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Lukas Rieger posiert im August beim YouTuber-Treffen „VideoDays“ in Köln mit einem Fan für ein Selfie.
© dpa

Neuer deutscher Teenieschwarm: Lukas Rieger lässt Mädchenherzen höher schlagen

Der 17-jährige Lukas Rieger hat sich zum deutschen Justin Bieber gemausert. Wo er auftritt, fallen Mädchen auch mal reihenweise in Ohnmacht.

Ein wenig verschlafen wirkt Lukas Rieger, als er gegen 12.30 Uhr in zerrissenen Jeans und grauem Sweatshirt neben dem Kamin in der Lobby des Berliner „Grand Hyatt“ Platz nimmt. Seine PR-Beraterin hat ihm eine Tasse grünen Tee hingestellt, aus der er einen Schluck nimmt und sich die Augen reibt. „Ich bin nicht so der Frühaufsteher“, sagt der 17-Jährige und grinst. Ein Gespräch hat Lukas an diesem Sonntag schon hinter sich, ein Fernsehteam war da, jetzt das nächste Gespräch. Genau 30 Minuten bleiben, um Lukas Rieger, Popsänger, Social-Media- Star und Schwarm unzähliger, vor allem weiblicher Teenager, kennenzulernen. Bekannt geworden war er als 11-Jähriger in der Fernseh-Castingshow „The Voice Kids“, wo er eine Hip-Hop-Nummer zum Besten gab. Danach fragte er Jurorin Lena Meyer-Landrut, die acht Jahre älter ist als er, vor laufenden Kameras nach ihrer Nummer. Genützt hat beides nicht, er schied vorzeitig aus. Die Nummer hat er auch nicht bekommen.

Dann wurde es ruhiger um ihn. „Ich habe mich eine Zeit lang in meinem Zimmer eingeschlossen und nur Musik gemacht“, erzählt Lukas. Seine Eltern hatten ihn musikalisch vorgeprägt, der Vater spielt Gitarre, die Mutter Klavier. Er wandte sich der elektronischen Musik zu. „Ich wollte einfach verstehen, wie das geht: Musik am PC machen.“ Vor zwei Jahren fing er an, Videos ins Netz zu stellen, in denen er Stücke seiner Idole, darunter Justin Bieber und Shawn Mendes, nachsang. Der Stimmbruch war noch zu hören, die Community reagierte gemischt. Einige Fans waren hingerissen von dem blonden Jungen, deutlich mehr schrieben ihm, er solle lieber aufhören und was anderes machen, seinen Account besser löschen. „Es ist schon krass, wenn man so gehatet wird“, sagt Lukas. Aber auch ein Ansporn, es diesen Leuten zu zeigen. Er nahm Gesangs- und Gitarrenunterricht, entschied sich nach der zehnten Klasse für eine Ausbildung bei einem Produzenten für Musikvideos. Lukas hatte Glück: Der Produzent nahm erst ein Musikvideo mit ihm auf und bot ihm dann einen Vertrag bei seinem Label Jetpack an. Inzwischen wohnt Lukas, der aus Lehrte bei Hannover kommt, bei ihm in Stuttgart. Seine Kontakte waren es auch, die Lukas nach Los Angeles brachten, wo er von namhaften Produzenten sein Album aufnehmen ließ.

Seine erste CD stieg auf Platz 4 der deutschen Charts

Ende September kam die CD auf den Markt und stieg auf Platz 4 der deutschen Albumcharts ein. „Compass“ heißt sie. Ein aus englischsprachigen Pop-Ohrwürmern und elektronischen Beats und Loops gestampftes Album, das sich natürlich um die große Liebe dreht und nah an Lukas’ musikalischen Idolen orientiert ist, weshalb er auch schon als deutscher Justin Bieber bezeichnet wird. Gesanglich hält sich Lukas Rieger zurück, dafür aber setzt er umso mehr auf elektronische Verzerrung.

