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Algenteppich. Diese riesige Algenplage in der Antarktis wurde kürzlich von einem Satelliten aufgenommen. Experten vermuten, dass schmelzendes Eis Eisen freisetzte, was zu einer gigantischen Algendüngung führte. Es gibt Forscher, die nach diesem Vorbild eine Algendüngung fordern, um CO2 zu binden.
© NASA/GSFC/ Rapid Response/dpa

Klimawandel: Mit einer Algenplage die Welt retten?

Es gibt kühne technische Vorschläge, die Klimakatastrophe abzuwehren – Experten untersuchen, ob sie erfolgreich sein können.

Manchmal gibt es eine positive Nachricht. Die Ozonschicht wächst wieder, stellte das Atmosphären-Forschungszentrum in Athen vor wenigen Tagen fest. Aber das muss nicht viel heißen. Die Ozonschicht verändert sich ständig, mal wächst sie, mal verliert sie. Mehr verspricht dagegen die Chance auf ein neues weltweites Klimaabkommen bis 2015. Dieses Ziel ist das wichtigste Ergebnis des 17. Weltklimagipfels, der kürzlich in Durban, Südafrika, zu Ende gegangen ist. Doch dass es der Welt damit gelingen könnte, das bereits 2010 vereinbarte Ziel, die globale Erwärmung unter zwei Grad im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung zu halten, ist zumindest ungewiss. Denn wenn die globalen Treibhausgasemissionen nicht zwischen 2015 und 2020 dramatisch zu sinken beginnen, wird es mit jedem Jahr unwahrscheinlicher, dass die Vermeidung von unumkehrbaren Klimafolgen noch abgewendet werden kann. Deshalb wird vor allem in den USA und Großbritannien immer intensiver über großtechnische Lösungen für das Problem diskutiert. Mittels Technologien, die als Geo- Engineering oder Klima-Engineering bezeichnet werden, soll die Erderwärmung gebremst oder der Planet künstlich abgekühlt werden.

Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), nennt die Vorschläge in einem Kommentar für die Fachzeitschrift „Pnas“ „Ende-des-Schornsteins-Lösungen“. Diese Strategie hat im Kampf gegen das Waldsterben funktioniert. Als es darum ging, die Schwefeldioxid-Emissionen zu senken, haben Filter für die Industrie gereicht, um das Problem zu lösen. Das Klimasystem ist allerdings weitaus komplexer. Und tatsächlich setzen sich die wichtigsten Studien zum Thema, etwa der britischen Royal Society, eine großangelegte Studie im Auftrag des Bundesforschungsministeriums sowie eine Analyse des Umweltbundesamtes, überwiegend kritisch mit den Vorschlägen zum Geo-Engineering auseinander. Die Royal Society, die dem Ganzen noch am positivsten gegenübersteht, ist dennoch der Auffassung, dass an der Prioritätensetzung in der internationalen Klimapolitik nichts geändert werden sollte. An erster Stelle müsse die Senkung der globalen Treibhausgasemissionen stehen, an zweiter Stelle die Anpassung an die nicht vermeidbaren Klimafolgen und erst an dritter Stelle sollten aus Sicht der Royal Society Technologien erforscht werden, die als „letzte Möglichkeit“ womöglich noch gebraucht würden, wenn es nicht gelinge, die Treibhausgasemissionen im notwendigen Umfang zu senken.

Die geringen Erwartungen an eine globale Lösung für das Klimaproblem haben die Debatte angeheizt. Diskutiert werden vor allem zwei Varianten von großtechnischen Eingriffen ins Klimasystem. Zum einen eine Veränderung des globalen Strahlungshaushalts. Dazu zählen Methoden wie der Vorschlag des amerikanischen Energieministers Steven Chu, die Straßen, Dächer und Parkplätze weltweit mit weißer Farbe zu bestreichen. Damit würde mehr Sonnenstrahlung wieder in den Weltraum abgestrahlt.

