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Kriminalität: Mhallamiye-Clan beschäftigt Bremen

Wie die Hansestadt mit der hohen Kriminalitätsrate der kurdisch-libanesischen Mhallamiye umgeht. Nachdem Bauarbeiter angegriffen und verletzt worden waren, flammt das Thema wieder auf.

Im Libanon wurden sie einst ausgegrenzt, dann flohen sie vor dem Bürgerkrieg nach Deutschland – aber auch hier konnten sie oftmals nicht Fuß fassen und wurden zum Teil kriminell: Die kurdisch-libanesische Minderheit der Mhallamiye beschäftigt seit Jahren Strafermittler und Medien, besonders in Berlin, Essen und Bremen. Zuletzt sorgte, wie kurz berichtet, ein Vorfall für Aufsehen: Aus nichtigem Anlass wurden Bauarbeiter verprügelt. Sie hatten vier Migranten verwehrt, eine abgesperrte Straßengroßbaustelle zu durchqueren. Sechs Tatverdächtige wurden inzwischen ermittelt – nach Behördenangaben alles polizeibekannte Mhallamiye zwischen 15 und 38 Jahren, mit vier bis 145 Eintragungen im Polizeicomputer.

Jeder sechste Mhallamiye wurde innerhalb eines Jahres einer Straftat bezichtigt

In den Behördendateien finden sich noch viel schlimmere Straftaten, die einigen Mhallamiye zugerechnet werden. 2006 zum Beispiel waren Mitglieder der Großfamilie M. an einer wilden Schießerei auf der Bremer Discomeile beteiligt. Und 2009 wurde ein 43-jähriger Deutschlibanese erschossen – vermutlich aus Rache von einem Mitglied der Familie M., denn er selber hatte sich offenbar an einem tödlichen Überfall auf einen M.-Verwandten beteiligt.

Rund die Hälfte des Clans ist polizeibekannt

Von den 2600 Mhallamiye, die sich seit den 1980er Jahren in Bremen niedergelassen haben, ist laut Medienberichten rund die Hälfte ins Visier der Polizei geraten, nicht zuletzt wegen Drogenhandels. Nach jüngsten Angaben der Innenbehörde wohnten 2012 in Bremen noch 2400 Mhallamiye, von denen innerhalb eines Jahres jeder sechste einer Straftat bezichtigt wurde. Von insgesamt 73 000 angezeigten Taten in der Stadt Bremen sollen sie 816 begangen haben, vor allem Körperverletzungen und Eigentumsdelikte, angefangen beim Ladendiebstahl. Vor fünf Jahren waren es noch hundert Taten mehr. Zum Teil gehe es aber „nur“ um Schwarzfahren oder Verstöße gegen das Ausländerrecht, sagt Rose Gerdts-Schiffler, die Sprecherin des Innensenators Ulrich Mäurer (SPD). Und: Nicht jeder Verdacht bestätige sich.

Null-Toleranz-Strategie

Als echte Schwerverbrecher („Top-Täter“) führt die Polizei 28 Personen, als „Intensivtäter“ mit diversen Delikten einmal quer durchs Gesetzbuch weitere 27. Diese Personengruppen werden „ganz engmaschig begleitet“, wie Ressortsprecherin Gerdts-Schiffler es nennt. Auch bei kleinsten Delikten wie Falschparken greife der Staat konsequent ein und schicke notfalls den Gerichtsvollzieher, um Geldbußen ohne Verzögerung einzutreiben.

Es gibt auch viele rechtschaffene Mhallamiye

Das war nicht immer so. Erst 2010 einigten sich alle zuständigen Behörden auf diese „Null-Toleranz-Strategie“ – auch als Reaktion auf immer wieder kolportierte Gerüchte, manche Ordnungshüter hätten Angst vor dem M.-Clan und sähen lieber weg. Aber Repression ist nur ein Baustein. Parallel dazu will die rot-grüne Landesregierung auch versuchen, die Mhallamiye besser zu integrieren. Gerdts-Schiffler: „Die Polizei hat schon vor Jahren erkannt, dass man allein mit Repression nicht weiterkommt. Wir müssen auch den Nachwuchs aus diesen Strukturen rausbringen.“ Einen Beitrag dazu soll ein Projekt leisten, das im Frühjahr in einem von vielen Mhallamiye bewohntem Hochhauskomplex gestartet wurde und bei Erfolg auf andere Stadtteile übertragen werden soll: Ein „Kulturmittler“ mit ausländischen Wurzeln soll auf die Bewohner zugehen, ihre Bedürfnisse erkunden, ihnen Unterstützung anbieten, kurz: „Brücken bauen“, wie Gerdts-Schiffler sagt.

Brücken gab es früher zu wenige. Die Mhallamiye galten als staatenlos und durften jahrzehntelang in Deutschland nicht regulär arbeiten. „Das ist ein absolutes Integrationshindernis“, sagt die Ressortsprecherin. Und wer immer nur am Rande stehen müsse, der richte sich am Ende dort auch ein. „Das hat sich über viele Jahre verfestigt.“

Aber es gibt auch viele rechtschaffene Mhallamiye. Sie haben sich gut integriert, vielleicht sogar Karriere gemacht, werden aber immer wieder schief angesehen, wenn sie den Nachnamen M. tragen. Das geht auch neu eingeschulten Kindern so. Sie müssen von vornherein mit Misstrauen rechnen. Innensenator Mäurer sagte schon 2010: „Es ist ein dickes Brett, das wir bohren.“

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