Und wie fühlt sich ein 17-Jähriger, der das Leben eines aufstrebenden Popstars führt? „Mir geht es richtig gut damit. Ich finde das Gesamtpaket am Bekanntsein einfach schön, natürlich ist Musikmachen das Wichtigste, aber ich finde es auch super, wenn ich die Geschichten hinter meiner Musik auch mal erzählen kann.“

Seine Geschichten können Fans auch auf sämtlichen Medienkanälen verfolgen. Auf Instagram hat er 1,3 Millionen Abonnenten, auf Twitter folgen ihm 85.000 Fans und viele weitere auf YouTube und Snapchat. Da liefert er verlässlich, was das Mädchenherz höher schlagen lässt. Er singt vor der Kamera, wälzt sich im Bett oder schreibt Posts wie: „We would be cute together.“ Und überall, wo man sich durch die Lukas-Rieger-Seiten klickt: Porträtfotos und Selfies. Eine seiner Lieblingsposen: in Falten gelegte Stirn, eine Hand durchs blond gesträhnte Haar fahrend, dazu ein verträumter Blick in die Kamera. Selbstverständlich müssen auch an diesem Sonntag Schnappschüsse her, Lukas in Pose, dreht sich nach links und rechts – fertig. Die Fotos sind bereit zum Upload. Denn die Community wartet schon auf die nächsten Posts. Mädchen kommentieren solche Einträge mit: „Luki, I love you so much“ oder „Ich hab dich lieb“.

Bei einem Fantreffen gab es am Ende 18 Leichtverletzte

In der realen Welt sind kreischende Teenager, wo Lukas Rieger auftaucht, keine Seltenheit. In Ulm ist Anfang Oktober ein solches Fantreffen mit ihm aus dem Ruder gelaufen. Eigentlich sollte er nur Autogramme geben, am Ende gab es 18 Leichtverletzte, mehrere Mädchen fielen in Ohnmacht. Es kam zu einem Gedränge, eine Glasscheibe ging zu Bruch, zwei Jugendliche zogen sich Schnittverletzungen zu. Lukas wurde in Sicherheit gebracht und die Veranstaltung abgebrochen. In der Berliner Hotellounge sagt er: „Das hat mich mega-traurig gemacht, ich wollte natürlich, dass es allen gut geht.“ Sein Management teilte daraufhin mit, dass solche Meet&Greets aus Sicherheitsgründen nicht mehr stattfinden werden.

Barbara Schöneberger fragte Lukas einmal in einer Talkshow: „Was wollen die denn von dir, diese Mädels?“ Gelächter in der Runde. Brieffreundschaften? Eine Buchempfehlung? Lukas gab sich unbeeindruckt: „Umarmungen. Und dann machen wir Selfies, das ist so was wie ein digitales Autogramm.“

Der Göttinger Psychiater Borwin Bandelow hat sich mit dem Aufstieg und Fall von Prominenten beschäftigt und darüber das Buch „Celebrities“ veröffentlicht. Er sagt: „Ein Star wird zu einem Objekt der Begierde, die Fans wollen ihm nah sein.“ Im Gehirn werde in solchen Situationen das Belohnungszentrum angesprochen. „Das ist, ganz salopp gesagt, auf Sex aus.“ Das heiße aber nicht, dass jedes Mädchen Sex sucht, aber in der Masse der anderen Fans möglichst nah an den Star herankommen möchte. „Trifft ein Fan den Star, löst das Endorphine aus. Ähnlich ist es, wenn wir essen oder Sex haben“, sagt der Psychiater. Bei manchen Mädchen komme es zu einer emotionalen Überlastung, sie verlieren die Kontrolle, werden bewusstlos. Dies treffe vor allem weibliche Fans, sagt Bandelow. Jungen, die bei Konzerten in Ohnmacht fallen, seien sehr selten, weil das vegetative Nervensystem bei ihnen robuster ist.

Die erste eigene Tour steht bevor

Lukas gefällt es, in der Öffentlichkeit zu stehen. Was geht in ihm vor, wenn eine schreiende Horde Mädchen vor ihm steht? Er lehnt sich auf der Bank neben dem Kamin zurück und grinst. „Das ist ein unglaubliches Gefühl, den Support von den Leuten im Reallife zu erleben. Dein Körper zittert eigentlich nur noch.“ Aber er sei sich auch seiner Verantwortung bewusst. Ein Vorbild wolle er sein, sagt er jetzt wieder ernst, verzichtet auf Alkohol, trinkt nur Tee und Wasser, höchstens mal eine Cola.

Nun steht Lukas’ erste eigene Tour an. Zuvor sollte er in Großbritannien als „Supportact“ auftreten, brach diese Konzertreihe aber ab. Warum? Das Album sei hierzulande so gut gestartet, sagt er, da lag es nahe, sich auf Deutschland zu konzentrieren. Jetzt steckt er mitten in den Proben für die Konzerte. Vier Tänzer wurden engagiert, ein Bühnenkonzept erarbeitet. Denn Lukas Rieger arbeitet auf ein Ziel hin: Irgendwann will er Arenen füllen – wie Justin Bieber.

Clara Lipkowski

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