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Dieter Nuhr, Kabarettist, Comedian, Witzbold, muss Kritik von Muslimen einstecken, weil er den Islam mit Frauenfeindlichkeit in Verbindung gebracht hat.
© dpa
Update

Dieter Nuhr: Klaus Staeck: Nicht von Fanatikern einschüchtern lassen

Der Präsident der Berliner Akademie der Künste, Klaus Staeck, hat den Kabarettisten Dieter Nuhr in Schutz genommen. Der Vorwurf, er sei ein Hassprediger, sei absurd. Außerdem warnte er vor religiösen Fanatikern.

Der Präsident der Berliner Akademie der Künste, Klaus Staeck, hält die Anzeige gegen den Kabarettisten Dieter Nuhr wegen mutmaßlicher religiöser Beleidigung für aussichtslos. Nuhr nehme nur sein Recht auf Meinungsfreiheit wahr, sagte Staeck am Montag im Deutschlandradio Kultur. Da dieses Recht von deutschen Gerichten sehr ernst genommen werde, müsse sich Nuhr juristisch „keine großen Sorgen“ machen, ergänzte Staeck, der selbst Jurist ist. Natürlich dürfe man über Götter spotten, betonte der Akademiepräsident. Zu behaupten, Nuhr sei ein Hassprediger, sei „absurd“, sagte Staeck. Der Grafiker forderte, sich nicht von religiösen Fanatikern einschüchtern zu lassen. „Wenn wir nur noch alle vorsichtig sind, wo der andere sich möglicherweise verletzt fühlen könnte, dann können wir von Meinungsfreiheit nicht mehr groß reden“, erklärte er. Angst zu bekommen, weil andere Leute möglicherweise gewalttätig werden könnten, sei ein falscher Ratgeber. Ein Muslim aus Osnabrück hatte Nuhr in der vergangenen Woche wegen „Beschimpfung von Bekenntnissen und Religionsgesellschaften“ angezeigt. Erhat Toka wirft dem Kabarettisten vor, mit seinen Witzen über die Religion Islamfeindlichkeit zu schüren.

Erhat Toka Chef einer Kampfsportschule

Erhat Toka, der den Kabarettisten Dieter Nuhr angezeigt hat und die Demonstration mit 30 Leuten am Samstagabend gegen den Kabarettisten organisierte, ist nach Angaben von epd Chef einer Kampfsportschule in Osnabrück. Er sehe es als seine Pflicht an, sich als gläubiger Muslim gegen die Diffamierung des Islam durch Nuhr zur Wehr zu setzen, rief er bei der Demonstration er in sein Megafon: „Das ist meine Form des Dschihads.“ Er wolle die Besucher des Kabarettabends warnen: „Seid wachsam, wenn ihr da jetzt reingeht, lacht nicht über alles.“ Vor einigen Tagen hat Toka zudem Anzeige erstattet gegen Nuhr wegen „Beschimpfung eines Bekenntnisses oder einer Religionsgesellschaft“. Nuhr startete drinnen sein Programm gleich mit Satire auf den Islam. Er erkläre sich solidarisch mit den Forderungen der Demonstranten: Keine Lügen über den Islam - das sei ganz in seinem Sinne. Deshalb habe er sich schon vor Jahren einen Koran gekauft, „damit ich weiß, was ich sagen darf“, bekennt er und ergänzt: „Das ist nicht viel!“ Aber er gestehe den Muslimen zu, dass sie sich noch weiterentwickeln und irgendwann auch Humor und Comedy verstehen könnten, fügt der Kabarettist hinzu, der am 29. Oktober 54 Jahre alt wird. Das Publikum ist auf seiner Seite und quittiert jede Anspielung auf die Demonstranten, die er als Salafisten bezeichnet, mit Gelächter und Applaus. Draußen reagiert Toka heftig auf Vorwürfe von Passanten, Muslime töteten im Irak und anderen Ländern des Nahen Ostens Andersgläubige: Die meisten Menschen, die in den vergangenen Jahren durch Angriffe der USA im Irak gestorben seien, seien Muslime. Und mit der Terrormiliz „Islamischer Staat“ wolle er, Toka, nichts zu tun haben.

