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Wucht der Zerstörung in Nepal.
© AFP

Erdbeben im Himalaya: Leben mit der Angst

Mindestens 2500 Menschen sind tot: Die Erdstöße in Nepal haben ganze Dörfer ausgelöscht – und die Überlebenden traumatisiert hinterlassen. Es wird noch dauern, bis das ganze Ausmaß der Katastrophe sichtbar sein wird.

Die Panik war nach wie vor groß. Denn die Erdstöße in Nepal wollten auch einen Tag nach dem schwersten Erdbeben seit 81 Jahren nicht aufhören. Häuser schwankten, Menschen rannten schreiend ins Freie, am Mount Everest gingen weitere Lawinen ab, sogar im 800 Kilometer entfernten Delhi musste die Metro zeitweise gestoppt werden. Aus Angst, unter ihren Häusern begraben zu werden, hatten zehntausende Menschen bereits die Nacht auf Straßen, Parkplätzen und Märkten verbracht.

Viele sangen oder beteten gegen die Angst an, während immer neue Nachbeben das Land erschütterten und die Erde mächtig grollte. „Ich habe kaum ein Auge zugemacht“, erzählte zum Beispiel der Überlebende Sundar Sah. „Die ganze Nacht gab es neue Beben. Ich bin froh, dass ich am Leben bin.“ Die Nachbeben erreichten die Stärke 6,7 auf der Richterskala. Augenzeugen sprachen von einem Bild der Zerstörung, Medien von einem „Killer-Beben“.

Am Samstag wenige Minuten vor 12 Uhr mittags hatte ein Beben der Stärke 7,8 auf der Richterskala weite Teile des Kathmandu-Tals verwüstet. Inzwischen ist von mindestens 2500 Toten und tausenden, wenn nicht zehntausenden Verletzten die Rede, die Zahl dürfte weiter steigen. Die Erdstöße waren so heftig, dass die Ausläufer bis nach Indien, Bangladesch, Pakistan und Tibet reichten und auch dort über 50 Menschenleben forderten. Nepals Regierung rief den Notstand aus und bat die Welt um Hilfe.

Auch aus Deutschland machten sich Helfer auf den Weg. Hilfsorganisationen riefen zu Spenden auf. Bundespräsident Joachim Gauck und Kanzlerin Angela Merkel hatten sich in ersten Reaktionen tief erschüttert gezeigt. An diesem Montag soll ein mit Mitteln des Auswärtigen Amtes finanzierter Hilfsflug des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) starten. I.S.A.R. Germany startete am Sonntag einen Hilfsflug mit 52 Helfern.

Ganze Dörfer sollen in Nepal ausgelöscht oder unter Felsbrocken und Geröll begraben sein. Viele sind so abgelegen, dass es Tage dauern wird, bis das ganze Ausmaß der Katastrophe absehbar ist. Am Morgen schwärmten 10 000 Soldaten und Polizisten aus, um in den Trümmern nach Überlebenden zu suchen. Auch Bürger und Touristen packten mit an. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Viele der Eingeschlossenen sind schwer verletzt und brauchen dringend Behandlung. Die Retter graben mit Schaufeln oder bloßen Händen, weil ganze Viertel ohne Strom sind und es an Gerät fehlt. Die Wasserversorgung ist zusammengebrochen. Die Nachbeben und schlechtes Wetter erschweren die Rettung. Der Flughafen musste zeitweise geschlossen werden.

In Kathmandu irrten am Sonntag verängstigte und traumatisierte Menschen durch ihre zerstörte Stadt. Viele weinten. Die historische Altstadt gleicht einer Trümmerlandschaft. Das Beben ist auch eine kulturhistorische Katastrophe. Das Tal von Kathmandu mit seinen Märkten, Tempeln und Palästen gilt als Weltkulturerbe. Vom 1832 erbauten Dharahara-Turm, einem Wahrzeichen Kathmandus, blieben nur noch Ruinen, 60 Leichen wurden allein dort geborgen. Auch der Durbar Square wurde dem Boden gleichgemacht. „Trauer senkt sich über uns. Wir haben unsere Tempel, unsere Geschichte, die Orte unserer Kindheit verloren“, twitterte die Journalistin und Autorin Shiwani Neupane.

Die Krankenhäuser in Kathmandu können den Ansturm von Verletzten kaum noch bewältigen, Schwestern und Ärzte sind heillos überlastet. So müssen tausende Verletzte unter freiem Himmel versorgt werden. Vielerorts gehen darüber hinaus Medikamente und Verbandszeug zur Neige. Es fehlt an Platz, die Leichen aufzubahren. In aller Eile wurden Schulen und Behördengebäude in Notunterkünfte umgewandelt.

Am Mount Everest, dem höchsten Berg der Welt, spielt sich ein Drama ab. Etwa 100 Bergsteiger sitzen am Berg fest. Der Abstieg ist ihnen versperrt, weil eine Lawine die Rückrouten zerstört hat. „Bitte betet für uns“, schrieb Expeditionsleiter Daniel Manzur. Bisher ist unklar, wie man die Gestrandeten retten kann. Wegen der dünnen Luft ist der Anflug für Hubschauber extrem schwierig (siehe nebenstehenden Artikel).

Dabei war die Katastrophe absehbar. Schon lange warnen Experten vor einem schweren Beben in dem kleinen Himalaya-Staat. Erst eine Woche vor der Katastrophe hatten sich Erdbebenspezialisten in Nepal getroffen, um mögliche Szenarien zu erörtern. Nepal gilt als Hochrisikogebiet. Die Hauptstadt Kathmandu und ihre Umgebung sind eine der seismisch aktivsten Regionen der Welt. 1934 hatte ein Beben der Stärke 8,0 auf der Richterskala Kathmandu, Bhaktapur und Patan dem Boden gleichgemacht.

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