Allerdings gilt der Vorschlag als einer der teuersten und am wenigsten effizienten. Sehr viel mehr Hoffnungen setzen Forscher wie Paul Crutzen, der für seine Forschungen zum Ozonloch und seinen Ursachen mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, auf dieAusbringung von Schwefelverbindungen in die Stratosphäre, also die Zone in einer Höhe zwischen zehn und 20 Kilometern. Schwefelpartikel wirken wie Spiegel und würden so noch in der Atmosphäre Sonnenstrahlung in den Weltraum zurückwerfen. Auch das soll eine Abkühlung der Erde bewirken. Für Newt Gingrich, den republikanischen Präsidentschaftskandidaten in den USA, ist das die attraktivste Option, um das Klimaproblem zu lösen. Die Methode gilt als relativ preiswert und Gingrich sagt deshalb, wenn eine Eingrenzung der Erderwärmung für ein paar Milliarden Dollar im Jahr möglich sei, müssten „amerikanische Normalbürger“ nicht mit einer Änderung ihres Lebensstils bestraft werden.

Eine zweite Gruppe von Technologien versucht, Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre zu entfernen. Dafür werden neben der in Deutschland sehr umstrittenen Kohlenstoffabscheidung aus Kraftwerken oder industriellen Prozessen und der darauffolgenden unterirdischen Lagerung (Carbon Capture and Storage oder CCS) auch die Herstellung von Biokohle oder die Entfernung von CO2 direkt aus der Luft diskutiert. Unter Biokohle wird Biomasse verstanden, die mit unterschiedlichen Verfahren zu Holzkohle verarbeitet und dann in nährstoffarme Böden eingebracht werden soll. So soll der Freisetzungsprozess für CO2 über hunderte von Jahren gebremst werden. In diese Kategorie gehören auch die Versuche der Eisendüngung im Meer, um die Algenbildung anzuregen und so CO2 zu binden, sobald die Algen absterben und auf den Meeresgrund absinken. Es gab mittlerweile 13 allerdings immer relativ kleinräumige und kurz angelegte Versuche mit der Eisendüngung, die ergeben haben, dass das Verfahren wohl kaum funktionieren wird. Anstatt das CO2 am Meeresgrund zu lagern, würden mehr als 80 Prozent des beim Absterben der Algen emittierten CO2 in die Atmosphäre abgegeben.

Die CO2-Abscheidung aus der Luft wird mittels künstlicher Bäume diskutiert. Das Umweltbundesamt kommt bei der Bewertung der vorliegenden Ideen – die meisten Technologien sind nicht mehr als das – zu dem Schluss, dass keine mit dem Vorsorgeprinzip in Einklang zu bringen ist. Vor allem die ungeklärten rechtlichen Fragen, wie etwa die, wer über den Einsatz der Technologien entscheidet und wann sie abgebrochen werden, weil unerwünschte und unerwartete Nebenwirkungen eingetreten sind, haben das Bundesamt dazu veranlasst, ein Moratorium für den Einsatz und die Erprobung dieser Technologien zu verlangen, weil ihre Auswirkungen in einem komplexen nichtlinearen System wie dem Klima unüberschaubar seien.

Hans Joachim Schellnhuber weist darauf hin, dass die meisten diskutierten Technologien unsinnig teuer sind. Rund 1000 Dollar pro Tonne CO2 müssten beispielsweise für die Variante mit den künstlichen Bäumen ausgegeben werden. Die teuersten Vermeidungstechnologien für CO2 kosten zwischen 30 und 50 Dollar die Tonne. Und bei Verfahren wie der Schwefelausbringung in die Stratosphäre ergeben sich Konfliktpotenziale, die schwer kalkulierbar sind, zumal dieses Ausbringungssystem über Hunderte von Jahren aufrechterhalten werden müsste, damit es nicht zu einem Klimaschock kommt. Doch wer weiß, ob die Menschen in einigen hundert Jahren noch wissen, warum sie alle paar Jahre Schwefeloxid-Raketen in die Stratosphäre schicken sollen? Schellnhuber schreibt in seinem Kommentar: „Einige Staaten wie beispielsweise Russland könnten einen Vorteil in der Erwärmung sehen“, etwa weil dadurch Rohstoffe leichter zugänglich werden könnten.

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