Karneval in Köln: Jot jejange
Die Polizei und der Regen haben bei der Kölner Weiberfastnacht die Stimmung im Zaum gehalten Bürgermeisterin Henriette Reker stand Wache gegen Wildpinkler – getrunken wurde trotzdem genug.
Konfrontation schon um kurz vor zehn. Panzerknacker Sören, 22, betritt den Hauptbahnhofsvorplatz und sagt: „Oh, sind ja ziemlich viele Bullen hier.“ Zack, wird er gleich mitgenommen rüber zum Mannschaftswagen, Personalien aufnehmen. Wegen des „Bullen“. Es war doch gar nicht so gemeint, sagt sein Kumpel, ebenfalls Panzerknacker. Und dass sie extra aus dem Sauerland angereist seien. „Die verstehen hier wohl gar keinen Spaß, oder was!“
Doch, tun sie. Viele der Polizisten, die am Donnerstag vor dem Hauptbahnhof stehen oder durch die Innenstadt patrouillieren, wirken entspannt. Lassen Fotos von sich machen, wippen mit den Füßen im Takt. 2500 Beamte sind im Einsatz, doppelt so viele wie im Vorjahr, und weil es seit morgens regnet, haben sich viele Feiernde direkt in die Kneipen der Altstadt verzogen. So fallen die Polizisten, die draußen auf der Straße stehen müssen, umso mehr auf.
Unter allen Umständen wollte die Stadt Köln vermeiden, dass sich Ereignisse wie die sexuellen Übergriffe aus der Silvesternacht jetzt an Karneval wiederholen. Die massive Präsenz von Polizei, Ordnungsamt und privaten Sicherheitsfirmen scheint zu fruchten.
Auf dem Vorplatz des Bahnhofs, wo Silvester das Gros der Straftaten begangen wurde, hat die Polizei aus Absperrgittern Schneisen gebaut. So will sie den Strom der Ankommenden besser kontrollieren. Auf einem extra aufgestellten Riesendisplay wird gewarnt: „Vorsicht. Täter wollen Ihre Feierlaune ausnutzen.“ Darunter das Piktogramm eines Taschendiebs.
Drinnen in der Vorhalle stimmt die Spaßkapelle Woabich Sambarhythmen an, und sofort bildet sich eine Traube tanzender Kostümierter, die in Minutenschnelle die halbe Halle ausfüllt.
Der Horror der Silvesternacht scheint nicht viele Karnevalisten abgeschreckt zu haben. Etliche Kneipen in der Altstadt müssen schon mittags Einlassstopp wegen Überfüllung verhängen. Für jeden, der das Lokal verlässt, darf ein anderer rein. So bilden sich Schlangen vor den Eingängen. Auch beim Anstehen wird gesungen, vor allem aber getrunken. Einige torkeln schon, bevor sie überhaupt in Türnähe sind.
Die Stimmung ist verhalten
Auch Henriette Reker ist gekommen. Die parteilose Oberbürgermeisterin hatte Anfang der Woche verkündet, sie könne das Mitfeiern beim Kölner Karneval „bedenkenlos empfehlen“, allerdings verwies sie auch auf das „allgemeine Lebensrisiko“: Hundertprozentige Sicherheit gebe es nicht. Jetzt steht sie in rot-weißer Uniform in einer Gruppe Gleichgekleideter – dem Traditionskorps der Roten Funken – vor dem Kölner Dom und passt auf: dass keiner gegen die Mauern des Gotteshauses uriniert!
Wildpinkeln gilt den Kölner Stadtoberen als ernstes Problem. In den vergangenen Jahren wurden die Mitarbeiter des Ordnungsamts dafür eingesetzt, Täter festzuhalten und ein Verwarnungsgeld zu verhängen. Diese Strategie wurde für den aktuellen Karneval ausgesetzt – das Prozedere koste zu viel Zeit, heißt es, und die werde diesmal für Dringenderes gebraucht. Stattdessen haben Henriette Reker und ihre Mitstreiter vom Traditionskorps 10.000 Einwegurinale aus reißfestem Kunststoff dabei, die werden kostenlos verteilt.
Auf dem Alter Markt klettert das Dreigestirn auf die regennasse Bühne. Prinz, Bauer und Jungfrau, die höchsten Repräsentanten des Kölner Karnevals. Die Stimmung in der Menge bleibt verhalten. Unter den transparenten Regenumhängen sehen ihre Kostüme ein wenig zerdrückt aus.
Am Nachmittag gibt die Polizei vorläufige Entwarnung: Im Vergleich zum Vorjahr habe sie bisher deutlich seltener einschreiten müssen. Nur sechs Personen befänden sich in Gewahrsam, allesamt stark alkoholisiert. Einem Feiernden, der sich als SEK-Beamter verkleidet hatte, sei zudem die Spielzeugwaffe entwendet worden. Sie habe täuschend echt ausgesehen. Ob es bereits Anzeigen von Privatpersonen gegeben habe, teilte die Polizei zunächst nicht mit.
Am Freitag geht der Karneval mit Prunksitzungen und Stadtteilumzügen weiter. Mehr als 50 kleinere Aufmärsche sind geplant, zum Rosenmontagsumzug werden 1,2 Millionen Feiernde erwartet.
Etwas Aufregung hatte es noch am Mittwoch gegeben: Kurz vor Weiberfastnacht wurde der Antrag einer Kölner Markenrechtskanzlei bekannt. Im Auftrag eines anonymen Klienten versucht sie, den Ausspruch „Alaaf akbar“ als Marke schützen zu lassen.