Erforschung Australiens: Ludwig Leichhardt auf Entdeckungsreise
In Australien ist er als Forscher weltberühmt, im Raum Cottbus kennt man ihn auch, doch gesamtdeutsch ist er eher ein Unbekannter. Seinen 200. Geburtstag feiern Australier und Deutsche nun gemeinsam.
Dass er einmal der bekannteste Deutsche Australiens werden würde, konnte 1813 im Dorf Sabrodt/Trebatsch am Schwielochsee im Haus des Torfinspektors Hyronimus Leichhardt keiner ahnen, als Ludwig Leichhhardt geboren wurde. Nach einem Besuch der Dorfschule und Privatunterricht in Latein, Griechisch und Naturwissenschaften beim Dorfpfarrer besucht Leichhardt 1829 das Gymnasium in Cottbus. Es heißt, dass er schon in dieser Zeit einen gewissen Forscherdrang entwickelt habe.
Leichhardt schreibt sich an der Berliner Universität für Geografie, Philologie, Sternkunde und Anthropologie ein, wechselt 1833 nach Göttingen und lernt dort den englischen Studenten William Nicholson kennen. Nach seiner Rückkehr nach Berlin 1834 schließt er sich einer Harzreise seines Geologieprofessors an.
Doch das Studium sagt ihm nicht zu, er bricht es ab und reist mit seinem Freund Nicholson nach London, um das Land besser kennen zu lernen. Es folgen Reisen nach Paris zum Botanischen Garten. 1840 entzieht er sich der Einberufung zum preußischen Militärdienst durch eine Studienreise durch Frankreich und Italien bis ans Mittelmeer.
Hier muss sein Forschergeist geweckt worden sein, denn mit Nicholson schmiedet er Pläne, Neuholland in Australien zu erkunden, er möchte in „den Kern der dunklen Masse“ Australien vordringen. Nicholson sagt im letzten Moment ab, so dass Ludwig Leichhardt am 1. Oktober 1841 auf dem Segler „Sir Edward Piaget“ nach Australien aufbricht, wo er erst im Februar 1842 in Port Jackson eintrifft. Das Land war erst seit 1788 von den Briten an den Küsten besiedelt worden – zu entdecken gibt es also genug. Leichhardt begibt sich nach Brisbane, Moreton-Bay, wo er erste Reisen in die Umgebung unternimmt und sich mit dem Land, dem Klima und den Eingeborenen vertraut macht. Es reift bei ihm der Plan, auf dem Landweg von Moreton-Bay nach Port Essington an der Nordostküste zu reisen.
"Außerordentlich gefährlich"
Einige seiner Zeitgenossen „hielten das Unternehmen für ausserordentlich gefährlich und sahen die Idee als eine Torheit von meiner Seite , als die Folge eines Blinden Enthusiasmus an, der entweder durch einen unklaren Hang für die Wissenschaften oder durch vernunftwidrige Ruhmsucht genährt würde, während noch Andere es selbst nicht gerechtfertigt fanden, einen Mann zu unterstützen, der absichtlich einen Selbstmord begehen wollte“, schreibt Leichhardt 1846 im Vorwort seines Berichtes über eben diese erste große Expedition, die erst 1851 in Halle auf Deutsch veröffentlicht wurde. Zu diesem Zeitpunkt galt Leichhardt schon als verschollen.
Leichhardt zeigt sich zuversichtlich über sein Vorhaben, er habe sich bei seinen kurzen Reisen „an ein vergleichsweise wildes leben gewöhnt und die Gewohnheiten der Ureinwohner so genau beobachtet, dass ich mich versichert hielt, die einzigen wahren Schwierigkeiten, auf die ich stossen könnte, würden nur einen localen Character haben“. Am 1. Oktober 1844 startet er zu seiner zweijährigen ersten Expedition nach Port Essington unter Absingen von „God save the Queen“. 16 Rinder, 17 Pferde, neun Personen reisten mit, davon zwei Ureinwohner. Sie transportierten 1200 Pfund Mehl, 200 Pfund Zucker, 80 Pfund Tee, 20 Pfund Gelatine und ungefähr 20 Pfund Schießpulver mit sich, dazu vier Beutel Schrotkörner. „Jeder von uns hatte sich auf meinen Wunsch mit zwei festen Beinkleidern, drei derben Hemden und zwei Paar Schuhen versorgt“, dazu zum Teil geölte Decken gegen den Regen. So glaubt Leichhardt sieben Monate auszukommen. Ein wagemutiges Unterfangen – schon am ersten Tag verirren sich die Ochsen und halten so die Expedition auf.
