Sängerin gegen Streamingdienst: Liebesaus zwischen Taylor Swift und Spotify
Spotify ist der weltweit wichtigste Musik-Streaming-Dienst, Taylor Swift eine der erfolgreichsten Sängerinnen. Nun hat Swift ihre Musik von Spotify zurückgezogen - trotz einer Liebeserklärung der Spotify-Mitarbeiter.
Fans von Taylor Swift wissen: Die Popsängerin kennt sich mit Trennungen aus. „I had so many dreams about you and me, happy endings, now I know“, schmachtet sie in ihrem Hit „White Horse“. Nun macht die 24-Jährige selbst Schluss – mit Spotify. Die Popsängerin zieht ihre Musik von der Online-Plattform zurück. Das gilt nicht nur fürs aktuelle Album „1989“, das bereits am ersten Tag nach der Veröffentlichung 600.000 Käufer fand, auch die älteren Titel sind nicht mehr verfügbar.
Es war ohnehin keine Herzensangelegenheit. Die Künstlerin ließ schon vor einigen Monaten wissen, dass sie Streaming-Dienste kritisch sieht. Musik sei wertvoll und müsse bezahlt werden, schrieb sie vor einigen Monaten in einem Gastbeitrag fürs „Wall Street Journal“. Das sei bei Spotify aber nur bedingt der Fall. Denn: „Piraterie, File Sharing und Streaming haben die Zahl der verkauften Alben drastisch sinken lassen.“
Nun ist Spotify nicht wie andere Anbieter und verbreitet keine illegalen Kopien, sondern schließt Lizenzverträge ab. Doch viele Künstler beklagen, dass die Einnahmen viel zu gering seien. „Für mich ist das der Ein-Euro-Shop der Musik“, lästerte Sven Regener, Sänger der Band „Element of Crime“, kürzlich im Musikexpress. „Egal, wie viele Streams es sind, die Künstler haben davon quasi nichts.“ Mit Taylor Swift zieht sich nun nach Radiohead ein weiterer internationaler Star von Spotify zurück – und stellt damit das Geschäftsmodell infrage.
Spotify nimmt den prominenten Abgang mit Humor
Spotify nimmt den prominenten Abgang mit Humor: Der Online-Dienst schreibt in Anspielung auf diverse Songs der Sängerin: „Taylor, we were both young when we first saw you, but now there’s more than 40 million of us who want you to stay, stay, stay.“ Zudem gibt es eine Playlist mit dem Titel „Come back, Taylor!“ Liest man die Titel an einem Stück, kommt eine ähnliche Botschaft heraus.
Doch das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Entscheidung des Popstars Spotify schadet. Denn Swift gehört zu den beliebtesten Künstlern auf der Plattform, wie einige Zahlen zeigen: Mehr als 16 der 40 Millionen Nutzer hätten im vergangenen Monat ihre Lieder gespielt, teilte das schwedische Unternehmen in dem Blogeintrag mit. Gerade für Fans der Amerikanerin dürfte das Musikabo, das in Deutschland zehn Euro pro Monat kostet, deutlich an Wert verloren haben.
Es ist ein Konflikt mit Ansage. Denn Spotify stellt das Geschäftsmodell der Branche auf den Kopf: Anstatt Musik zu verkaufen, kassiert das Start-up pauschal monatliche Gebühren für die Nutzung – „all you can stream“, lautet das Motto. Das nimmt zwar illegalen Angeboten im Internet den Reiz, ebenso aber CDs und Downloads. „Wir glauben, dass Fans überall und immer Musik hören können sollten, und dass Künstler ein absolutes Recht darauf haben, für ihre Arbeit bezahlt und vor Piraterie geschützt zu werden.“
Die Einnahmen aus dem Streaming sind bislang vergleichsweise klein. Spotify als größter Anbieter kam 2012 auf 435 Millionen Euro Umsatz. Experten erwarten jedoch ein kräftiges Wachstum: Das Beratungsunternehmen Deloitte etwa geht davon aus, dass sich die Umsätze mit Streaming-Angeboten bis 2020 verzehnfachen und die Musikindustrie dann jeden zweiten Euro damit erwirtschaftet.
