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Work in progress. Der italienische Pavillon in Mailand. Das Foto wurde Ende Februar gemacht. Am 1. Mai startet die Expo.
© dpa

Expo 2015: Italiens größte Baustelle

In wenigen Wochen soll die Weltausstellung Expo 2015 vor den Toren Mailands eröffnen. Sorgen bereitet nicht nur der Zeitplan.

Sandsturm. Von Norden fegt er herein, von den blendend weißen Schneegipfeln der Alpen herunter, ungebremst, freie Bahn. Immer neue Wolken an Staub treibt er hoch. Schuhe, Hose, Jacke: Alles wird grau in kürzester Zeit. In den Augen kratzt, zwischen den Zähnen knirscht es. Italiens größte Baustelle, mehr als zwei Kilometer lang, liegt offen da. Lkws stauen sich auf Straßen voller Schlaglöcher und unbedeckter Gullys. Bagger lärmen; Kehrmaschinen kreisen ebenso pausen- wie erfolglos. Bis zu 3000 Arbeiter sind damit beschäftigt, aus hoch aufragenden Holz- und Stahlskeletten Gebäude zu formen. Es eilt. Schon am 1. Mai soll auf diesem Messegelände vor den Toren Mailands alles aussehen wie aus dem Ei gepellt: Dann wird sie eröffnet, die Weltausstellung, die Expo 2015. 24 Millionen Besucher werden bis Ende Oktober erwartet. „Ich sehe nur eine Möglichkeit, wie wir rechtzeitig fertig werden“, sagt Cristiano Borsani. „Wir schicken die Architekten weg, die Ingenieure gleich danach, dann können sich unsere Männer endlich auf die Arbeit konzentrieren.“ Und er lacht. „Bin ja selbst Ingenieur“, sagt er. Borsani, gelbe Warnweste über dem Wintermantel, leitet die Baustelle des österreichischen Pavillons.

145 Länder beteiligen sich an der Expo

Im November erst aus dem Boden gestampft, im wahrsten Sinne des Wortes, liegt wenigstens er gut in der Zeit. Sogar die haushohen Bäume sind schon gepflanzt, der Hauptbestandteil jenes Waldes, mit dem Österreich doppelt so viel Sauerstoff produzieren will, wie seine maximal 900 Besucher pro Stunde verbrauchen werden. Deutschland, direkt gegenüber, hat noch viel zu hämmern und zu schrauben, zu verkleiden und zu installieren auf seinem „Feld der Ideen“. Equador gar, gleich daneben, ist noch nicht mal über seine Grundfesten hinaus. Von A wie Afghanistan bis Z wie Zimbabwe beteiligen sich 145 Länder an dieser Expo. „Feed the Planet, den Planeten ernähren“ hat Italien als Motto über seine Weltausstellung geschrieben – nicht von ungefähr. Nahrungsmittel und das von ihnen transportierte „italienische Flair“ machen, noch in der ärgsten Krise wachsend, einen großen Teil des eigenen Exports aus; bei Wein, Kaffee und Pasta zählt das Land zur Weltspitze. Und dann die Schokolade… In Mailand soll es ein halbes Jahr lang um die Bedingungen, die Zukunftstauglichkeit und die Umweltverträglichkeit der globalen Lebensmittelproduktion gehen. Eine Welternährungs-Show gewissermaßen, bei der sich 93 Länder mit einem eigenen Pavillon präsentieren und sich die restlichen – meist solche, die sich große Ausgaben nicht leisten können – thematisch zusammengeschlossen haben. Da gibt es den „Cluster Reis“ zum Beispiel, mit viel Wasser und noch mehr Spiegeln, damit die „Felder“ so groß aussehen wie nur möglich; oder es gibt den „Cluster Trockengebiete“ mit Eritrea, Somalia, Mali, Palästina beispielsweise.

Es dominieren biologische Formen und organische Baumaterialien

Dem Thema gemäß dominieren „biologische“ Formen und organische Baumaterialien, zumindest in der optischen Außengestaltung von Beton- oder Stahlgerippen. Mexiko hat seinen Pavillon als liegenden Maiskolben gestaltet, Malaysia als vier Samenkörner. Katar hat einen kreisrunden Erntekorb geflochten und Chile sich von alpenländischen Fachfirmen einen mächtigen Massivholzquader aufrichten lassen. Gastgeber Italien wiederum kleidet den natürlich wuchtigsten Pavillon des Geländes derart in eine marmorweiße Rindenstruktur aus Spezialbeton, so dass er an einen mächtigen, alten Baumstamm erinnert. Demgegenüber kann sich allein Österreichs lang gestreckter Wald-Pavillon ein politisch unkorrektes Erscheinungsbild leisten. Seine Holzfassade ist so grau lackiert, dass sie aussieht wie waschechter Beton. „Damit fallen wir hier wenigstens auf“, sagt Ingenieur Borsani lachend. In der Mittagspause ziehen auch Bauarbeiter übers Areal, als neugierige Touristen, staunend auch über verwegene architektonische Einfälle, fachsimpelnd über Materialien, Konstruktionsweisen, mögliche Kosten. „Hier tut sich so viel in so kurzer Zeit“, sagt einer. „Wenn du mal drei Tage lang nicht nachsiehst, erkennst du das Gelände nicht wieder.“ Und dann fotografieren er und seine Kollegen sich gegenseitig an den am schnellsten wachsenden Stellen. Mehr Freizeitvergnügen gibt’s auf der Baustelle sowieso nicht. Nicht mal eine Bar steht dort, geschweige denn eine Mensa – „und das, obwohl wir an einer Expo zum Thema ,Nahrung’ arbeiten sollen“, sagt Borsani. Und Strom gibt es auch noch keinen: „Alles hängt hier immer noch an Dieselgeneratoren.“

Die Bau-Probleme haben andere Themen verdrängt

Um andere Themen ist es so kurz vor der Expo-Eröffnung wieder leiser geworden in Italien: um die Bestechung bei Bauaufträgen, die 2014 so viel Furore gemacht hat, und um die Tatsache, dass laut Antimafia-Direktion Arbeiten von 100 Millionen Euro Umfang ursprünglich an Firmen gegangen sind, die zur Mafia gehören. 46 dieser Unternehmen wurden bis heute hinausgeworfen – was natürlich auch nicht zur Beschleunigung der Arbeiten beigetragen hat. Sehr diskret arbeiten die Behörden an der anderen, großen Herausforderung: an der Sicherheit. Angesichts der wiederholten Drohungen islamistischer Milizen gegen Italien hat dieses Thema immer stärker an Bedeutung gewonnen. Vor diesem Hintergrund nimmt sich die geradezu klassische italienische oder besser gesagt Mailänder Frage geradezu spießig aus: Werden die Bühnenarbeiter der Scala, wie sie es vor Opernpremieren mit besonders vielen Staatsgästen immer wieder gerne tun, auch die Eröffnung der Expo bestreiken? Mit einer Gala-Aufführung von Giacomo Puccinis „Turandot“ soll es im Saale losgehen – allerdings am 1. Mai, und die „Scala“-Gewerkschafter haben angekündigt, sie würden sich das angestammte Recht auf ihre „geheiligten“ Mai-Demonstrationen von nichts und niemandem nehmen lassen.

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