Auf immer im Busch verschollen
Leichhardt notiert akribisch alles in seinem Tagebuch: Temperatur, Wetter, Flora und Fauna, die Beschaffenheit des Geländes, vor allem bei schweren Gewittern wird die Reise durch das unerschlossene Gelände zur Strapaze, die Tiere sinken im Schlamm ein und kommen nur mühsam vorwärts. Die Expedition ernährt sich von der Jagd, Leguane, Känguruhs, Vögel aller Art werden geschossen. Im November werden die Vorräte knapp und Leichhardt entschließt sich, zwei Mitreisende zurückzuschicken. Dadurch fehlen schmerzlich zwei Pferde, aber dafür wird ein Ochse geschlachtet und das Fleisch getrocknet. Leichhardt muss sich eingestehen, dass er die Dauer der Reise falsch berechnet hatte.
Ab und an treffen sie auf Eingeborene, die Leichhardt reserviert beschreibt, für Geschenke sind die Vorräte zu knapp. „besonders bewunderten sie unsere rothen Decken. Beim Erblicken eines Degens wurden sie von Schrecken ergriffen und baten zitternd, ihn in die Scheide zu stecken. Sie erstaunten über das Ticken einer Uhr und die Bewegung ihrer Räder. Grössten Theils waren es junge Männer von freundlicher Gemüthsart und gefälligem Aeussern.“
Aber es bleibt nicht immer so harmlos. Am 28. Juni 1845 wird bei einem nächtlichen Überfall ein Expeditionsmitglied getötet, zwei verletzt. Am 17. Dezember erreicht die Expedition Port Essington. Einen Monat später tritt Leichhardt auf einem Segler die Rückreise nach Sydney an, wo er am 23. März 1846 begeistert empfangen wird.
Doch bald schon reizt es Leichhardt, den Kontinent zu durchqueren und nach Perth zu gelangen, ein ungleich größeres Abenteuer, wie wir heute wissen. Am 1. Oktober 1846 bricht die Expedition auf, mit acht Männern, 14 Pferden, 16 Mauleseln, 40 Rindern, 90 Schafen und vier Hunden. Am 5. März erkranken Leichhardt und die ganze Mannschaft, die Strapazen nehmen zu und am 7. Juni 1847 beschließt er schweren Herzens die Reise abzubrechen und umzukehren.
Im Dezember 1847 bricht er noch einmal nach Westen auf, um es erneut zu versuchen. „Nachdem er dreihundert Meilen weit in’s Innere vorgedrungen, kehrte er wieder nach einer der äussersten Ansiedlungen zurück, diesmal jedoch nicht von Widerwärtigkeiten dazu gezwungen, sondern um Nachrichten über die Schönheit und Fruchtbarkeit der Gegend, durch welche er mit seinen Begleitern gekommen, zu überbringen, indem er als Grund für dies verfahren angab, dass er befürchtete, von seiner grossen Reise nie wieder zurückzukehren, und dass er bekümmert gewesen wäre, die von ihm bis dahin gemachten Entdeckungen möchten mit ihm verloren sein – und seitdem ist von einem Glaubwürdigen von ihm weder etwas gesehen noch gehört worden“, schreibt sein Übersetzer Ernst A. Zuchold am Ende der deutschen Übersetzung 1851.
Bis 1938 wurde immer mal wieder nach ihm gesucht, doch bis heute bleibt sein Verschwinden in den Weiten Australiens ungeklärt. So gesehen war sein Verdacht beinahe prophetisch, aber Leichhardt war sich auch immer der Strapazen und Gefahren seiner Reisen bewusst gewesen.
Die Australier dankten es ihm und benannten Straßen, Schulen und Berge nach ihm – und so ist er in Australien bis heute der bekannteste Deutsche.
Rolf Brockschmidt