Italien: Innenminister gibt nach Erdbeben vorsichtig Entwarnung
Nach den heftigen Erdbeben in Mittelitalien rechnen die Behörden mit nur wenigen Opfern. Der Innenminister erklärte, dies sei angesichts der Stärke der Beben ein Wunder.
Nach den beiden heftigen Erdbeben in Italien hat der Innenminister Hoffnungen genährt, dass wenige Opfer zu beklagen sein könnten. "Wenn es sich bestätigt, dass es keine Opfer und Schwerverletzten gab, dann ist es angesichts der Stärke des Bebens ein Wunder", sagte Ressortchef Angelino Alfano am Donnerstag im Radio. Bisher war von einem Toten die Rede, der wegen eines Herzinfarktes gestorben sein soll.
Strömender Regen, Dunkelheit und weit mehr als 100 Nachbeben: Die Nacht war für die betroffenen Menschen vor allem in den Gemeinden in der Region Marken voller Angst und Schrecken. Unter den Nachbeben waren auch mehrere von einer Stärke von über 4, wie aus einer Liste der italienischen Erdbebenwarte INGV hervorgeht. Der Chef des Zivilschutzes, Fabrizio Curcio, sprach im Radio von "einigen Tausend" Obdachlosen.
Zwei Monate nach dem schweren Erdbeben in Mittelitalien war das Land am Mittwoch erneut von schweren Erdstößen erschüttert worden. Ihr Zentrum lag nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Ansa südöstlich von Perugia in der Provinz Macerata.
Mit Sonnenaufgang begannen Einsatzkräfte und Helfer am Morgen, sich einen ersten Überblick über die Lage zu verschaffen. Obwohl die Erschütterungen am Mittwochabend ähnlich stark waren wie bei dem verheerenden Beben vor fast exakt zwei Monaten, schätzte der Zivilschutz die Folgen zunächst weniger schwer als befürchtet ein.
Der Zivilschutz der Region Marken spricht bisher von mindestens zwei Verletzten; vermutlich in der Stadt Visso, wie die italienische Zeitung "La Repubblica" schreibt. Laut "Corriere della Sera" liegt die Zahl der Verletzten bei neun, es handle sich dabei aber um leichte Blessuren. Die Polizei teilte mit, dass bisher nichts von Schwerverletzten bekannt sei.
Der Bürgermeister von Castelsantangelo sul Nera, einer Gemeinde nahe des Epizentrums, sagte dem Fernsehsender Sky TG24: "Mit Sicherheit gab es Einstürze." Von Todesopfern habe er noch nichts gehört, nach dem Zusammenbruch der Stromversorgung sei man momentan jedoch im Dunkeln. Zudem regne es stark. Die Hilfskräfte warten nun auf mobile Beleuchtungsanlagen des Zivilschutzes, um mit den Bergungsarbeiten beginnen zu können. Zahlreiche Häuser seien beschädigt worden, verschiedene Straßen mussten aufgrund der Erschütterungen und des starken Regens gesperrt werden, teilte der Zivilschutz mit.
Die Beben waren auch in Rom, Florenz und Neapel zu spüren. In Rom wurde der Palazzo della Farnesina, der Sitz des italienischen Außenministeriums, vorsorglich geräumt. Laut der italienischen Nachrichtenagentur Ansa ereignete sich das erste Beben um 19.11 Uhr in der Provinz Macerata in den Marken mit einer Stärke von 5,4. Auch die US-Erdbebenwarte gab die Stärke mit 5,4 an.
Um 21.18 Uhr bebte die Erde dann erneut. Das Epizentrum lag erneut nahe der Stadt Castelsantangelo sul Nera. Mit einer Stärke von 5,9 war das zweite Erdbeben sogar noch stärker als die erste Erschütterung. Die US-Erdbebenwarte USGS bezifferte die Stärke auf 6,0. Zuvor hatten sie von 6,4 gesprochen. Den beiden starken Beben folgten insgesamt 36 Nachbeben, berichtet die "Repubblica".
Viele Menschen flüchteten aus ihren Häusern, in dem Ort Visso herrschte Panik, die Menschen versammelten sich auf dem zentralen Platz. "Ich habe gehört, wie alle Sachen von den Regalen gefallen sind und bin die Treppen hinuntergerannt", sagte ein Einwohner der "Repubblica", "draußen war alles voller Staub. Die Menschen weinten."
Auch aus den Orten Camerino, Arquato, Pescara del Tronto und Norcia meldeten die lokalen Behörden Schäden. Der Bürgermeister des Orts Ussita sprach von einer "apokalyptischen Situation". Die Front der Kirche sei eingestürzt, im Boden habe sich ein Riss aufgetan. In der Gemeinde Camerino ist der Turm der Kirche Santa Maria in Via in Folge der beiden starken Erdstöße auf ein Wohnhaus gestürzt. Auch in Norcia wurde die Kirche beschädigt, zudem müssen dort etwa 200 Personen die Nacht in Notunterkünften verbringen. Die Schulen in der betroffenen Gegend sollen am Donnerstag geschlossen bleiben.
Erst Ende August war die Region von einem schweren Erdbeben heimgesucht worden. Nach offiziellen Angaben kamen damals 298 Menschen ums Leben, die meisten in dem Ort Amatrice, der nur etwa 60 Kilometer von Castelsantangelo sul Nera entfernt ist. Laut dem Bürgermeister von Amatrice, Sergio Pirozzi, kam es nun erneut zu Schäden. "Es gab Einstürze, aber nur von Gebäuden, die schon beschädigt waren", sagte er Ansa zufolge. "Natürlich weckt das wieder die Angst." Der Seismologe Alessandro Amato vom italienischen Institut für Geophysik und Vulkanologie (Ingv) sagte am Abend, dass die Erschütterungen mit dem schweren Erdbeben vom 26. August im Zusammenhang stünden.
Die italienische Regierung hatte die Schäden des August-Bebens zuletzt auf rund vier Milliarden Euro geschätzt.
Das Land wird häufig von Erdstößen heimgesucht, die immer wieder verheerende Folgen haben. 2009 hatte es im ebenfalls nicht weit entfernten L'Aquila ein verheerendes Beben gegeben, bei dem 308 Menschen ums Leben kamen. (mit dpa)