es dir nicht bewusst, und du merkst nicht, dass das Teil des Deals ist, dann wird dein Traum wahr, und der Alltag verändert sich. Für mich war dieser Traum wahr geworden, als ich Teil eines Steven-Spielberg-Films wurde. Vorher war ich völlig erfolglos in New York. Ich habe bei drittklassigen Theaterproduktionen um Jobs gebettelt, habe Workshops gemacht, bis ich blau im Gesicht war, alles ohne Erfolg. Und dann gab mir Spielberg die Chance, mit ihm zu arbeiten.
Was hält er von Ihrer Entwicklung? Guckt er sich „Fast and Furious" an?
Wir haben einmal darüber gesprochen, als ich gerade mit Sidney Lumet „Find Me Guilty – Der Mafiaprozess“ gedreht habe. Spielberg sagte zu mir: „Vinie, what the fuck? Was zum Teufel treibst du da eigentlich? Du verwirrst mich, du machst Actionfilme, Komödien, und dann drehst du mit einer Legende wie Sidney Lumet?“ Ich habe ihn gefragt, ob ich etwas falsch gemacht hätte. Er meinte: „Nein, überhaupt nicht. Du bist auf dem richtigen Weg. Verwirre mich weiter. Erst wenn du damit aufhörst, hast du ein Problem.“
Spielberg verwirrt neuerdings selber gern. Was halten Sie von seinem Sketch, in dem Präsident Obama als Daniel Day-Lewis auftrat, der wiederum Obama spielte?
Dazu würde ich jetzt gerne so viel sagen, aber das darf ich nicht. Nur so viel: Wenn Obama eine richtige Rolle will, dann könnte ich mir wunderbar eine Szene mit ihm und Samuel L. Jackson in dem Agententhriller „Triple X“ vorstellen.
Der Film „Fast and Furious 6“ startet am Donnerstag in den Kinos.
Bettina Aust
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