Dieter Nuhr findet auch ernste Töne

Bei Nuhr mischen sich in den Spott mitunter ernste Töne. Er habe nach Bekanntwerden der Anzeige gegen ihn über die Medien vielfach unberechtigte Kritik einstecken müssen, sagt er: „Da wird ja immer gleich die Moralkeule des Rassismus rausgeholt.“ Seine Kritik am Islam wiederholt der Kabarettist jedoch auch an diesem Abend. Ein Satz wie etwa in Sure neun „Tötet die Ungläubigen“, spreche für sich, zumal der Koran ausschließlich aus Handlungsanweisungen bestehe. Zu der Aussage, dass der Islam nur dann tolerant sei, wenn er nicht an der Macht sei, stehe er nach wie vor, wenngleich sie bereits acht Jahre alt sei. Verständnis äußert Nuhr hingegen für die vielen in Deutschland lebenden Muslime, „die mit Islam oder Islamismus gar nichts am Hut haben oder die nur mal so pro Forma in die Moschee gehen. Die werden jetzt alle mit den Radikalen in einen Topf geworfen. Das find ich ganz, ganz schlimm und die tun mir echt leid.“

Der Kabarettist und Jacob-Grimm-Preisträger Dieter Nuhr hatte am Samstagabend nach heftigem Streit mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ) wohl doch zwei Reporter reingelassen. Nach Angaben der "NOZ" hatte er der Zeitung zuvor den Zutritt verboten. Die "NOZ" hatte als erstes über die Anzeige des Muslim Erhat Toka gegen Dieter Nuhr wegen "Islamhetze" berichtet. Die "NOZ" ließ den Mann ausführlich zu Wort kommen, Nuhr wurde nicht zitiert. Zusätzlich veröffentlichte die "NOZ" einen islamfreundlichen Kommentar zu der Anzeige und bezichtigte Nuhr der Lüge, was dessen Aussagen zum Islam angeht.

"NOZ" und Nuhr stritten sich anschließend öffentlich um die Frage, ob Nuhr die Gelegenheit zur Stellungnahme bekommen hat. Nuhr sagt nein, die Zeitung sagt ja. Der Ton ist auf beiden Seiten ziemlich scharf: Nuhr, ganz Satiriker, schrieb auf seiner Facebookseite: "Bin von Islamisten als "Hassprediger" angezeigt worden, weil ich den Koran richtig zitiert habe. Bitte um regelmäßige Besuche im Gefängnis! Neue Osnabrücker Zeitung holt ausschließlich Meinung bei den Islamisten ein und zeigt sich verständnisvoll. Die Frage ist: Braucht ein Land, das solche Zeitungen hat, überhaupt noch Islamisten?"

Die "NOZ" beschrieb in einer etwas gehässigen Besprechung ("alter Kram") des Auftritts von Dieter Nuhr, dass dieser 15 Minuten lang über Islam geredet habe und dabei Wert auf eine genaue Grenzziehung zwischen notwendiger Islamkritik und Islamophobie gelegt habe. So sei er auf seinen Satz eingegangen, der immer wieder zitiert wird: "Der Islam ist nur tolerant, wenn er keine Macht hat." Den Hinweis auf tolerantere Phasen in der Geschichte habe Nuhr mit dem Hinweis beantwortet: "Ich habe bewusst die Gegenwartsform gebraucht."

Auf welcher Seite die "Neue Osnabrücker Zeitung" steht, macht sie sehr deutlich, wenn Sie - in der Online-Fassung von Sonntag, 11 Uhr - über ihren Bericht zu Nuhrs Auftritt in der Dachzeile schreibt: "Wider das Hassprediger-Image". Wobei sie den Begriff "Hassprediger-Image" nicht auf islamistische Hassprediger bezieht, sondern auf Dieter Nuhr.

Auf Nuhrs Facebookseite wie auch hier im Tagesspiegel-Forum äußerten sich viele User zu dem Vorfall und nahmen den Kabarettisten gegen die Vorwürfe in Schutz. Der Osnabrücker Muslim Erhat Toka hatte seine Anzeige gegen den Künstler mit dem Vorwurf der „Beschimpfung von Bekenntnissen und Religionsgesellschaften“ begründet. Das Strafgesetzbuch sieht dafür Gefängnis bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vor. Einige Nutzer zeigten aber auch Verständnis für die muslimische Kritik an Nuhr.