Wie viel Geld kommt bei den Künstlern an?
Die Frage ist: Wie viel kommt davon bei wem an? Spotify rühmt sich zwar damit, 70 Prozent seines Umsatzes an die Rechteinhaber auszuschütten. Doch das sind meistens nicht die Künstler selbst, sondern deren Labels. Die Künstler erhalten schätzungsweise zwischen 15 bis 20 Prozent von ihren Labels, bei Indie-Labels kann es auch mal die Hälfte des Erlöses sein. Da macht es einen großen Unterschied, ob das Lied einer Künstlerin wie Taylor Swift 0,99 Euro bei iTunes kostet und dem Rechteinhaber etwa 0,69 Euro einbringt oder ob pro Stream wie bei Spotify zwischen 0,60 und 0,84 US-Cent an die Rechteinhaber gehen.
Die Künstler bemängeln immer wieder, dass sie nur wenig über den Dienst verdienen. So beschwerte sich 2012 die Band Grizzly Bear aus Brooklyn über Twitter darüber, dass sie für 10.000 Streams nur zehn Dollar bekommen hätte. Künstler wie AC/DC, Die Ärzte oder auch die Toten Hosen bieten ihre Lieder erst gar nicht über den Streamingdienst an.
Der Talking-Head-Frontmann David Byrne schrieb in einem Beitrag für den britischen „Guardian“ im Jahr 2013, dass die Künstler mit ihren Einnahmen bei Spotify nicht ihre Rechnungen bezahlen könnten. Wenn Musiker also nur noch über diese Dienste verdienen würden, wären sie binnen eines Jahres ohne Arbeit.
Doch nicht nur die Künstler wehren sich. Auch einige Labels haben in der Vergangenheit ihre Zusammenarbeit mit Spotify aufgekündigt. In einem krassen Fall im Jahr 2011 verließen mit einem Schlag 200 Indie-Labels den Streamingdienst. Alle wurden von dem britischen Plattenvertrieb STHoldings vertreten. Für den Abschied fand eines der Labels deutliche Worte: „Let's keep the music special, fuck Spotify.“ (Lasst Musik etwas Besonderes bleiben, verzichtet auf Spotify).
Der Verlust trifft Spotify hart
Der Verlust von Swift dürfte Spotify nun noch härter treffen. Schon jetzt ist das Unternehmen nicht profitabel, im Gegenteil. Der schwedische Streamingdienst machte im Jahr 2012 einen Verlust von fast 80 Millionen US-Dollar, im Vorjahr waren es noch 59 Millionen gewesen. Denn mit den steigenden Umsätzen und Nutzerzahlen gehen auch die Lizenzgebühren in die Höhe.
Da Spotify aber nur 30 Prozent der Umsätze behält, muss das Unternehmen die hohen Fixkosten aus Marketing, Produktentwicklung und Infrastruktur daraus bezahlen. Wenn nun auch noch eine Künstlerin wie Swift abwandert und möglicherweise weitere Künstler nach sich zieht, wird es auch aus marketingtechnischer Sicht schwierig für Spotify - gerade vor dem Hintergrund des nach Medienberichten näherrückenden Börsengangs.
Für Swift hingegen hätte es nicht besser laufen können: Ihr neues Album verkaufte sich am ersten Tag nicht nur gut, durch ihren Ausstieg bei Spotify hat sich die Sängerin auch noch die kostenlose PR der Medien gesichert. Sie schickt sich an, damit nicht nur ihre eigene Bestmarke von 1,2 Millionen verkauften Alben binnen der ersten Verkaufswoche zu brechen, sondern auch den Allzeitrekord von 1,319 Millionen verkauften Tonträgern von Britney Spears für „Oops I did it again“.
Dieser Artikel erschien zuerst bei Handelsblatt Online
Christof Kerkmann, Lisa Hegemann
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