Razzia im Rotlichtmilieu: Kampf der Ausbeutung
Die Bundespolizei geht mit dem größten Einsatz ihrer Geschichte gegen das Rotlichtmilieu und organisierte Kriminalität vor.
Der Aufwand war gewaltig. Mit dem größten Einsatz in ihrer Geschichte ist die Bundespolizei am Mittwoch gegen das Rotlichtmilieu vorgegangen. Etwa 1500 Beamte rückten in zwölf Ländern aus, um eine Gruppe von Schleusern und Zuhältern aus dem Verkehr zu ziehen. Es seien mehr als 60 Bordelle und Wohnungen durchsucht sowie sieben Haftbefehle vollstreckt worden, teilte die Bundespolizei mit. Die Beamten nahmen zudem ungefähr 100 Prostituierte aus Thailand, darunter als „Ladyboys“ bekannte Transsexuelle, vorläufig fest. Der Bundespolizei sei ein „harter und in seinem Ausmaß beispielloser Schlag gegen ein bundesweit verzweigtes Netzwerk der organisierten Kriminalität gelungen“, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU).
An dem Großeinsatz beteiligte sich auch die GSG 9. Die Spezialeinheit sicherte in Siegen (Nordrhein-Westfalen) die Festnahme eine Paares, das die kriminelle Gruppierung geführt haben soll. Die 59 Jahre alte Frau aus Thailand und ihr 62-jähriger Lebensgefährte seien die Hauptverdächtigen, sagte die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt. Sie führt das Strafverfahren und hat die Bundespolizei im Februar 2017 mit den Ermittlungen beauftragt. Das Paar sei aus seinem Bordell herausgeholt worden, sagte eine Sprecherin der Bundespolizei vom Ort des Geschehens aus dem Tagesspiegel. In dem Massagesalon hätten sich auch acht Thailänderinnen aufgehalten. Sie seien „in Obhut“ genommen worden, um festzustellen, ob sie sich legal in Deutschland aufhalten. Das tatverdächtige Paar betreibe in Siegen insgesamt drei Bordelle, sagte die Sprecherin. Die Beschuldigten hätten keinen Widerstand geleistet.
Zu der kriminellen Gruppierung zählten insgesamt 17 Personen, hieß es bei der für die Koordination der Razzia zuständigen Direktion der Bundespolizei in Koblenz. Die Beschuldigten sollen Frauen und Transsexuelle aus Thailand mit „erschlichenen Schengen-Visa“ nach Deutschland geschleust haben. Die Prostituierten wurden offenbar zu einem erbärmlichen Leben gezwungen. Der Reisezweck habe „von vorneherein in der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch Ausübung der Prostitution und Überschreitung der Gültigkeitsdauer des erteilten Visums bestanden“, sagte die Bundespolizei. Die eingeschleusten thailändischen Staatsangehörigen seien „im Rotationsprinzip nahezu im gesamten Bundesgebiet in Bordellen eingesetzt worden“. Die Prostituierten hätten nahezu 100 Prozent ihres Arbeitslohns an den jeweiligen Betreiber des Massagestudios abführen müssen, um den Schleuserlohn abzuarbeiten. Das seien „regelmäßig zwischen 16 000 und 36 000 Euro“ gewesen. Die kriminelle Gruppierung habe, schätzen Bundespolizei und Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft, einen Millionen-Betrag eingenommen.
Die Zahl der betroffenen Personen aus Thailand ist hoch
Die Zahl der betroffenen Personen aus Thailand ist hoch, aber offenbar noch nicht genau bekannt. Innenminister Seehofer sagte, „viele hunderte Frauen und Männer waren der menschenverachtenden, grenzenlosen Profitgier von Schleusern über Jahre und Landesgrenzen hinweg ausgeliefert“. Dem skrupellosen Vorgehen „und der sexuellen Ausbeutung in einem abscheulichen Ausmaß“ sei nun ein Ende gesetzt worden. Der Präsident der Bundespolizei, Dieter Romann, nahm den Fall zum Anlass, um vor der Schleuserkriminalität zu warnen. Es gehe den Kriminellen „nicht um humanitäre Fluchthilfe, sondern um persönliche Bereicherung in Form menschenverachtender Ausbeutung“. Erneut zeige sich, „organisierte Schleuserkriminalität ist häufig erst der Anfang für weitere Verbrechen“, sagte Romann.
Am aktivsten war die Gruppierung nach bisherigen Erkenntnissen in Nordrhein-Westfalen. Die Bundespolizei durchsuchte Bordelle außer in Siegen auch in Düsseldorf, Bonn, Dortmund, Gelsenkirchen, Porta Westfalica, Löhne und Detmold. Weitere Ziele der Razzia gab es in Hessen, Niedersachsen, Baden- Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und dem Saarland. Berlin scheint von den Machenschaften der Gruppierung nicht betroffen zu sein, jedenfalls fand hier keine Durchsuchung statt.
Generell sind die Erkenntnisse der Behörden zum Delikt der Ausbeutung von Prostituierten offenbar gering. Das Bundesinnenministerium meldete für 2016 nur insgesamt 24 Fälle. Und das waren neun weniger als im Jahr zuvor.
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