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Teilen statt Mülleimer: Mit foodsharing.de gegen die Wegwerfgesellschaft

Die neue Internetplattform vermittelt Lebensmittel: Von denen, die sie nicht mehr brauchen, an die, die sie noch gerne genießen wollen. Ein Projekt für Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung.

Um 14 Uhr 19 am Mittwoch sind 25 Essenskörbe in 19 deutschen Städten abholbereit. 200 Gramm H-Schlagsahne laktosefrei in der Originalverpackung, haltbar bis zum 23. Dezember, lagern in Viersen. In Dortmund warten 19 Beutel Ingwer-Lemon-Tee der Marke Teekanne, Verfallsdatum 1.Oktober 2014. In Berlin kann man sich „Hochzeitsreste“ sichern: zwei Kilogramm gemischtes Gemüse, zehn Packungen Babyfolgemilch und ein Kilogramm Brötchen. Letztere allerdings mit bereits abgelaufenen Verfallsdaten. Reste einer Kantinen-, Herbergs- oder vielleicht Heimbewirtung werden in Zweibrücken in der Pfalz angeboten. Einen Liter Glühwein, eine 200-Gramm-Packung Nussmischung, 14 Tütchen mit Senf und Ketchup, 20 Margarineportionen, eine kleine Marmeladenportion der Sorte Erdbeer, eine Nuss-Nougatcreme im Päckchen und elfmal Frischkäse kann man dort umsonst bekommen. Wenn man sich bei „foodsharing.de“ anmeldet.

Jeder Bundesbürger wirft im statistischen Mittel Jahr für Jahr um die 80 Kilogramm Lebensmittel einfach weg, obwohl diese teilweise originalverpackt und noch einwandfrei genießbar sind. Andere Menschen haben dagegen nicht genug Geld, um sich und ihre Familie gesund und mit Genuss zu ernähren. Und weil die Lebensmittelverschwendung darüber hinaus das Klima belastet, haben am Mittwoch der Dokumentarfilmer Valentin Thurn und das Team von „foodsharing e.V.“ die Internetseite an den Start gebracht. Die Anmeldung dafür ist denkbar einfach, man braucht lediglich eine E-Mail-Adresse. Die Seite ist für Privatmenschen wie für Unternehmen kostenlos zugänglich und verfolgt ein simples Ziel: Lebensmittel zu teilen, anstatt sie wegzuwerfen. „Wir wollen zeigen, dass Lebensmittel einen ideellen Wert haben“, sagte Initiator Thurn bei der Präsentation am Mittwoch in Köln.

Nicht jeder hat Nachbarn, denen man vor einer Reise die im Haushalt übrig gebliebenen Lebensmittel weiterreichen kann. Künftig könne man solches vor dem Urlaub über „foodsharing.de“ organisieren. Jeder könne auf diese Art gegen Lebensmittelverschwendung aktiv werden, sagte „foodsharing“-Vorstand Stephan Kreutzberger (gemeinsam mit Thurn, Autor des Buches „Die Essensvernichter: Taste the Waste – Warum die Hälfte aller Lebensmittel im Müll landet und wer dafür verantwortlich ist“). Via Plattform solle aber nicht nur nach Brot gesucht oder ein Liter Milch angeboten werden, auch gemeinsame Kochaktionen seien möglich, erläuterten die Macher.

„foodsharing.de“ ist eine interaktive Datenbank mit Suchfunktion, in der überschüssige Lebensmittel schnell angezeigt und zur Abholung freigegeben werden können. Mit einer Anmeldung auf der Seite erhalten die Teilnehmer ein persönliches Log-in. Unter diesem kann man dann einen Warenkorb mit jenen Lebensmitteln einrichten, die man abgeben möchte. Auf der Suche nach Lebensmitteln leitet eine Landkarte zu den Angeboten. Unter dem persönlichen Log-in kontaktiert man dann die Anbieter und holt sich die Lebensmittel. Noch einfacher soll es 2013 werden, dann wird über eine Smartphone-App sogar die (Fahrrad-)Route angezeigt. Gleichzeitig können Anbieter auch signalisieren, wenn sie zusammen mit anderen kochen wollen.

Der Erfolg des Projekts wird – neben erforderlichen Geldspenden – maßgeblich davon abhängen, ob die Lebensmittelspender korrekt mit den Lebensmitteln umgehen und nichts Unbekömmliches weiterreichen. Bei der Anmeldung wird man deshalb auf einen Ratgeber geleitet. Der Leitfaden umfasst Tipps zum Kühlschrankmanagement, zum jeweiligen Umgang mit Fleisch, Fisch, Eiern oder Gemüse, Regeln für den Transport, Aufklärung über die Bedeutung des Mindesthaltbarkeitsdatums und Anregungen dazu, wie man erkennt, ob etwas noch gut ist. Selbst Regeln dafür, was den Gesundheitszustand des Weitergebenden betrifft, finden sich hier. Und grundsätzlich gelte wohl immer: „Nichts an andere weitergeben, was man selbst nicht mehr essen würde.“

Damit es auch wirklich jeder versteht, hat sich „foodsharing.de“ eine Etikette verordnet: „Sei ehrlich“ lautet die erste Regel. Das gilt insbesondere für die Beschreibung des Essenskorbs samt Verfallsdaten. „Sei zuverlässig“ steht an zweiter Stelle. Wer Lebensmittel zu den von „foodsharing“ eingerichteten Hotspots bringt, solle die Verabredungen einhalten. „Melde Verstöße“ schließlich fordert alle Teilnehmer auf, sich für den Standard des Gesamtprojekts einzusetzen. Außerdem verweist die Seite auf das Lebensmittelrecht.

In Berlin standen am Mittwoch erst drei Körbe im Angebot. Als Hotspots waren der Alexanderplatz, Bahnhof Zoo, die Markthalle Neun und das Kottbusser Tor vermerkt. Zumindest zum Start des Projekts in Köln konzentrierten sich die meisten Angebote und Hotspots dann doch noch auf Nordrhein-Westfalen. Zum Feierabend hin wurde das Angebot übrigens attraktiver. Kurz vor 18 Uhr wollte ein Laden in Köln einen Weißkohl, einen Rotkohl, eine Stange Sellerie, ein Kilo Kartoffeln, ein Kilo Möhren, zwei Dosen Tomaten und zwölf Becher Vanille-Joghurt spenden. (mit dpa)

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