Tsunami in Indonesien: Mehr als 800 Tote – Kritik an Tsunami-Warnsystem
Mehr als 800 Tote durch einen Tsunami in Indonesien: Die Folgen der Erdbebenkatastrophe in Südostasien nehmen immer dramatischere Ausmaße an.
Nach der Erdbeben- und Tsunami-Katastrophe in Indonesien wird die Suche nach Überlebenden zu einem dramatischen Wettlauf gegen die Zeit. Auf der Insel Sulawesi gelang es den Helfern auch nach mehr als 36 Stunden noch nicht, zu allen Orten entlang der Küste vorzudringen. Befürchtet wird, dass im Schlamm und in Trümmern noch viele Menschen begraben sind. Zudem gibt es Kritik, dass das Tsunami-Warnsystem nicht richtig funktionierte.
Bei der Tsunami-Katastrophe sind vermutlich deutlich mehr als tausend Menschen ums Leben gekommen. Das indonesische Online-Nachrichtenportal Kumparan berichtete am späten Sonntagabend (Ortszeit) unter Berufung auf die nationale Polizei von mindestens 1203 Toten. Offiziell gab es dafür zunächst keine Bestätigung. Nach der jüngsten Zwischenbilanz der nationalen Katastrophenschutzbehörde von Montag kamen bei der Serie von Erdbeben und der folgenden Flutwelle mindestens 844 Menschen ums Leben. Dabei handelt es sich nach Angaben von Behördensprecher Sutopo Nugroho nur um Todesopfer, die bereits identifiziert wurden. Die Regierung hatte jedoch schon die Befürchtung geäußert, dass die Zahl der Todesopfer durch die Flutwelle und die zwei vorigen Erdbeben am Freitag in die Tausende geht.
Bislang stützt sich die Opferbilanz auf Angaben aus einer einzigen Stadt: Palu an der Westküste mit mehr als 350.000 Einwohnern. Von dort stammt auch eine Handy-Aufnahme des Tsunami, die sich weltweit verbreitete. Zu sehen ist, wie eine mächtige Welle auf die Küste zurollt und dann Menschen, Boote, Autos und ganze Häuser mit sich reißt. Viele wurden am Strand, wo ein Festival geplant war, von dem Tsunami überrascht.
Grund dafür war möglicherweise auch, dass das Warnsystem nicht richtig funktionierte. Der Sprecher von Indonesiens Katastrophenschutzbehörde, Sutopo Nugroho, sagte: „Es gab keine Sirene. Viele Menschen waren sich der Gefahr nicht bewusst.“ Das nationale Zentrum für Meteorologie und Geophysik hatte zwar eine Tsunami-Warnung ausgegeben, hob sie nach nur einer halben Stunde aber wieder auf - aus Sicht von Kritikern viel zu früh. Nach Angaben des Sprechers war die Welle bis zu sechs Meter hoch.
Gab es einen Fehler im Warnsystem aus Potsdam?
Das Warnsystem wurde nach dem großen Tsunami am Zweiten Weihnachtsfeiertag 2004 von einem internationalen Konsortium unter Federführung des Geoforschungszentrums (GFZ) Potsdam aufgebaut. Josef Zens, der Sprecher des GFZ, wies die Kritik am Sonntag auf Anfrage zurück. „Nach unseren Informationen hat die Software einwandfrei funktioniert“, sagte er dem Tagesspiegel.
Eine Warnung für das Gebiet sei bereits fünf Minuten nach dem Beben im Lagezentrum des Tsunami-Frühwarnsystems eingetroffen. Das System habe eine Warnung für Palu, die Hauptstadt der Provinz Zentralsulawesi, vor einem Tsunami zwischen 0,5 und drei Metern Höhe ausgegeben. Der Tsunami habe dann erst rund 20 Minuten später in Sulawesi die Küste erreicht. Die Vermutung sei also, dass „irgendetwas bei der menschlichen Übermittlung der Warnung vor Ort in Sulawesi nicht funktioniert hat“, sagt Zens. Das Lagezentrum für das Frühwarnsystem liegt in Jakarta, mehr als 1500 Kilometer von Sulawesi entfernt.
Dass die Tsunami-Warnung bereits nach einer halben Stunde aufgehoben wurde, widerspricht Zens zufolge den Regeln. „Das System sieht vor, dass die Warnung frühestens nach zwei Stunden aufgehoben werden darf.“ Was genau bei der Übermittlung der Warnung und bei der zu frühen Aufhebung schief gegangen sei, müsse nun erst einmal untersucht werden.
Drei Franzosen vermisst
In Palu sind viele Gebäude schwer beschädigt, auch eine große Moschee und ein Einkaufszentrum am Strand. Auch die größte Brücke der Stadt steht nicht mehr. Am Sonntag gab es immer noch keinen Strom. Die Handy-Netze funktionierten nur gelegentlich. Aus den Trümmern waren immer noch Stimmen zu hören. Nach Angaben von Helfern fehlt es jedoch an geeignetem Gerät, um die Eingeschlossenen herausziehen zu können. Zumindest ist der Flughafen inzwischen wieder geöffnet, so dass Maschinen mit Hilfsgütern landen können.
Auch mehrere Ausländer werden in Palu vermisst. Nach Angaben der nationalen Katastrophenschutzbehörde vom Sonntag wird unter anderem nach drei Franzosen gesucht. Hinweise, dass auch Deutsche unter den Opfern sein könnten, gibt es bislang nicht. Insgesamt sollen sich zum Zeitpunkt der Beben und des folgenden Tsunamis am Freitag etwa 60 Ausländer in der Stadt aufgehalten haben.
Im Unterschied zu anderen indonesischen Inseln wie Bali oder Lombok sind auf Sulawesi normalerweise verhältnismäßig wenig Touristen unterwegs. Das Auswärtige Amt in Berlin empfahl trotzdem allen Reisenden in der Region, „die lokalen Medien zu verfolgen und Anweisungen von örtlichen Sicherheitskräften unbedingt Folge zu leisten“.
Pazifischer Feuerring ist die geologisch aktivste Zone der Erde
Möglicherweise sieht es in Gebieten weiter im Norden - näher am Zentrum des Bebens - noch schlimmer aus. Wegen zerstörter Straßen und Kommunikationsleitungen ist es schwer, dort hinzukommen. Sorge bereitet den Helfern insbesondere die Lage in der Gemeinde Donggala, wo viele Fischer zu Hause sind. Von dort gab es nach Angaben des Vizepräsidenten keinerlei zuverlässige Informationen.
Indonesien liegt auf dem sogenannten Pazifischen Feuerring, der geologisch aktivsten Zone der Erde. Für die mehr als 260 Millionen Einwohner sind Erdbeben, Tsunamis und Vulkanausbrüche keine neue Erfahrung. Beim Tsunami an Weihnachten 2004 starben dort mehr als 160.000 Menschen, so viele wie in keinem anderen Land der Region. (mit dpa)
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