Nuhr hatte mit seinen Auftritten wiederholt Proteste unter Muslimen ausgelöst. In einem Youtube-Video, in dem mehrere Auftritte des 53-Jährigen zusammengeschnitten sind, sagt er über das islamische Frauenbild: „Im Islam ist die Frau zwar frei, aber in erster Linie frei davon, alles entscheiden zu müssen.“ Lacher erntet er auch mit dem Satz: „Wenn man nicht wüsste, dass der Koran Gottes Wort ist, könnte man meinen, ein Mann hätte ihn geschrieben.“ Darüber hinaus äußert er sich in vielen Szenen satirisch-ironisch über radikale Islamisten wie Osama bin Laden.

Wie der Anzeigensteller sein Vorgehen begründet

„Nuhr hetzt Menschen gegen Muslime auf und schürt Islamophobie in der deutschen Gesellschaft“, begründete Toka seine Anzeige gegenüber epd. „Wenn mein christlicher Nachbar in der Show von Dieter Nuhr über dessen Witze über den Islam lacht, sieht er mich nachher mit anderen Augen an.“ Der Kabarettist zitiere aus dem Zusammenhang gerissene Koranverse, um den Eindruck zu erwecken, der Islam sei eine gewalttätige Religion, sagte Toka, der Deutscher mit türkischen Wurzeln ist.

Nach den Worten des Direktors des Osnabrücker Instituts für Islamische Theologie, Bülent Ucar, arbeitet Nuhr mit Verallgemeinerungen und bedient Vorurteile gegen den Islam. Das falle zwar unter die Meinungs- und Kunstfreiheit. „Geschmacklose Zoten auf Kosten einer religiösen Gemeinschaft sind jedoch nicht mutig oder kritisch, sondern wohlfeil.“ Auch der evangelische Theologe Reinhold Mokrosch betonte, er verstehe, wenn religiöse Menschen sich durch Satire gekränkt fühlten.

„Sie haben dann auch das Recht, friedlich dagegen zu demonstrieren.“ Allerdings überzeichneten Satire und Karikatur immer die Realität und müssten in einer Demokratie erlaubt sein.

Dieter Nuhr mit dem Jacob-Grimm-Preis Deutsche Sprache ausgezeichnet

Der Kabarettist Dieter Nuhr war vor einer Woche mit dem Jacob-Grimm-Preis Deutsche Sprache ausgezeichnet worden. Der sprachgewandte Comedian nahm die Auszeichnung in Kassel entgegen. Dieter Nuhr passt in kein Schema, meint er selbst: „Für Comedy bin ich nicht blöd genug und für Kabarett zu lustig“, resümierte er bei der Verleihung. Deshalb wolle er einfach als Witzbold bezeichnet werden. Der Jacob-Grimm-Preis, die Hauptehrung des Kulturpreises Deutsche Sprache, ist mit 30 000 Euro dotiert. „Dieter Nuhr ist wortgewandt, die Pointen treffsicher“, begründete der Sprachwissenschaftler Helmut Glück die Entscheidung der Jury. „Er bringt sein Publikum auch Sprachkritik nahe und regt es an, über die Wirkung von Sprache nachzudenken.“ Kassels Oberbürgermeister Bertram Hilgen (SPD) nannte den Kabarettisten in seiner Laudatio einen begnadeten Erzähler und Wortakrobaten. „Mit seiner charmanten Art, ohne Tabus zu brechen, hat er sich den Ruf als George Clooney des Kabaretts gemacht“, sagte Hilgen.

Für Nuhr ist der Kulturpreis Deutsche Sprache eine seiner wichtigsten Auszeichnungen. „Andere Preise habe ich bekommen, weil ich lustig bin, diesen, weil ich ernst genommen werde“, sagte der Preisträger. Dabei sei die Sprache für ihn von besonderer Bedeutung. „Schließlich gibt es bei meinem Bühnenprogramm keinen Tanz und keine Pyrotechnik - es geht nur um die Worte.“ Die weiteren Auszeichnungen des dreigeteilten Kulturpreises gingen an „Mentor - Die Leselernhelfer“ (Initiativpreis Deutsche Sprache, dotiert mit 5000 Euro) und das Lektorenprogramm der Robert-Bosch-Stiftung (Institutionenpreis Deutsche Sprache, undotiert). Der Preis wird vom Verein Deutsche Sprache und der Stiftung des Baden-Badener Bauunternehmers Eberhard Schöck vergeben.

Bisherige Träger waren zum Beispiel Loriot (Vicco von Bülow), Sänger Udo Lindenberg und im vergangenen Jahr Schauspieler Ulrich Tukur. (mit dpa und epd)

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